Leitsatz (amtlich)
Zwangsbeiträge des Mitglieds eines Wasser- und Bodenverbandes zur Durchführung umfassender Maßnahmen einer Flußregulierung, um die Grundstücke des Mitglieds von Hochwasser freizulegen oder drohende Hochwassergefahren abzuwenden, sind Aufwendungen auf den Grund und Boden und wie Anliegerbeiträge zu aktivieren.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger -- Stpfl. --) betreibt auf seinem Grundstück in A. eine Färberei und chemische Reinigung. Das Grundstück liegt innerhalb der Zone, die vor der im Jahre 1957 erfolgten Regulierung der durch A. fließenden B. oftmals (zuletzt im Mai 1940; Juli 1946; Mai 1949; Juli 1954 und Juli 1955) vom Hochwasser überschwemmt wurde. Streitig ist die Behandlung eines Betrages von 1011 DM, den der Stpfl. als erste von drei Raten als Zwangsbeitrag an den Wasser- und Bodenverband zur Regulierung der B. in A. zu zahlen hatte.
Der Gesamtaufwand für die Errichtung von Anlagen, Einrichtungen und weitere Maßnahmen zur Regulierung der B. in A. betrug 3,6 Mio DM. Hievorn hatte der genannte Verband 7 % aufzubringen, die er satzungsgemäß als Beiträge auf seine Mitglieder umlegte, und zwar im Verhältnis der Vorteile (Größe der Grundstücke und Gefahrenzone), die auf sie durch die Hochwasserfreilegung entfielen (§§ 30, 31 und 32 der Verbandsatzung, § 81 Abs. 1 der Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände vom 3. September 1937, RGBl I S. 933). Auf den Stpfl. entfiel hiervon als erste Rate der genannte Betrag von 1011 DM.
Der Stpfl. behandelte diesen Betrag als Betriebsausgabe des Jahres 1957. Das Finanzamt (FA) aktivierte ihn und ließ unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer der geschaffenen Anlagen von 100 Jahren lediglich einen Absetzungsbetrag von 11 DM im Jahre 1957 zum Abzug zu. Der hiergegen vom Stpfl. eingelegte Einspruch hatte Erfolg. Der Steuerausschuß anerkannte den Abzug der fraglichen 1011 DM als Betriebsausgabe im wesentlichen mit der Begründung, daß durch die B.-Regulierung für den Betrieb des Stpfl. ein nennenswerter Vorteil nicht eingetreten sei.
Die Berufung des FA-Vorstehers gegen die Einspruchsentscheidung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Der Abzug als Betriebsausgabe wäre nur dann zulässig, wenn die Beitragsleistungen Aufwendungen zuzurechnen wären, die im Betrieb erfahrungsgemäß alljährlich wiederkehrten und denen kein über das Jahr der Hingabe hinausreichender Vorteil für den Betrieb gegenüberstehe (Urteil des RFH VI 719/38 vom 4. Januar 1939, RStBl S. 297). Dem Beitrag stehe jedoch der Erwerb eines immateriellen, gesondert bewertbaren Wirtschaftsgutes gegenüber, das für den Betrieb einen über das Jahr der Verausgabung hinausreichenden Vorteil darstelle (vgl. RFH-Urteil VI 719/38 und Urteil des BFH VI 195/56 U vom 25. Juli 1957, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 65 S. 294 -- BFH 65, 294 --, BStBl III 1957, 346). Es könnten nicht nur keine Hochwasserschäden mehr entstehen, sondern es sei auch nach menschlichem Ermessen für die gleiche Dauer die Gefahr einer verlustbringenden Unterbrechung der Betriebsvorgänge beseitigt. Im Falle des Verkaufs des Grundstücks würden die Hochwasserfreiheit und der bereits bezahlte Beitrag in einem erhöhten Kaufpreis Berücksichtigung finden. Im übrigen sei die Zwangsmitgliedschaft beim Wasser- und Bodenverband untrennbar mit den hier bestrittenen wirtschaftlichen Vorteilen verbunden, wie sich aus den §§ 31 und 32 der Verbandssatzung ergebe. Keinen Einfluß auf die Rechtslage habe der Umstand, daß der Stpfl. an den von der Summe der Beiträge geschaffenen Anlagen kein Miteigentum oder ein sonstiges dingliches Recht erworben habe (RFH-Urteile VI A 487/28 vom 15. Mai 1929, Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 25 S. 174 -- RFH 25, 174 --, VI 198/40 vom 16. Oktober 1940, RStBl 1941, 17; BFH-Urteil I 133/53 S vom 2. März 1954, BFH 58, 573, BStBl III 1954, 129). Für die Aktivierungspflicht sei es auch bedeutungslos, ob der früher durch die Hochwassergefahr bestehende Nachteil für den Wert des Grundstücks sich steuerlich ausgewirkt habe, und daß der Aufwand des Jahres 1957 nur unwesentlich mehr als 1000 DM betragen habe. Dem Einwand des Stpfl., der gewonnene Vorteil erreiche die Höhe des Mitgliedsbeitrages deshalb nicht, weil außer den zur Hochwasserfreimachung nötigen Schutzbauten auch noch andere, diesem Zweck nicht mehr dienende Bauten errichtet worden seien, könne nicht gefolgt werden. Bei dem streitigen Betrag handele es sich nur um das erste Drittel des Gesamtmitgliedsbeitrages. Der Stpfl. behaupte selbst nicht, daß 2/3 der Beiträge oder mehr für Baumaßnahmen verwendet worden seien, die nicht mehr der Hochwasserbeseitigung dienten. Darüber hinaus aber müsse man auf Grund des Gutachtens des Wasserwirtschaftsamtes zu der Überzeugung gelangen, daß für die Bemessung der Mitgliedsbeiträge lediglich jeweils der Wert der durch die Hochwasserfreilegung für das entsprechende Grundstück entstandenen Vorteile maßgebend gewesen sei. Gründe für eine Teilwertabschreibung seien nicht erkennbar. Die vom FA mit 100 Jahren angenommene voraussichtliche Nutzungsdauer sei nicht zu beanstanden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Stpfl. ist nicht begründet.
Bei den von dem Wasser- und Bodenverband durchgeführten Flußregulierungsmaßnahmen handelt es sich um aktivierungspflichtige Anlagen und Einrichtungen, nicht um Maßnahmen, deren Kosten als Betriebsausgaben sofort abgezogen werden können.
Im Fall des RFH-Urteils VI 719/38 hatte ein Landwirt, um die durch die See verursachte Bodenabspülung der am Wasser gelegenen Länderreien zu verhindern, starke Uferbefestigungen angelegt, und hierfür 4000 RM aufgewendet. Der RFH hat diese Aufwendungen als aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut angesehen. Im RFH-Urteil VI 198/40 ging es um Anlagen zur ordnungsmäßigen Versorgung der an einem Fluß liegenden Industrien sowie um eine nachhaltige Flußregulierung. Die Interessenten hatten sich zu einer Wassergenossenschaft zusammengeschlossen; die Baukosten für diese Anlagen wurden durch Zwangsbeiträge von den Genossen aufgebracht. Der RFH entschied, daß die Beiträge als Bauzuschüsse unter dem Gesichtspunkt der Erlangung eines selbständig bewertbaren Wirtschaftsguts zu aktivieren seien, und daß es nicht darauf ankomme, daß die Anlage nicht in das Eigentum der Mitglieder der Genossenschaft übergegangen sei. Es genüge vielmehr, wenn sich der Wert der geschaffenen Anlage für den Lauf einer längeren Zeit günstig auf den Betrieb des Unternehmens wirtschaftlich auswirke, was auch bei einer durch öffentlich-rechtliche Zwangsbeiträge errichteten Anlage der Fall sein könne.
Der Senat bejaht auch im Streitfall die Aktivierungspflicht des Betrags von 1011 DM. Er sieht darin jedoch nicht Aufwendungen zur Schaffung eines selbständig bewertbaren Wirtschaftsguts, sondern Aufwendungen auf den Grund und Boden. Die Beiträge an den Wasser- und Bodenverband haben Ähnlichkeit mit Anliegerbeiträgen. Sie dienen der Möglichkeit, die in der hochwassergefährdeten Zone belegenen Grundstücke besser auszunutzen, indem die geschaffenen Flußregulierungsanlagen die Hochwassergefahr beseitigen. Hierdurch wird der Wert der Grundstücke der Hochwasserzone ein für allemal erhöht. Der Erwerber eines solchen Grundstücks wird die Tatsache der Befreiung von der Hochwassergefahr bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen. Die Aufwendungen sind daher wie Anliegerbeiträge dem Grund und Boden als zusätzliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten zuzurechnen (BFH-Urteil VI 100/63 S vom 18. September 1964, BFH 81, 233, BStBl III 1965, 85). Absetzungen für Abnutzung sind im Gegensatz zur Auffassung des FG nicht zulässig. Es verbleibt jedoch bei dessen Entscheidung, da, wie sich aus § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ergibt, eine Abänderung zum Nachteil des Stpfl. nicht zulässig ist.
Die Revision war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 425890 |
BStBl III 1966, 587 |
BFHE 1966, 571 |