Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Verpachtet ein Unternehmer sein Fabrikanlagevermögen dergestalt, daß der Pächter bei übernahme der Pachtgegenstände zum Schätzungswert verpflichtet ist, diese ordnungsmäßig zu verwalten und nach Ablauf der Pachtzeit in dem Umfang und in dem Zustand zu ersetzen, in dem sie sich am Tage des Vertragsabschlusses befanden, so steht dem Verpächter die Befugnis zur Vornahme der Absetzungen für Abnutzung an den Pachtgegenständen auch dann zu, wenn der Pächter nach dem Pachtvertrag den Wertverzehr der Pachtgegenstände trägt.
Der Anspruch des Verpächters auf Ersatzanschaffungen des Pächters für ausgeschiedene und unbrauchbar gewordene Pachtgegenstände entsteht nicht erst mit Ablauf des Pachtverhältnisses. Er hat den Anspruch nach Maßgabe des Urteils des BFH IV 228/64 S vom 21. Dezember 1965 (BStBl III 1966, 147) laufend mit dem jeweiligen Zeitwert des Bilanzstichtags zu aktivieren.
Sind Verpächter und Pächter Beteiligte an einer Betriebsaufspaltung, so müssen die Aktivierung des Anspruchs auf Ersatzanschaffung beim Verpächter und die Passivierung der Verpflichtung zur Ersatzanschaffung beim Pächter übereinstimmen.
Normenkette
EStG §§ 4-5, 6/1/1, § 7
Tatbestand
Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1957 bis 1959, ob der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) als Unternehmensverpächter den Unterschied zwischen der von der Pächterin in Anspruch genommenen Absetzung für Abnutzung (AfA) auf die verpachteten Gegenstände und der AfA, die bei ihm in Höhe von jährlich 6 584 DM in Betracht gekommen wäre, als Mehrwert des verpachteten Anlagevermögens zu aktivieren hat.
Der Stpfl. verpachtete an die aus einer Betriebsaufspaltung zum 1. Januar 1957 hervorgegangene X-GmbH (im folgenden GmbH) sein Betriebsgrundstück mit aufstehendem Gebäude und gesamten Anlagen, insbesondere die aufstehenden Maschinen. Den Warenbestand sowie die kurzlebigen Wirtschaftsgüter veräußerte er an die GmbH. Nach dem Pachtvertrag ist die Pächterin verpflichtet, die Gegenstände ordnungsmäßig zu verwalten, notwendige Reparaturen auf ihre Kosten durchzuführen und den Wertverzehr der Pachtgegenstände zu tragen. Nach Ablauf der Pachtzeit hat sie die Gegenstände in dem Umfang und in dem Zustand zu ersetzen, in dem sie sich am Tag des Vertragsabschlusses befanden. Sollte die Rückgabe nach Ablauf der Pachtzeit in dieser Form nicht möglich sein, so ist von der Pächterin eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
Der Buchwert der Maschinen und Einrichtungsgegenstände betrug im Zeitpunkt der Verpachtung beim Stpfl. 148 107 DM. Diesen Betrag führte er auch nach der Verpachtung unverändert weiter. Die Pächterin aktivierte die Gegenstände mit dem Schätzwert von 213 946 DM, bildete einen entsprechenden Gegenposten als Pachtanlageschuld und nahm von dem Betrag laufende AfA vor.
Auf Grund einer im Jahr 1960 durchgeführten Betriebsprüfung aktivierte das Finanzamt (FA) unter Hinweis auf das Urteil des BFH I 44/57 U vom 13. Januar 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 68 S. 515 - BFH 68, 515 -, BStBl III 1959, 197) und auf den Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein- Westfalen vom 5. Mai 1961 S 2/58 2 vB 1 beim Stpfl. den Betrag, um den auf Grund der von der Pächterin an den gepachteten Maschinen und Einrichtungsgegenständen vorgenommenen AfA diese insgesamt höher waren, als sie gewesen wären, wenn der Stpfl. als Verpächter die AfA von seinem Buchwert vorgenommen hätte. Es berichtigte entsprechend den Einkommensteuerbescheid 1957 nach § 222 AO; die Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 1958 und 1959 wurden gemäß § 100 AO vorläufig durchgeführt.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) dem Stpfl. recht. Es führte im wesentlichen aus: Es sei nicht folgerichtig, wenn zwar Betriebsaufspaltungen anerkannt, die aufgespalteten Unternehmen aber auf Grund eines zwischen ihnen bestehenden engen wirtschaftlichen Zusammenhangs doch wieder wie ein einheitliches Unternehmen behandelt würden. Es müsse ohne Rücksicht auf das Bestehen einer Betriebsaufspaltung nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen entschieden werden, ob hier bereits eine Gewinnrealisierung in Höhe des strittigen Betrags beim Stpfl. eingetreten sei. Das sei nach dem Pachtvertrag vom 12. Januar 1957 nicht der Fall. Nach § 5 des Vertrages habe der Pächter die Pachtgegenstände erst nach Ablauf der Pachtzeit zu ersetzen. Erst dann auch sei gegebenenfalls eine Entschädigung zu zahlen. Die Ersatzansprüche des Verpächters entstünden somit erst nach Ablauf der Pachtzeit. Vorher lägen allenfalls nicht realisierte Gewinne vor, die gemäß § 6 EStG unberücksichtigt bleiben müßten.
Entscheidungsgründe
Die mit Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Klage des Stpfl. als unbegründet.
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil IV 228/64 S vom 21. Dezember 1965 (BStBl III 1966, 147) die Grundsätze eingehend dargestellt, die bei der steuerlichen Beurteilung der Unternehmensverpachtung mit Substanzerhaltungspflicht (Substanzwerterhaltungspflicht) des Pächters auf seiten des Verpächters hinsichtlich der verpachteten Wirtschaftsgüter und des Ersatzanschaffungsanspruchs des Verpächters anzuwenden sind. Hiernach steht die Befugnis der Vornahme von AfA am verpachteten Anlagevermögen weiterhin dem Verpächter zu. Er muß sie auch ausüben. Er ist gleichzeitig verpflichtet, den auf Grund der Erhaltungspflicht des Pächters bestehenden Ersatzanschaffungsanspruch mit den am jeweiligen Bilanzstichtag vorhandenen Teilwert zu aktivieren. Der Teilwert des Ersatzanschaffungsanspruchs richtet sich hierbei nach den Wiederbeschaffungskosten für das vom Pächter zu ersetzende Wirtschaftsgut.
Der Senat hält an diesen Grundsätzen fest. Sie gelten auch im Streitfall. Hieran ändern §§ 3 ff. des Pachtvertrages vom 12. Januar 1957 nichts. Nach § 4 des Pachtvertrages trägt den Wertverzehr der Pachtgegenstände die Pächterin. Diese Vorschrift könnte nur dann zu der vom FG angenommenen AfA-Befugnis der Pächterin führen, wenn sie geeignet wäre, das wirtschaftliche Eigentum der Pächterin zu begründen. Die Frage, ob die AfA- Befugnis an den verpachteten und an ersatzbeschafften Wirtschaftsgütern dem Verpächter zusteht, wurde durch Urteil des BFH I S. 51/61 S vom 2. November 1965 (BStBl III 1966, 61), dem sich das Urteil des Senats IV 228/64 S anschloß, vom Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums abhängig gemacht. Zunächst bedeutet die ebenfalls in § 4 des Pachtvertrages enthaltene Regelung, daß die Maschinen und Einrichtungsgegenstände zum Schätzungswert übergeben werden, nicht etwa, daß damit das bürgerlich-rechtliche Eigentum auf die Pächterin überging, was sodann auch für wirtschaftliches Eigentum der Pächterin sprechen könnte. Das ergibt sich aus § 3 des Pachtvertrages, wonach die Pächterin zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Pachtgegenstände verpflichtet ist. Ferner aus § 6 des Pachtvertrages, wonach der Pächterin hinsichtlich der Nutzung der Pachtgegenstände weitere Beschränkungen auferlegt sind. Derartige Vorschriften wären mit dem Willen der Beteiligten, die Gegenstände zu Eigentum auf die Pächterin zu übertragen, nicht vereinbar. Nach § 588 Abs. 2 letzter Satz BGB werden auch die ersatzbeschafften Gegenstände Eigentum des Verpächters. Erst recht kann wirtschaftliches Eigentum der Pächterin, ohne bürgerlich-rechtlich Eigentümerin der Pachtgegenstände zu sein, gerade mit Rücksicht auf die genannten Vertragsbestimmungen nicht angenommen werden. Sie schränken die Befugnis der Pächterin, wie eine Eigentümerin mit den gepachteten Gegenständen zu schalten und zu walten, in erheblichem Masse ein.
Bei dieser Sachlage steht nicht der Pächterin, sondern dem Stpfl. als Verpächter die AfA an den verpachteten Maschinen zu.
Dem FG kann sodann nicht darin beigetreten werden, daß der Ersatzanspruch des Verpächters erst bei Beendigung des Pachtverhältnisses zur Entstehung gelange und daher vorher nicht zu aktivieren sei. § 5 des Pachtvertrages der die Abrechnung zwischen dem Verpächter und der Pächterin bei Ablauf der Pachtzeit regelt, darf nicht isoliert betrachtet werden. Es ist der Sinn derartiger Pachtverträge mit Substanzerhaltungspflicht, das Pachtvermögen ständig in leistungsfähigem Zustand zu erhalten. Das aber bedeutet, daß der diese Verpflichtung übernehmende Pächter mit dem Ersatz unbrauchbar gewordener Pachtgegenstände nicht bis zum Ablauf des Pachtvertrages warten darf, sondern die Ersatzanschaffung laufend durchführen muß. Im Streitfall kommt diese Verpflichtung der Pächterin zur laufenden Ersatzanschaffung und Modernisierung des Betriebs durch § 4 des Pachtvertrages klar zum Ausdruck, wonach die Maschinen und Einrichtungsgegenstände zum Schätzungswert übergehen worden. Die übergabe zum Schätzungswert bedeutet nach § 588 Abs. 2 Satz 1 BGB bei Verpachtung von Grundstücken mit Inventar die Pflicht des Pächters, das Inventar nach den Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft in dem Zustand zu erhalten, in dem es ihm übergeben wird. Hiernach aber ist der Pächter zum laufenden Ersatz ausgeschiedener und unbrauchbar gewordener Gegenstände verpflichtet. Es ist anerkannt, daß § 588 Abs. 2 BGB nicht nur für die Verpachtung landwirtschaftlicher Grundstücke, sondern auch für die Verpachtung gewerblicher Unternehmen gilt. Die Vorschrift wäre zumindest entsprechend anwendbar, da sich mit dem Begriff der übergabe zum Schätzungswert die Vorstellung der laufenden Substanzerhaltungspflicht des Pächters fest verbindet.
Die vom Stpfl. begehrte Bilanzierung ist nach alledem nicht zulässig. Er hat vielmehr an den verpachteten Maschinen und Einrichtungsgegenständen weiterhin laufende AfA vorzunehmen und seine Ersatzanschaffungsansprüche zu aktivieren. Letztere sind mit dem jeweiligen Teilwert des Bilanzstichtags anzusetzen, der auch die gestiegenen Wiederbeschaffungspreise zu berücksichtigen hat.
Grundsätzlich erfolgt die Bilanzierung beim Verpächter und Pächter unabhängig voneinander. Anders nach dem Urteil des Senats IV 228/64 S jedoch bei Betriebsaufspaltungen, bei denen sich der Verpächter die Bilanzierung des Pächters entgegenhalten lassen muß. Im Streitfall liegt eine Betriebsaufspaltung vor. Zwar war an der aus dem Einzelunternehmen des Stpfl. ausgegliederten GmbH der Stpfl. nicht allein, sondern nur mit 5/6 beteiligt, während das andere Sechstel der Anteile seine Ehefrau hielt. Der Anteilbesitz hat auch am 31. Dezember 1957 gewechselt. An diesem Tage wurden die Anteile an die mit Wirkung vom 1. April 1957 gegründete Y-GmbH veräußert, deren Stammkapital von insgesamt 21 000 DM jedoch wiederum der Stpfl. mit 5/6 = 17 500 DM und seine Ehefrau mit 1/6 = 3 500 DM übernahmen. Der Stpfl. und seine Ehefrau sind beide auch an beiden Gesellschaften zu Geschäftsführern bestellt. Wenn hiernach der Stpfl. auch nur 83 v. H. und das zudem nur mittelbar an der Pächter-GmbH beteiligt ist, so bestehen insbesondere mit Rücksicht darauf, daß die weiteren 17 v. H. sich in den Händen seiner Ehefrau befinden, keine Bedenken dagegen, die der steuerlichen Beurteilung der Betriebsaufspaltung zugrunde liegende wirtschaftliche Einheit der formaljuristisch getrennten Unternehmen auch hier zu bejahen, was dazu führt, daß Verpächter und Pächterin nur einheitlich verfahren dürfen. Das aber führt dazu, die von der Pächterin vorgenommene AfA, die sich wirtschaftlich als Rückstellung für die Substanzerhaltungspflicht gegenüber dem Stpfl. darstellt, bei diesem zu aktivieren, wie es das FA und der Steuerausschuß getan haben.
Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, war sie aufzuheben, und die Klage des Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412167 |
BStBl III 1966, 589 |
BFHE 1966, 625 |
BFHE 86, 625 |
BB 1966, 1178 |
DB 1966, 1672 |