Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Auslegung des Anlagebegriffs in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG
Leitsatz (NV)
1. Der Begriff der Anlage i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht eigenständig und funktionsbezogen auszulegen, so dass Begriffsbestimmungen in anderen Gesetzen nicht herangezogen werden können.
2. Ein Blockheizkraftwerk, das aus mehreren in einem Gebäude installierten Aggregaten zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme sowie mehreren Heizkesseln besteht und das von einem Betreiber zur Versorgung von Letztverbrauchern in einem nahen Wohngebiet betrieben wird, ist als eine Anlage i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG anzusehen.
Normenkette
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Nr. 2; EEG § 3 Abs. 2; KWKG § 3 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in einer Stadt zwei Blockheizkraftwerke (BHKW-X und BHKW-Y). Das BHKW-X besteht aus insgesamt vier technisch identischen Kraft-Wärme-Kopplungs-Modulen (KWK-Module) mit einer Nennleistung von 1,069 Megawatt (MW) bzw. 1,055 MW sowie zwei Heizkesselanlagen zur Erzeugung von Wärme. Das BHKW-Y besteht aus insgesamt drei technisch identischen KWK-Modulen mit einer Nennleistung von jeweils 1,938 MW sowie drei Heizkesselanlagen. Die KWK-Module und die Heizkessel sind an beiden Standorten jeweils in einem Gebäude installiert. Als Energieträger setzt die Klägerin Erdgas ein. Neben jedem BHKW befindet sich eine Gasdruckregelstation, über die das Erdgas aus einer Hochdruckleitung entnommen, auf Mitteldruck entspannt und über eine Hausanschlussleitung in die Gebäude und sodann innerhalb der Gebäude den einzelnen KWK-Modulen zugeführt wird. Die einzelnen Module bestehen aus einem Verbrennungsmotor mit einem angeschlossenen Generator. Die im Motor erzeugte Kraft wird vollständig zum Antrieb des Generators eingesetzt. Die erzeugte Wärme wird über eine selbständige Heizkreispumpe und Rohrleitungen der Fernwärmesammelleitung dem öffentlichen Fernwärmeversorgungsnetz zugeführt. Der in den KWK-Modulen erzeugte Strom wird jeweils über separate Leitungen und Transformatoren in das von der Klägerin unterhaltene Mittelspannungsnetz eingespeist. Jedes der Module verfügt über eine eigene Steuerung, die es ermöglicht, die Aggregate getrennt voneinander zu betreiben. Für jedes KWK-Modul wird über eine separate Messeinrichtung die Erdgaszufuhr, die erzeugte Strommenge sowie die Wärmeabgabe gemessen.
Die Steuerfestsetzungen für die Jahre 2002, 2003 und 2004 wurden aufgrund der Ergebnisse von Außenprüfungen wiederholt geändert. Die Anträge der Klägerin, im Rahmen der Steuerfestsetzungen für die Jahre 2002 und 2003 eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes --in der für die Streitjahre geltenden Fassung (StromStG)-- zu gewähren und die Steuerbeträge entsprechend herabzusetzen, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) mit der Begründung ab, dass eine Steuerbefreiung aufgrund des Überschreitens der Nennleistungsgrenze von 2 MW nicht in Betracht komme. Gegen die ablehnenden Verwaltungsentscheidungen legte die Klägerin Einsprüche ein. Abweichend von der Steueranmeldung der Klägerin setzte das HZA auch für das Jahr 2004 die Stromsteuer ohne Gewährung einer Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG fest. Auf den Einspruch der Klägerin folgte eine Außenprüfung, die zwar zu einer wiederholten Änderung der Steuerfestsetzung, jedoch nicht zur Gewährung der begehrten Steuerbegünstigung führte.
Sowohl die Einsprüche der Klägerin als auch die Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das HZA die Änderung der angefochtenen Steuerbescheide zu Recht abgelehnt habe. Bei den jeweiligen KWK-Modulen der beiden BHKW handele es sich nur um Teile einer Anlage, in der Strom erzeugt werde. Der Begriff der Anlage in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG sei ein Typusbegriff, der aufgrund des Sinns und Zwecks der Regelung eng auszulegen sei. Aufgrund der stromsteuerspezifischen Zweckverfolgung seien Begriffsbestimmungen in anderen Gesetzen nicht einschlägig. Die einzelnen Module jedes BHKW bildeten in ihrer Gesamtheit eine einheitlich zu beurteilende Anlage i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG. Dabei ergebe sich die Annahme einer die Nennleistung von 2 MW übersteigenden Anlage nicht nur aus dem gemeinsamen Betrieb mit jeweils einer gemeinsamen Gaszuleitung und einer gemeinsamen Strom- und Wärmeableitung in dem zu versorgenden Stadtteil, sondern auch aus den gemeinsamen Standorten in einer Halle. Die Anlagen würden zu ein und demselben Zweck betrieben, nämlich die Einwohner einer Stadt mit Strom zu versorgen. Die Anwendung eines engen Anlagebegriffs wirkte der vom Gesetzgeber beabsichtigten Förderung der dezentralen Stromversorgung entgegen. Zudem wäre eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Klägerin gegenüber einem Anbieter, der nur ein Modul betreibe, gleichheitswidrig und nicht zu rechtfertigen. Zwar fehlten in Bezug auf die Streitjahre 2002 und 2003 in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen jegliche Ermessenserwägungen, so dass davon auszugehen sei, dass das HZA irrtümlich eine gebundene Entscheidung angenommen habe, doch führe die Ermessensunterschreitung im Streitfall deshalb nicht zur Aufhebung der Bescheide, weil von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen sei. Das HZA sei folglich zur Abweisung der Anträge der Klägerin verpflichtet gewesen.
Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin für die Jahre 2002, 2003 und 2004 die Gewährung einer Steuerbegünstigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG. Zur Begründung verweist die Klägerin darauf, dass das FG den in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG verwendeten Begriff der Anlage rechtsfehlerhaft ausgelegt habe. Der Umstand, dass das zur Strom- und Wärmeversorgung eingesetzte Energieerzeugnis aus einer Leitung des gleichen Versorgungsnetzes entnommen werde, der Betrieb der Module an einem Standort sowie die Ableitung der erzeugten Kraft und Wärme stellten keine geeigneten Abgrenzungskriterien dar. Offen sei, nach welchen Kriterien sich ein oder mehrere Standorte abgrenzen ließen. Entgegen der Ansicht des FG sei für Wertungsentscheidungen kein Raum. Auch könnten subjektive Vorstellungen des Anlagebetreibers keine Berücksichtigung finden. Ein Grund, die vom Gesetzgeber festgelegte Erzeugungsgrenze als willkürlich oder unverhältnismäßig anzusehen, sei nicht ersichtlich.
Nach dem allgemeinen Verständnis des Anlagebegriffs handele es sich bei den Modulen um getrennte Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen). Folglich sei jede Einheit getrennt zu betrachten. Abzustellen sei auf die technischen Komponenten, die für die Funktion einer Anlage erforderlich seien. Auf ein solches Verständnis des Anlagebegriffs weise die Befreiung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern hin. Nach § 2 Nr. 7 StromStG sei die Befreiung ausgeschlossen für Wasserkraftwerke mit einer installierten Generatorleistung über 10 MW. Im Gegensatz zu einer Anlage handele es sich bei einem Wasserkraftwerk um die Verbindung mehrerer Stromerzeugungseinrichtungen. Daher habe der Gesetzgeber auch auf die installierte Generatorleistung abgestellt. Zur Auslegung des stromsteuerrechtlichen Anlagebegriffs seien die anlagebezogenen Definitionen in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG), in § 3 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) und in § 2 Nr. 5 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes heranzuziehen. Danach seien Anlagen alle zur Stromerzeugung technisch erforderlichen Einrichtungen. Auch sei zu berücksichtigen, dass das EEG und das KWKG im Gegensatz zum StromStG ausdrückliche Regelungen enthielten, nach denen mehrere kleine Anlagen an einem Standort als eine KWK-Anlage gälten. Auf den Streitfall könne die entsprechende Regelung in § 12a der Stromsteuerverordnung noch nicht angewandt werden.
Der vom Gesetzgeber bezweckte Ausbau einer dezentralen und effektiven Stromversorgung stehe der vom FG angestellten Gesamtbetrachtung --unter Berücksichtigung der Wärmeerzeugung und der technischen Abstimmung der einzelnen Komponenten-- entgegen. Schließlich lege die Definition des Eigenerzeugers in § 2 Nr. 2 StromStG entgegen der Auffassung des FG in Bezug auf § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG kein enges Normverständnis nahe.
Die Klägerin beantragt die Änderung des erstinstanzlichen Urteils und unter Aufhebung der angefochtenen Ablehnungsbescheide bzw. Änderung des angefochtenen Steuerbescheids vom 6. Juli 2006 das HZA zu verpflichten, die Stromsteuer für das Kalenderjahr 2002 auf … €, für das Kalenderjahr 2003 auf … € und für das Kalenderjahr 2004 auf … € herabzusetzen.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es ist der Ansicht, dass jede Anlage nach ihrem jeweiligen Gesamtbild beurteilt werden müsse. Zur Beurteilung könnten u.a. die räumlichen Gegebenheiten, die Art der Steuerung, die Auslegung der Anlage oder gemeinsam genutzte Einrichtungen herangezogen werden. Dies ergebe sich aus einer entsprechenden Verwaltungsanweisung vom 5. November 2005 (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- VSF-Nachrichten N 78 2004). Im Streitfall sei zu berücksichtigen, dass die vier bzw. drei KWK-Module des BHKW-X bzw. des BHKW-Y in einem Gebäude untergebracht seien, eine einheitliche Funktion erfüllten, zur Optimierung des Wirkungsgrades aufeinander abgestimmt seien und infolgedessen nur als Bestandteile einer Gesamtanlage angesehen werden könnten. Für die Auslegung des Anlagebegriffs seien Definitionen in anderen rechtlichen Bestimmungen außerhalb des StromStG unmaßgeblich.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das HZA hat die Änderung der angefochtenen Steuerbescheide zu Recht abgelehnt. Die Auslegung des in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG verwendeten Anlagebegriffs durch das FG erweist sich als zutreffend. Die Klägerin betreibt lediglich zwei KWK-Anlagen, nämlich das BHKW-X und das BHKW-Y.
1. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist Strom unter der Voraussetzung von der Steuer befreit, dass er in Anlagen mit einer Nennleistung bis zu 2 MW erzeugt und in räumlichem Zusammenhang zu dieser Anlage entnommen und von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, geleistet wird. Das StromStG setzt den Begriff der Anlage voraus, ohne ihn näher zu definieren. In § 2 StromStG hat der Gesetzgeber nähere Bestimmungen lediglich für die Begriffe Versorger, Eigenerzeuger, Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft sowie für Strom aus erneuerbaren Energieträgern getroffen. Zur näheren Konkretisierung des Anlagebegriffs finden sich im StromStG auch keine ausdrücklichen Bezugnahmen auf außerhalb des Stromsteuerrechts liegende Rechtsvorschriften. Somit bedarf es einer Auslegung des Anlagebegriffs, die sich an dem im Befreiungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willen des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, zu orientieren hat.
a) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird unter einer Anlage eine Gesamtheit technischer Einrichtungen verstanden, die einem bestimmten Zweck dient. Dieser Zweck kann in der Herstellung oder in der Ver- bzw. Bearbeitung von Waren, in der Erzeugung von Energie oder im Transport von Gütern liegen. Diese Auslegung führt indes nicht weiter, wenn es um die konkrete Festlegung der räumlichen Ausdehnung einer Sachgesamtheit technischer Einrichtungen zur Bestimmung der Anlageeigenschaft geht. Denn welche technischen Bestandteile als zur Sachgesamtheit zugehörend zu betrachten sind, so dass sie als eine einzige Anlage anzusehen sind, lässt sich nicht abstrakt ohne Berücksichtigung des mit der Verwendung des Anlagebegriffs verfolgten Zwecks festlegen. Vielmehr erschließt sich die Bedeutung des Anlagebegriffs erst aus dem jeweiligen Kontext, in den er z.B. durch den Gesetzgeber gestellt worden ist.
b) Der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG lässt sich entnehmen, dass die durch das Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform vom 16. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2432) mit Wirkung vom 1. Januar 2000 vorgenommene Anhebung der Erzeugergrenze von ursprünglich 0,7 MW auf 2 MW in Zusammenhang mit der Änderung der Definition des Eigenerzeugers (§ 2 Nr. 2 StromStG) und der Regelung von sog. Contracting-Fällen stand. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Fälle, in denen der Betreiber der Anlage den Strom nicht selbst verbraucht, sondern ihn aufgrund vertraglicher Beziehungen einem Letztverbraucher, bei dem die Anlage installiert wird, zur Verfügung stellt. Der Vertragspartner erspart sich durch diese Konstruktion, bei der der Strom objektbezogen erzeugt und geleistet wird, den Bau von Energieversorgungsanlagen und die damit verbundenen hohen Investitionen. Durch die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG wird erreicht, dass die Steuerbefreiung für Kleinanlagen selbst dann gewährt wird, wenn der Strom vom Anlagebetreiber nicht selbst entnommen und verbraucht, sondern an andere Letztverbraucher geleistet wird. Ohne den Befreiungstatbestand wäre der Betreiber der Energieerzeugungsanlage als Versorger anzusehen, so dass er den erzeugten Strom nach § 5 StromStG versteuern müsste (Senatsurteil vom 20. April 2004 VII R 44/03, BFHE 205, 566). Die steuerliche Förderung der objektbezogenen Stromerzeugung im Rahmen des Contractings soll nach der gesetzgeberischen Zielsetzung zur Dezentralisierung der Stromversorgung beitragen (BTDrucks 14/2044).
Die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG korrespondiert mit § 2 Nr. 2 StromStG. Durch die Beschränkung des Eigenerzeugerbegriffs wird erreicht, dass Betreiber von Kleinanlagen mit einer Nennleistung von bis zu 2 MW keiner Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 StromStG bedürfen und nicht Steuerschuldner werden (§ 5 Abs. 1 Satz 2 StromStG). Die durch § 2 Nr. 2 und § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG bewirkte steuerliche Freistellung von Anlagen mit geringer Stromerzeugung dient insbesondere der Verwaltungsvereinfachung und der Begünstigung der dezentralen Stromerzeugung in Kleinanlagen (Teichner/Alexander/Reiche, Mineralölsteuer und Erdgassteuer, Stromsteuer, Mineralölzoll, § 2 StromStG Rz 3 und § 9 StromStG Rz 6). Bei einer engen Auslegung des Anlagebegriffs, der zu einer isolierten Betrachtung jedes einzelnen stromerzeugenden Moduls führt, würden diese gesetzgeberischen Ziele unterlaufen. Denn stünde es Stromerzeugern zur Erlangung der Steuerbefreiung frei, an einem Standort beliebig viele KWK-Anlagen mit einer jeweiligen Nennleistung von bis zu 2 MW zu errichten und zusammen zu betreiben, könnte dies der vom Gesetzgeber angestrebten Dezentralisierung der Stromversorgung gerade entgegenwirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Anlage mit einer Nennleistung von 2 MW geeignet wäre, den Strombedarf von ca. 2 000 bis 3 000 Haushalten abzudecken (vgl. Siebold/Otto, Der Stromsteuerbefreiungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Stromsteuergesetz, Zeitschrift für Neues Energierecht, 2002, S. 14, 16 Fn. 21). Eine steuerliche Begünstigung mehrerer miteinander verbundener KWK-Anlagen, die zusammen eine Nennleistung von weit mehr als 2 MW aufweisen, ließe sich mit der Zielsetzung des Gesetzgebers nicht vereinbaren, die objektbezogene Stromerzeugung in Kleinanlagen im Rahmen des sog. Contractings zu fördern.
Darüber hinaus sprechen auch fiskalpolitische Gründe gegen eine Ausweitung des als Ausnahmeregelung konzipierten Befreiungstatbestands. Denn neben den mit einigen stromsteuerrechtlichen Bestimmungen verfolgten Regelungszwecken, wie z.B. der steuerlichen Förderung von hocheffizienten KWK-Anlagen oder der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern, dient das StromStG insbesondere der Einnahmenerzielung. Die Verwirklichung dieses gesetzgeberischen Anliegens wäre jedoch durch die extensive Auslegung eines Begünstigungstatbestands gefährdet, die zu einer in ihrem Umfang nicht abzuschätzenden Ausweitung des Steuervorteils und damit zu einer unkalkulierbaren Schmälerung des erwarteten Steueraufkommens führte.
Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ist daher von einem funktionsbezogenen Anlagebegriff auszugehen, der eine isolierte Betrachtung einzelner Module verbietet. Vielmehr ist auf die Gesamtheit der einzelnen technischen Einrichtungen und auf den Funktionszusammenhang abzustellen. Als Kriterien können u.a. die räumliche Anordnung und Unterbringung der Module, die messtechnische Erfassung der eingesetzten Energieträger und des erzeugten Stroms sowie der erzeugten Wärme, die Steuerungsmöglichkeiten oder die Leitungsführung herangezogen werden. Starke, wenn auch nicht allein ausschlaggebende Indizien für das Vorliegen einer Gesamtanlage sind die räumliche Zusammenfassung mehrerer Aggregate an einem Standort, z.B. in einem Gebäude, sowie der Betrieb eines BHKW durch einen Betreiber und die Versorgung eines bestimmten Abnehmerkreises mit Strom und Wärme.
2. Einem solchen Verständnis des Anlagebegriffs steht der Wortlaut des § 2 Nr. 7 StromStG nicht entgegen. Diese Vorschrift nimmt Wasserkraftwerke von der Steuerbefreiung für aus erneuerbaren Energieträgern erzeugten Strom aus, die eine installierte Generatorleistung von über 10 MW aufweisen. Die Regelung trägt den besonderen Verhältnissen bei der Stromerzeugung durch Wasserkraft Rechnung. Da in diesem Bereich ein einzelnes Aggregat bei der Erzeugung großer Strommengen für gewöhnlich nicht eingesetzt wird, hat der Gesetzgeber eine realitätsgerechte Formulierung des speziellen Ausschlusstatbestands gewählt. Für die Auslegung des in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG verwendeten Begriffs der Anlage lässt sich daraus nichts entnehmen.
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Anlagebegriff in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht eigenständig auszulegen, so dass Begriffsbestimmungen in außersteuerrechtlichen Vorschriften zur Deutung des stromsteuerrechtlichen Anlagebegriffs nicht herangezogen werden können. Dies gilt insbesondere für die Anlage-Definitionen in § 3 Abs. 2 des am 1. August 2004 in Kraft getretenen EEG und in § 3 Abs. 3 KWKG. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen der gesetzlichen Regelungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsordnung nur einen einzigen Anlagebegriff kennt. Ziel des EEG ist es, im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen und den Beitrag erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich zu erhöhen (§ 1 EEG). Zweck des KWKG ist es, durch den befristeten Schutz und die Modernisierung von KWK-Anlagen einen Beitrag zur Minderung der jährlichen Kohlendioxid-Emissionen zu leisten (§ 1 Abs. 2 KWKG). Wie bereits ausgeführt, war die Einführung der Stromsteuer in erster Linie fiskalpolitisch motiviert (u.a. sollte die Stromsteuer einen Ausgleich für den Wegfall des sog. Kohlepfennigs schaffen). Demgegenüber können die zugleich verfolgten umweltschutzdienlichen Regelungszwecke nicht als Hauptanliegen des Gesetzgebers angesehen werden. Aus diesen Gründen verbietet sich eine unbesehene Übernahme der Begriffsbestimmungen des EEG und des KWKG auf das StromStG. Dies gilt auch für die Regelungen in § 3 Abs. 2 EEG und § 3 Abs. 3 KWKG, nach denen mehrere Anlagen, die unmittelbar verbunden sind, als eine Anlage gelten. Der Umstand, dass der Gesetzgeber in das StromStG keine derartige Fiktion aufgenommen hat, bedeutet allerdings nicht, dass sich bei der Auslegung des stromsteuerrechtlichen Anlagebegriffs eine im Ergebnis gleiche Wertung verbietet.
4. Unter Berücksichtigung ihres Gesamtbildes und der Funktion stellen sich die von der Klägerin betriebenen BHKW als zwei KWK-Anlagen mit vier bzw. drei KWK-Modulen dar. Für diese Einstufung sprechen die Existenz eines einzigen Betreibers, die räumliche Unterbringung der Module in jeweils einem Gebäude, also an einem Standort, die Zuführung des Erdgases aus einer Hochdruck-Versorgungsleitung sowie die einheitliche Abgabe der erzeugten Kraft und Wärme an Letztverbraucher in einem nahen Wohngebiet. Demgegenüber fällt nicht entscheidend ins Gewicht, dass die Steuerung der Anlagen einen separaten Betrieb jedes einzelnen Moduls ermöglicht. Insgesamt folgt aus der Gesamtbetrachtung, dass für die Ermittlung der Nennleistung des BHKW-X und des BHKW-Y die Leistungen der an den beiden Standorten installierten KWK-Module zusammenzurechnen sind. Für jedes BHKW ergibt sich somit eine Nennleistung von über 2 MW, so dass das HZA eine Begünstigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG und eine Änderung der Steuerfestsetzungen zu Recht versagt hat. Auch die Entscheidung des FG erweist sich als zutreffend, so dass die Revision als unbegründet zurückzuweisen war.
Fundstellen
Haufe-Index 2209774 |
BFH/NV 2009, 1673 |