Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Kunststoffplatten
Leitsatz (NV)
1. Zur Tarifierung von Platten, die zu 70 % aus einem Polymethylmethacrylat und zu 30 % aus Blei bestehen.
2. Die ausschließliche oder hauptsächliche Verwendungseignung von Platten als Zubehör für Röntgengeräte muß im Augenblick der Zollabfertigung der Ware erkennbar sein.
Normenkette
KN Pos. 3926, 9022; KN Kap 90 Anm. 2b
Tatbestand
I. Die Beklagte und Revisionsklägerin (die Oberfinanzdirektion -- OFD --) erteilte der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) am ... 1994 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) für eine klarsichtige, braungetönte, glasähnliche Platte mit abgeschrägten Kanten. Die Ware besteht zu 70% aus einem Polymethylmethacrylat und zu 30% aus Blei. Die OFD wies die Platte der Unterpos. 3926 90 99 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zu (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom ... 1994).
Die Klage, mit der die Einreihung der Ware in die Pos. 9022 KN -- Zubehör für Röntgengeräte -- begehrt wurde, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied unter Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen klageantragsgemäß und führte in der angefochtenen Entscheidung zur Begründung aus, daß das Strahlenschutzglas als Zubehör für Röntgenapparate und -geräte zu tarifieren sei. Zur objektiven Beschaffenheit der Ware gehöre nicht ihre erkennbare Herrichtung als Röntgenzubehör, wie z.B. eine Einfassung in einen Rahmen. Nach der Allgemeinen Vorschrift (AV) 2 gelte jede Anführung einer Ware in einer Position auch für die unvollständige oder unfertige Ware, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware habe. Dies sei im Streitfall gegeben. Das Strahlenschutzglas sei den in den Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS) 9022/3 Rz. 36 aufgeführten Schutzschirmen oder -schilden vergleichbar, die zwischen dem Bedienenden und der Strahlenquelle angebracht werden. Die Pos. 9022 KN enthalte gegenüber den "Kunststoffplatten" bzw. "andere Waren aus Kunststoff" die genauere Warenbezeichnung, so daß die Einreihung nach Kap. 39 aufgrund der AV 3a nicht in Betracht komme. Selbst wenn man dem nicht folgen könne, würde die Ware nach der AV 3b in die Pos. 9022 KN einzureihen sein, da der Bleizusatz zum Kunststoff der Ware den wesentlichen Charakter verleihe. Es verbliebe schließlich auch bei Anwendung der AV 3c bei der Pos. 9022 KN, da diese in der Nomenklatur von mehreren Positionen die zuletzt genannte sei.
Die OFD vertritt in ihrer Revision die Auffassung, daß eine Einreihung der Ware als Zubehör jedenfalls insoweit ausscheide, als das Strahlenschutzglas als Raumtrennwand benutzt werde, da die Platten durch den Einbau Bestandteile der Gebäude würden. Im übrigen dürften Kunststoffplatten nur in einem engen Bezug zu den Röntgenapparaten oder -geräten verwendet werden, um gegebenenfalls als Zubehör anerkannt zu werden. Dies ergebe sich insbesondere aus den Erläuterungen KN Pos. 9022 (HS) Rz. 37.1, die z.B. auf Schürzen und Handschuhe aus Bleigummi sowie auf Schutzbrillen aus Bleiglas hinwiesen. Diese Schutzvorrichtungen seien nicht als Zubehör für die Röntgenapparate, sondern nach Stoffbeschaffenheit in die Pos. 4015 KN bzw. als Brille in die Pos. 9004 KN einzureihen. Eine Erkennbarkeit im Sinne der Anm. 2b zu Kap. 90 KN sei z.B. bei Schutzschirmen und -schilden durch die Verwendung in räumlicher Nähe zum Röntgengerät gegeben, nicht aber bei den Kunststoffplatten.
Die Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 169/1), in der Anforderungen an Medizinprodukte hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz aufgestellt worden seien, könne für Fragen der zolltariflichen Einreihung -- insbesondere für eine Definition des Zubehörbegriffs -- nicht herangezogen werden. Hierfür seien allein die Bestimmungen der internationalen Tarifnomenklatur maßgebend. Auch der Hinweis des FG auf die Strahlenschutzfunktion des Glases durch den Bleizusatz als entscheidendes Beschaffenheitsmerkmal gehe fehl, da der Bleizusatz nicht zu einem Ausschluß aus Kap. 39 führe.
Die Anwendung der AV 3a, wonach die Position mit der genaueren Warenbezeichnung den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vorgehe, scheide aus, da eine Position "Zubehör für Röntgenapparate und -geräte" im Zolltarif nicht vorhanden sei. Handele es sich tatsächlich um Zubehör im Sinne der Anm. 2b zu Kap. 90 KN, existiere keine weitere in Betracht zu ziehende Position, weil Waren des Kap. 90 gemäß Anm. 2q zu Kap. 39 KN bzw. Anm. 1h zu Abschnitt XV KN jeweils von den Stoffkapiteln ausgewiesen würden.
Sofern man -- wie das FG -- die AV 3b für anwendbar halte, was nach dem Subsidiaritätsgrundsatz eigentlich nicht in Betracht komme, scheide auch insoweit eine Einreihung in das Kap. 90 aus. In Betracht käme nur eine Einreihung in das Kap. 78 oder 39 als Waren aus Blei oder Kunststoff, je nachdem, welchen Stoff man für charakterbestimmend halte.
Die OFD beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das Strahlenschutzglas aus Kunststoff finde ausschließlich im Bereich der Röntgenraumtechnik Verwendung. Damit scheide eine Einreihung ins Kunststoffkapitel aus. Das Anwendungsgebiet der Kunsstoffe sei zwar praktisch unbeschränkt, dennoch habe der Verordnungsgeber viele derartige Waren aus dem Kapitel ausgewiesen.
Bereits in den allgemeinen Erläuterungen (Rdnr. 02.0, gemeint ist wohl Rz. 02.0) zu Kap. 90 KN werde darauf hingewiesen, daß hierin eine Reihe sehr verschiedener Instrumente, Apparate und Geräte zusammengefaßt seien, die sich im allgemeinen vor allem durch ihre sorgfältige Fertigung und Präzision auszeichneten und daher besonders im wissenschaftlichen Bereich sowie zu ganz besonderen technischen und industriellen oder medizinischen Zwecken Verwendung fänden.
Auch die Rz. 10.0 der Erläuterungen zu Kap. 90 KN, wo die Röntgengeräte ausdrücklich erwähnt seien, sowie die Rz. 12 stellten eindeutig den Verwendungszweck der Ware in den Vordergrund. Einer Definition des Zubehörbegriffs bedürfe es nicht, da die Kunststoffplatten nach ihrer Beschaffenheit ausschließlich medizinischen Zwecken dienten. Es spiele danach nur noch eine untergeordnete Rolle, daß selbst unvollständige und unfertig hergestellte Produkte wie medizinische Geräte einzustufen seien. Da die Kunststoffplatten in besonderer Weise verwendet würden, sei die Ausweisung ins Kunststoffkapitel nach Rz. 35.0, die auf Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit abstelle, nicht einschlägig.
Außerdem gehörten nach Rz. 29.0 der Erläuterungen KN Pos. 9022 (HS) auch Untersuchungs- und Behandlungstische zum Kap. 90, obwohl diese auf den ersten Blick wenig mit der Röntgentechnologie zu tun hätten. Entscheidend sei nur, daß die Ware ausschließlich oder hauptsächlich zu radiologischen Zwecken verwendet werde. Aus den Erläuterungen lasse sich der Schluß ziehen, daß als Röntgengerät bzw. Zubehör all die Waren zu behandeln seien, die einen unmittelbaren Bezug zum Gerät und der von ihm ausgehenden Strahlung hätten. Nach Rz. 36.0 der Erläuterungen zu Kap. 90 KN gehörten hierzu auch Schutzschirme und Schilde, die zwischen dem Bedienenden und der Strahlenquelle angebracht seien.
Es komme schließlich auch nicht darauf an, ob die Platten durch den Einbau als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes anzusehen seien. Maßgebend sei, daß die Ware ihre Funktion nur in Verbindung mit dem Röntgengerät und nicht etwa mit dem Gebäude ausübe. Architektonisch bestünde kein Grund, eine solche Trennscheibe aus Strahlenschutzglas einzubauen, wenn nicht die Funktion der gesamten Einheit als Röntgenraum im Vordergrund stünde.
Entscheidungsgründe
II. Die als Revision gegen ein Urteil in Zolltarifsachen zulassungsfrei statthafte Revision (§116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) der OFD ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Die von der Klägerin begehrte -- vom FG bestätigte -- Einreihung in die Pos. 9022 KN kommt nicht in Betracht. Die Verwaltungsentscheidungen haben die streitgegenständliche Ware zu Recht der Unterpos. 3926 90 99 KN 1994 zugewiesen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) wie auch des erkennenden Senats (vgl. etwa EuGH-Urteil vom 20. Juni 1996 Rs. C-121/95 -- Vobis --, EuGHE 1996, I-3047, Rz. 13; Senatsurteil vom 15. November 1994 VII R 36/94, BFH/NV 1995, 846) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind. Dazu gibt es auch Erläuterungen, die für die KN von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden und ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. etwa die EuGH-Urteile vom 9. Dezember 1997 Rs. C-143/96 -- Knubben --, EuGHE 1997, I-7039, Rz. 14 und vom 19. Mai 1994 Rs. C-11/93 -- Siemens Nixdorf --, EuGHE 1994, I-1945 Rz. 11 und 12). Auf den Verwendungszweck darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 1993 VII K 16/92, BFHE 172, 244).
Die Pos. 9022 KN erfaßt ihrem Wortlaut nach "Röntgenapparate und -geräte und Apparate und Geräte, die Alpha-, Beta- oder Gammastrahlen verwenden, auch für medizinische, chirurgische, zahnärztliche oder tierärztliche Zwecke, einschließlich Apparate und Geräte für Schirmbildphotographie oder Strahlentherapie, Röntgenröhren und andere Vorrichtungen zum Erzeugen von Röntgenstrahlen, Hochspannungsgeneratoren, Schaltpulte, Durchleuchtungsschirme, Untersuchungs- und Behandlungstische, -sessel und dergleichen, für die vorstehend genannten Apparate und Geräte".
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Kunststoffplatten trotz ihrer Verwendung im Röntgenbereich nach ihrer eigenen Beschaffenheit weder "Röntgenapparate" noch sonstige Vorrichtungen im Sinne der Pos. 9022 KN sind. Eine Einreihung in die Pos. 9022 KN -- hier Unterpos. 9022 90 90 -- käme daher nur dann in Betracht, wenn die Ware Teile- bzw. Zubehörcharakter hinsichtlich der in der Überschrift zu dieser Position genannten Waren hätte.
Nach Anm. 2b zu Kap. 90 KN ist Zubehör für Maschinen, Apparate oder Geräte des Kap. 90 der Position für diese Maschinen, Apparate oder Geräte zuzuweisen, wenn zu erkennen ist, daß es seiner Beschaffenheit nach ausschließlich oder hauptsächlich für bestimmte Maschinen, Apparate oder Geräte der gleichen Position bestimmt ist (vgl. Erläuterungen HS 90/2 Rz. 16 und 9022/3 Rz. 32.0). Bei der insoweit geforderten Verwendungseignung kommt es nicht auf den Verwendungszweck an, den der Zollbeteiligte seiner Ware beimißt oder für den er sie bestimmt hat. Maßgebend ist für die zolltarifliche Einordnung die objektive Beschaffenheit anhand der an der Ware feststellbaren Merkmale und Eigenschaften. Im Augenblick der Zollabfertigung muß die ausschließliche oder hauptsächliche Verwendungseignung der Ware erkennbar sein.
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Kunststoffplatten kein Zubehör für bestimmte Apparate oder Geräte der Pos. 9022 KN.
Sie weisen keinerlei Beschaffenheitsmerkmale auf, die für einen Einsatz als integrierender Bestandteil eines Apparates, Geräts oder eines Zubehörs des Kap. 90 KN kennzeichnend wären. Daß ihre Materialzusammensetzung auf die Verwendung im Röntgenbereich hindeutet, ist nach dem Wortlaut der Position nicht entscheidungserheblich. Gerade die im Streitfall vorgesehene überwiegende Verwendungsmöglichkeit als Trennwand in der Röntgenraumtechnik zeigt, daß sehr wohl zwischen der vorgesehenen Verwendung in einem bestimmten Arbeitsbereich und der von der Nomenklatur im Kap. 90 KN verlangten Teile- oder Zubehöreigenschaft zu unterscheiden ist. Wie das FG für den Senat bindend festgestellt hat (§118 Abs. 2 FGO), weist das Produkt abgeschrägte Kanten auf und besteht zu 70% aus Kunststoff (Polymethylmethacrylat) und zu 30% aus Blei. Nach der Anlage zur erteilten vZTA werden die Kunststoffplatten außerdem in Standardgrößen 1 000x 2 000 mm und 1 200x 2 400 mm sowie in der Maximalgröße 1 800x 2 400 mm eingeführt. Nach der Auffassung des Senats ist einer Ware mit diesen Beschaffenheitsmerkmalen ihre konkrete Bestimmung als Zubehör für ein Röntgengerät nicht anzusehen. Das FG weist zwar zutreffend darauf hin, daß der Bleizusatz, der die bräunliche Färbung des Glases verursacht, für Strahlenschutzgläser typisch ist. Auf diese Zweckbestimmung kommt es jedoch für die Zuweisung zur Pos. 9022 KN nicht an. Entscheidend ist nicht, ob die Ware als Strahlenschutzglas, das der DIN- Norm 6845 entspricht, zu erkennen ist, sondern ob anhand der gegebenen Merkmale und Eigenschaften die Verwendung als Zubehör für ein Röntgengerät festgestellt werden kann.
Es spielt daher auch keine Rolle, daß die Bleigleichwerte bereits in Japan in die Ware eingebrannt werden oder mittels Aufkleber an der Ware abgelesen werden können. Dieser Umstand allein gibt noch keinen Aufschluß über den Zubehörcharakter einer Ware.
Unerheblich für eine Einreihung in die Unterpos. 9022 90 und für die Beurteilung, ob die Ware Zubehör für einen Röntgenapparat sein kann, ist die Definition der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zum Zubehörbegriff bei Medizinprodukten. Die Richtlinie soll eine Verbesserung der gemeinschaftsrechtlichen Standards bei der Anwendung von Medizinprodukten gewährleisten. Zu diesem Zweck war es erforderlich, den Anwendungsbereich der Harmonisierung festzulegen und sowohl den Produkt- als auch den Zubehörbegriff zu definieren. Die Begriffsbestimmung in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie, wonach Zubehör ein Gegenstand ist, der selbst kein (Medizin-)Produkt ist, hat für die zolltarifliche Einreihung von Waren ersichtlich keine Bedeutung. Wie die OFD zutreffend ausgeführt hat, belegt dies unter anderem die Anm. 2a zu Kap. 90 KN, wonach Zubehör, das sich als Ware einer Position des Kap. 84, 85, 90 oder 91 KN darstellt, als eigenständige Ware einzureihen ist. Schon das macht deutlich, daß die Richtlinie für Medizinprodukte für die Zuweisung zur KN nicht einschlägig ist.
Für den Zubehörcharakter der Kunststoffplatten sprechen auch nicht die von der Klägerin für ihre Auffassung angeführten Erläuterungen (9022/3 Rz. 29.0 und 36.0) zum HS. Soweit hierin Schutzschirme oder -schilde, mit Blei überzogen oder aus Bleiglas, die zwischen dem Bedienenden und der Strahlenquelle angebracht werden, zu den Teilen bzw. zum Zubehör für Geräte der Pos. 9022 KN gerechnet werden, setzt dies nämlich voraus, daß diese Waren die für die Verwendung erforderlichen Abmessungen und eine bestimmte Be- oder Verarbeitung, etwa die Fassung in einem Rahmen mit Stand- oder Aufstellvorrichtung, aufweisen. Erst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn also anhand der Beschaffenheit die vorgesehene ausschließliche oder hauptsächliche Bestimmung der Ware als Schutzschirm oder -schild erkennbar ist, weist die Ware einen direkten Bezug zum Röntgenapparat auf und wird im Sinne der KN zum Zubehör. Das gleiche gilt für die in Rz. 29.0 (HS) aufgeführten Untersuchungs- und Behandlungstische. Auch insoweit ist erforderlich, daß die Waren ihrer Beschaffenheit nach hauptsächlich oder ausschließlich zu radiologischen Zwecken bestimmt sind. Diesen Grundsätzen folgend weisen die Erläuterungen bestimmte Waren, denen ein solcher direkter Bezug zum Röntgengerät fehlt, wie Schürzen und Handschuhe aus Bleigummi sowie Schutzbrillen aus Bleiglas, aus der Pos. 9022 KN aus (vgl. 9022/3 Rz. 37.1 HS).
3. Die von der Vorinstanz für zutreffend gehaltene Einreihung als Zubehör für ein Röntgengerät läßt sich auch nicht unter Berücksichtigung der AV rechtfertigen. Die AV 3a-c, die die Verfahrensweise regeln, wenn zwei oder mehr Positionen aus Rechtsgründen für die Einreihung in Betracht kommen, scheiden von vornherein aus, weil neben der Zubehörposition (9022 90) eine weitere in Betracht zu ziehende Position nicht vorhanden ist. Waren des Kap. 90 KN werden nämlich gemäß Anm. 2q zu Kap. 39 KN bzw. 1h zu Abschnitt XV jeweils von den Stoffkapiteln ausgewiesen. Eine Anwendung der AV 3a-c kommt damit nicht in Betracht.
4. Die Kunststoffplatten sind, wie von der OFD festgestellt, "andere Waren aus Kunststoffen und Waren aus anderen Stoffen der Positionen 3901 bis 3914", der Unterpos. 3926 90 99 KN.
Als Ware aus Kunststoff, die durch das Abschrägen der Kanten weitergehend bearbeitet ist als in Anm. 10 zu Kap. 39 KN vorgesehen, sind die Platten der Pos. 3926, und dort als andere Ware, nicht vom Warenkreis der Unterpos. 3926 10 00 bis 3926 40 00 KN erfaßt, der Unterpos. 3926 90 99 KN zuzuweisen. Das zugesetzte Blei beeinflußt die Einreihung nicht (vgl. AV 3b und Erläuterungen KN Kap. 39 [HS] Rz. 57.0--60.0).
Der vom Senat getroffenen Tarifierungsentscheidung entsprechen die Erläuterungen zur KN bei der Zuweisung zur Pos. 7804 bzw. 7806 (Rz. 03.0 bzw. 07.0). Danach sind Platten aus Blei zum Herstellen von Wandungen und Schirmen für Röntgenanlagen sowie zum Bau von Zwischenwänden und Schutzdächern nach stofflicher Beschaffenheit, und zwar als Waren aus Blei, der entsprechenden Position zuzuweisen.
5. Bei der zolltariflichen Rechtsanwendung stellen sich keine Fragen bei der Auslegung des maßgebenden Gemeinschaftsrechts. Der erkennende Senat hält wegen des eindeutigen Wortlauts der maßgeblichen Tarifvorschriften die Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs im vorliegenden Fall für offenkundig. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH kommt mithin nicht in Betracht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).
Da das Urteil des FG nicht dem geltenden Recht entspricht, ist der Revision der OFD stattzugeben.
Fundstellen
Haufe-Index 55499 |
BFH/NV 1999, 234 |
HFR 1999, 210 |