Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Steuerliche Förderungsgesetze Bankrecht Kreditrecht Berufsrecht Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Beurteilung des Rechtsverhältnisses zwischen Ehegatten, die als Gesamtschuldner für eine an dem Grundstücke der Ehefrau gesicherten Geschäftsschuld des Ehemannes haften.
Ist bei der Berechnung des Verzichtes nach § 3 a HypSichG die Aufteilung einer Gesamtgrundschuld unterblieben, so ist nach § 100 Abs. 6 LAG grundsätzlich die unaufgeteilte Abgabeschuld um den Verzichtsbetrag zu mindern, der für die entsprechende Umstellungsgrundschuld gewährt worden ist.
HypSichG § 3a; LAG § 100 Abs. 6, § 109 Abs. 2 Nr. 2; 19.AbgabenDV-LA §§ 2, 11 bis 13, 16 bis 19;
Normenkette
HypSichG § 3a; LAG § 100 Abs. 6, § 109 Abs. 2 Nr. 2; 19-AbgabenDV-LA 2; 19-AbgabenDV-LA 11; 19-AbgabenDV-LA 12; 19-AbgabenDV-LA 13; 19-AbgabenDV-LA 16; 19-AbgabenDV-LA 17; 19-AbgabenDV-LA 18; 19-AbgabenDV-LA 19; BGB § 426
Tatbestand
Im Jahre 1945 kamen die Eheleute W. und die Schwester der Ehefrau bei einem Luftangriff gemeinsam ums Leben. Der Testamentserbe des Ehemannes sowie seine einzige Schwester als gesetzliche Erbin schlugen die Erbschaft aus. Eine zur weiteren Ermittlung gesetzlicher Erben eingesetzte Nachlaßpflegschaft wurde aufgehoben, weil der Bestand des Nachlasses ihre Fortsetzung nicht rechtfertigte. Erbin der Ehefrau ist eine aus sieben Personen bestehende Erbengemeinschaft (Erbengemeinschaft W.). Die Schwester der Ehefrau W. ist von einer Stadt N. beerbt worden.
Die Ehefrau W. und ihre Schwester waren bis zu ihrem gemeinsamen Tode Eigentümer der Grundstücke Plan-Nrn. 151, 151 1/2 und 176. Am 21. Juni 1948 waren an ihre Stelle die Erbengemeinschaft W. und die Stadt N. getreten.
Der Ehemann war Alleininhaber eines gewerblichen Betriebes, besaß jedoch selbst keinen eigenen Grundbesitz. Die Stadtsparkasse eröffnete ihm einen Kontokorrentkredit, für den die Eheleute W. als Gesamtschuldner hafteten. Zur Sicherung des Kredites dienten Grundschulden von insgesamt 30.000 RM, die auf den Grundstücken Plan-Nrn. 151, 151 1/2 und 176 eingetragen wurden. Nach dem gleichzeitigen Tode der Ehegatten wurde der Gewerbebetrieb nicht fortgesetzt, der Kreditverkehr fand damit sein Ende.
Am 20. Juni 1948 war das Grundstück Plan-Nr. 151 mit einer Abgeltungslast für ein Hauszinssteuerdarlehen der Stadtsparkasse in Höhe von 1.224,32 RM belastet. Die Grundschulden von insgesamt 30.000 RM waren auf den Grundstücken Plan-Nrn. 151, 151 1/2 und 176 eingetragen. Zum 20. Juni 1948 betrug die RM-Verbindlichkeit aus dem Kredit 24.715,32 RM.
Von den drei Grundstücken war das Grundstück Plan-Nr. 151 bebaut, während die beiden anderen unbebaut waren. Das bebaute Grundstück erlitt während des Krieges einen erheblichen Kriegsschaden. Der für dieses Grundstück auf den 1. Januar 1940 festgestellte Einheitswert in Höhe von 11.500 RM wurde auf den 21. Juni 1948 auf 5.000 DM fortgeschrieben. Die Schadensquote beträgt somit 56,52 v. H. Die Einheitswerte der beiden anderen unbebauten Grundstücke blieben gegenüber dem Einheitswerte von 1935 unverändert.
Im Jahre 1951 reichte der Vertreter der Erbengemeinschaft wegen des Kriegsschadens einen Verzichtsantrag gemäß § 3a des Hypothekensicherungsgesetzes (HypSichG) für die Gesamtgrundschuld ein. Das Finanzamt setzte für die Umstellungsgrundschuld, ohne bei der Aufteilung die Abgeltungslast einzubeziehen, einen Verzichtsbetrag von 13.194 DM fest. Hätte es die Schadensquote nur auf die aufgeteilte Umstellungsgrundschuld an dem bebauten Grundstück Plan-Nr. 151 bezogen, so hätte sich unter Einbeziehung der Abgeltungslast ein Verzichtsbetrag von 3.745,10 DM ergeben. Das Finanzamt hat nachträglich den Verzichtsbetrag herabgesetzt. In dem dagegen eingeleiteten Rechtsmittelverfahren wurde der berichtigte Bescheid vom Finanzgericht aufgehoben und der ursprüngliche Bescheid wiederhergestellt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Am 22. Dezember 1952 setzten sich die Erbengemeinschaft und die Stadt N. auseinander. In Vollzug des Auseinandersetzungsvertrages gingen die Grundstücke an verschiedene Erwerber.
Da die HGA-Veranlagung um diese Zeit noch nicht durchgeführt war, die Auseinandersetzung aber von der Tilgung der HGA-Schulden abhing, wurde die Abgeltungslast und das Gesamtgrundpfandrecht aus den Grundschulden abgelöst und dabei von den Beteiligten der volle nach § 3a HypSichG gewährte Verzichtsbetrag angerechnet.
Das Finanzamt erkannte die Richtigkeit der Berechnung der Ablösungsbeträge nicht an, setzte den Ablösungsbetrag für die Abgeltungslast herab und wandelte die Ablösung des Gesamtgrundpfandrechtes in eine Teilablösung um.
Die Sprungberufung hatte Erfolg und führte zu einer Freistellung der Abgabepflichtigen.
Das Finanzgericht führte dazu folgendes aus: Die Eheleute W. seien Gesamtschuldner des ursprünglichen Kontokorrentkredites gewesen. Da der Ehemann W. kein Eigentum an den Pfandgrundstücken gehabt habe, seien die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 der Neunzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (19. AbgabenDV- LA) gegeben. Es spreche eine starke Vermutung dafür, daß der Ehemann W. im Innenverhältnis Alleinschuldner des Kredites gewesen sei. Der gewerbliche Betrieb habe in seinem Alleineigentum gestanden; der Kredit sei nur für diesen Betrieb gewährt worden. Aus den güterrechtlichen Vorschriften des BGB könnte aber kein Hinweis für eine etwaige gesetzliche Verteilung im Innenverhältnis gewonnen werden. Da auch sonst für eine abweichende Regelung zwischen den Ehegatten keinerlei Anhaltspunkte hätten ermittelt werden können, gelte somit die Ausgleichungsregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die RM-Verbindlichkeit hat das Finanzgericht nach § 38 der 19.AbgabenDV-LA auf alle drei Grundstücke verhältnismäßig verteilt und dementsprechend die entsprechenden Schuldnergewinne aufgeteilt.
Nach Abzug des anteiligen Verzichtsbetrages für die aus dem Hauszinssteuerdarlehen herrührende Umstellungsgrundschuld hat das Finanzgericht den restlichen Betrag auf die drei einzelnen Grundstücke ebenfalls aufgeteilt, entsprechend angerechnet, und zwar auch auf die Abgabenschulden, die nach der Aufteilung auf die nicht von Kriegsschäden betroffenen Grundstücke entfielen.
Mit seiner Rb. beantragt der Vorsteher des Finanzamts (Bf.), den Verzichtsbetrag nur bei dem Schuldnergewinne abzusetzen, der auf das Grundstück Plan-Nr. 151 entfällt. Der Bf. begründet seinen Antrag damit, die 19.AbgabenDV-LA enthalte keine Bestimmung darüber, wie ein garantierter Verzichtsbetrag bei Gesamtgrundpfandrechten zu verrechnen sei. Weder § 11 noch § 16 der 19.AbgabenDV-LA würden darüber Auskunft geben. Um zu einer zutreffenden Lösung zu kommen, sei davon auszugehen, daß eine Minderung und dementsprechend auch ein garantierter Verzichtsbetrag immer nur von einer Abgabeschuld abgesetzt werden können, die auf einem von einem Kriegsschaden betroffenen Grundstücke laste. Dies müsse auch bei einem Gesamtgrundpfandrecht gelten, das sich auf mehrere Grundstücke des Schuldners erstrecke, von denen nur bei einem Grundstücke die Voraussetzungen des § 100 LAG vorliegen.
Bei der verteilten Abgabeschuld könne nur derjenige Teilbetrag gemindert werden, der auf dem vom Kriegsschaden betroffenen Grundstücke laste. Auf die anderen zum Pfandverband gehörenden Grundstücke ohne Kriegsschaden könne kein garantierter Verzichtsbetrag entfallen. Komme der garantierte Verzichtsbetrag bei dem kriegsbeschädigten Grundstücke nicht voll zur Auswirkung, so rechtfertige das nicht, ihn auf die Teilabgabeschulden der nicht beschädigten Grundstücke zu verteilen. Auch schon unter der Herrschaft des HypSichG hätte ein Verzicht nur für eine Umstellungsgrundschuld, die auf einem Grundstücke mit Kriegsschaden entstanden sei, ausgesprochen werden dürfen. Somit dürfe das Motiv des § 100 Abs. 6 LAG - Schutz der Hypothekengläubiger und der Nachfolger im Eigentum - nicht dazu führen, eine Minderung entgegen der gesetzlichen Regelung auch für Abgabeschulden zu gewähren, die auf von Kriegsschäden nicht betroffenen Grundstücken lasten.
Selbst wenn dem Verfahren des Finanzgerichts, den garantierten Verzichtsbetrag auf die drei Teilabgabeschulden zu verteilen, zu folgen wäre, könnten diese nicht bis auf 0 DM gemindert werden. Das Finanzgericht habe auf Grund des § 2 der 19.AbgabenDV-LA den Schuldnergewinn nur aus der Hälfte der Verbindlichkeit zur HGA herangezogen. Es habe aber den ganzen Verzichtsbetrag als Garantie behandelt. Es dürfte nicht anzunehmen sein, daß diese doppelte Vergünstigung zu gewähren sei. Wenn nur die Hälfte des Schuldnergewinnes für die HGA erfaßt werde, während im Verzichtsverfahren der volle Schuldnergewinn der Umstellungsgrundschuld angesetzt worden sei, entfalle auch nur der halbe garantierte Verzichtsbetrag auf die entsprechenden Abgabeschulden
Entscheidungsgründe
Der Rb. ist der Erfolg zu versagen.
Es kann zweifelhaft sein, ob hinsichtlich der Gesamtgrundschulden von insgesamt 30.000 RM nicht schon auf Grund des § 2 der 19.AbgabenDV-LA eine Freistellung von der HGA zu erfolgen hatte. Das Finanzgericht ist der Auffassung, eine starke Vermutung spräche dafür, daß der Ehemann W. im Innenverhältnis Alleinschuldner des Kontokorrentkredits gewesen sei, da der Kredit ausschließlich dem gewerblichen Betriebe gedient habe, und der Ehemann Alleininhaber und Eigentümer des Betriebes gewesen sei. Dafür, daß es trotzdem den Verteilungsmaßstab nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB angewandt hat, beruft sich das Finanzgericht darauf, es liege weder eine güterrechtliche noch eine sonstige abweichende Vereinbarung vor. Aus einer Aktennotiz ist zu entnehmen, daß die Nachfrage bei der Registratur des Nachlaßgerichtes keine Besonderheiten im Güterstande der Eheleute W. aus dem Testament des Ehemannes, in dem er seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt hat, ersichtlich seien. Aus dieser Notiz ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob auch aus dem Güterrechtsregister selbst nichts Näheres zu entnehmen gewesen ist. Bei Fehlen einer Eintragung im Güterrechtsregister hätte das Finanzgericht unterstellen können, daß die Eheleute W., die seit 1923 verheiratet waren, im Güterstande der Verwaltung und Nutznießung des Ehemannes gelebt haben. Hinzu kommt, daß eine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch stillschweigend getroffen werden kann oder sich eine solche aus dem Inhalte und Zwecke des Rechtsverhältnisses ergeben kann (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 61 S. 60). Es ist unwahrscheinlich, daß eine Ehefrau, die für die Geschäftsschulden des Ehemannes Sicherheit gegeben und die Gesamtschuldnerschaft übernommen hat, im Innenverhältnis gegenüber ihrem Ehemanne die Geschäftsschuld, die sie persönlich nichts angeht, aus ihrem Privatvermögen tilgen will. Das Finanzgericht hätte demnach unter Beachtung dieser Gesichtspunkte zu dem Ergebnis kommen können, daß im Innenverhältnis der Ehemann Alleinverpflichteter aus der RM- Verbindlichkeit war.
Der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein selbständiger Anspruch und als eventueller schon mit dem Bestehen des Gesamtschuldverhältnisses gegeben (RGZ Bd. 160 S. 151; Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - Bd. 11 S. 174). Fällt demnach der Ausgleichspflichtige durch Tod aus und können die Erben nicht festgestellt werden, so muß der Ausfall von den übrigen Gesamtschuldnern verhältnismäßig getragen werden, der Ausgleichsanspruch gegenüber den unbekannten Erben geht aber dadurch nicht unter, sondern bleibt selbständig und verjährt in 30 Jahren (RGZ Bd. 69 S. 426 ff., Bd. 84 S. 421). Daneben aber hat der Ausgleichsberechtigte, soweit sein Regreßrecht reicht, auch die auf ihn übergegangene Forderung, mithin einen zweiten, denselben Zweck verfolgenden, also konkurrierenden Anspruch, der im übrigen, z. B. bezüglich der Verzinsung, Verjährung usw., seine alte Natur bewahrt.
Ob dem Finanzgericht bei seiner ihm obliegenden Tatsachenwürdigung ein Rechtsirrtum unterlaufen ist, ohne den es bereits auf Grund des § 2 der 19.AbgabenDV-LA zu einer vollständigen Befreiung der Bgin. von der HGA gekommen wäre, kann auf sich beruhen bleiben, da eine Freistellung jedenfalls mit Rücksicht auf § 100 Abs. 6 LAG zu erfolgen hat.
Der Grundgedanke des § 100 Abs. 6 LAG ist insbesondere der, denjenigen vor überraschungen zu schützen, der im Vertrauen auf einen Verzicht nach § 3a HypSichG in der Zeit zwischen der Währungsreform und dem Inkrafttreten des LAG das Eigentum an dem Grundstück erworben oder ein hypothekarisch gesichertes Darlehen gegeben hat. Es sollte vermieden werden, daß seine Rechtsposition durch nachträgliche gesetzgeberische Maßnahmen im LAG verschlechtert werde. Der Gedanke des Vertrauensschutzes in § 100 Abs. 6 LAG ist nicht vereinzelt, er findet sich u. a. in den §§ 113 Abs. 4 und 118 LAG. Durch § 113 Abs. 4 LAG werden Vorrechte gegenüber Abgabeschulden geschützt, die erst nach dem Inkrafttreten des LAG entstanden sind, und durch § 118 LAG erhält derjenige einen Vertrauensschutz, der ein Grundstück bei einer Veräußerung vor dem Inkrafttreten des LAG frei von einer der öffentlichen Last entsprechenden Umstellungsgrundschuld erworben hat. Es handelt sich in allen diesen Fällen um keine Ermessensvorschrift, sondern um zwingendes Recht.
Nach § 3a Abs. 1 und 3 HypSichG mußte auf eine Umstellungsgrundschuld auf Antrag ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ein Grundstück von Kriegssachschaden betroffen worden ist. Der Verzicht auf die Umstellungsgrundschuld wurde in Höhe des Betrages ausgesprochen, der sich aus dem Verhältnis des Sachschadens zu dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes vor dem Schadensfalle errechnete. In den Sonderfällen einer Gesamthypothek wurde im Zusammenhang mit dem zu verrechnenden Verzicht die Frage von Bedeutung, wie verfahren werden soll, wenn nur auf einem der Grundstücke ein Kriegssachschaden entstanden war.
Um zu einer zutreffenden Beurteilung der Bedeutung des Verzichtes nach § 3a HypSichG zu kommen, ist von dem privatrechtlichen Charakter der Umstellungsgrundschuld auszugehen. Wenn auch die Umstellungsgrundschulden der öffentlichen Hand zugewiesen worden sind, wurden sie nicht, wie zunächst geplant war, als öffentliche Last ausgestaltet, sondern behielten ihren privatrechtlichen Charakter. Die Umstellungsgrundschulden sind demnach solche des bürgerlichen Rechtes (BGHZ Bd. 6 S. 70 (72)). Bei Auslegungsfragen sind demnach die Vorschriften des BGB heranzuziehen.
Besteht nach § 1132 BGB für die Forderung eine Hypothek an mehreren Grundstücken (Gesamthypothek), so haftet jedes Grundstück für die Forderung. Der Gläubiger kann die Befriedigung nach seinem Belieben aus jedem der Grundstücke ganz oder zu einem Teile suchen. Der Gläubiger ist berechtigt, den Betrag der Forderung auf die einzelnen Grundstücke in der Weise zu verteilen, daß jedes Grundstück nur für den zugeteilten Betrag haftet. Nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen kann demnach bei einer Gesamthypothek der Gläubiger nach seinem Belieben, die Befriedigung für seine Gesamtforderung nur aus einem der haftenden Grundstücke suchen, er kann aber auch eine Verteilung der Forderung auf die einzelnen Grundstücke vornehmen. Ob er den einen oder anderen Weg beschreiten will, ist materiellrechtlich seinem Ermessen überlassen. Solange der Gläubiger von seinem Rechte auf Verteilung nicht Gebrauch macht, bleibt es bei der Regel, daß jedes Grundstück für die ganze Forderung haftet.
Das HypSichG hat, soweit es den Gläubiger betrifft, eine von der bürgerlich-rechtlichen Regelung abweichende Bestimmung nicht getroffen. Lediglich in § 12 der (1.) Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich (1. HypSichDV) ist abweichend von der Regelung des BGB jedem an der Gesamtbelastung beteiligten Eigentümer das Recht gegeben worden, zu verlangen, daß die Grundschuld an seinem Grundstücke auf den Teilbetrag, der dem Verhältnis des Wertes seines Grundstückes zum Werte der sämtlichen Grundstücke entspricht, nach § 1132 Abs. 2 BGB beschränkt werde.
Die Frage der Behandlung der Fälle der Gesamthypothek wurde in den Referentenbesprechungen zur Durchführung des HypSichG seinerzeit mehrfach erörtert. In der Besprechung vom 5. und 6. Dezember 1949 in Koblenz kamen die Referenten zu dem Ergebnis, weil das HypSichG im Falle der Gesamthypothek eine rechnerische Zerlegung der entstehenden Gesamtumstellungsgrundschuld über den Rahmen des § 12 letzter Satz der 1. HypSichDV nicht vorsehe, müsse bis auf weiteres das Verzichtsverfahren für den ganzen Haftungsverband einheitlich durchgeführt werden. Nur in Fällen, in denen ein Teil der haftenden Grundstücke außerhalb des Bundesgebietes liege und für den Eigentümer keine Leistung erbringe, sollte eine Ausnahme gelten (vgl. Textziff. 9 und 67 a der Niederschrift, abgedruckt bei Harmening, Kommentar zum Lastenausgleich, C 210 b).
In der Besprechung vom 14. und 15. Juni 1950 in Neuß stellten sich die Referenten auf den Standpunkt, daß das Verteilungsrecht des Gläubigers nach §§ 1132 Abs. 2 und 1192 Abs. 2 BGB bei Gesamthypotheken hinsichtlich der nach solchen Grundpfandrechten entstandenen Umstellungsgrundschulden auf den Gläubiger der Umstellungsgrundschuld übergegangen sei. Die die Umstellungsgrundschuld verwaltende Stelle habe daher, wenn dies geboten erscheine, und wenn kein beteiligter Grundeigentümer dem widerspreche, die Gesamtumstellungsgrundschuld auf die haftenden Grundstücke im Verhältnis des letzten Einheitswertes dieser Grundstücke vor Eintritt eines Kriegsschadens zu verteilen. Der Wert solle unter Abzug der Belastungen berechnet werden, die der Grundschuld im Range vorgehen (vgl. Textziff. 28 der Niederschrift, abgedruckt bei Harmening, a. a. O., C 210 d).
Auf der Referentenbesprechung am 13. März 1951 in Stuttgart äußerten sich die Referenten dahin, daß die Rechtsnatur des Verzichtsbescheides aus dem Gesetz nicht eindeutig zu entnehmen sei. Grundsätzlich müsse, da der Verzicht der formellen Rechtskraft nicht fähig sei, daran festgehalten werden, daß ein irrtümlich zustande gekommener Verzichtsbescheid von der erlassenden Behörde nachträglich berichtigt werden könne. Jedoch könne den Verfügungen, welche von Dritten oder vom Schuldner im Vertrauen auf die Richtigkeit des Bescheides getroffen seien, der Schutz nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht versagt werden (vgl. Textziff. 14 der Niederschrift, abgedruckt bei Harmening, a. a. O., C 210 f).
Nach dem Ergebnis dieser Besprechung stand das Recht auf Verteilung, nach anfänglichen Zweifeln, ob ein solches überhaupt bestehe, unter Berufung auf § 1132 BGB dem Gläubiger der Umstellungsgrundschuld zu. Die Ableitung des Verteilungsrechtes aus § 1132 BGB hatte zur Folge, daß die Ausübung dieses Rechtes in gleicher Weise im freien Ermessen des Gläubigers der Umstellungsgrundschuld stand wie in dem des Gläubigers des Stammrechtes. Es sollte davon nur in zwingenden Fällen Gebrauch gemacht und eine Verteilung nur dann vorgenommen werden, wenn kein beteiligter Grundstückseigentümer ihr widersprach. Daraus folgt weiter, daß in grundsätzlicher Hinsicht ein nach § 3a HypSichG ausgesprochener Verzicht ohne vorherige Verteilung der Umstellungsgrundschuld eine zulässige Ausübung des Ermessens darstellt. War in solchen Fällen das Grundstück nach der Verzichtsentscheidung von einem Dritten erworben worden, kann diesem, wie die Referenten dies schon zum Ausdruck gebracht haben, der Vertrauensschutz nicht versagt werden. Unterläßt der Gläubiger einer Gesamtumstellungsgrundschuld eine Verteilung, so haftet nach wie vor jedes Grundstück für die ganze Forderung. Dies gilt auch für das von Kriegsschaden betroffene Grundstück. Soll ein Verzicht nach § 3a HypSichG ausgesprochen werden, so kann dies nur für die Umstellungsgrundschuld ausgesprochen werden, die auf dem von dem Kriegsschaden betroffenen Grundstück lastet. Da nach § 1132 Abs. 1 BGB dieses Grundstück für die ganze Forderung haftet, muß auch der Verzicht nach § 3a HypSichG auf die unaufgeteilte Gesamtumstellungsgrundschuld bezogen werden. Daß der Gläubiger der Umstellungsgrundschuld vor Durchführung des Verzichtsverfahrens berechtigt gewesen wäre, eine Verteilung der Umstellungsgrundschuld auf die einzelnen Grundstücke vorzunehmen, ist unerheblich.
Die Höhe des Verzichtsbetrages nach § 3a HypSichG und die Frage der Aufteilung der Umstellungsgrundschuld hängen danach eng zusammen. Es ist nicht möglich, wenn Rechtsfolgen an den nach § 3a HypSichG ausgesprochenen Verzicht geknüpft werden, den Betrag von der Frage der Aufteilung zu trennen. Wenn demnach der Gesetzgeber des LAG in § 100 Abs. 6 eine Verzichtsgarantie ausgesprochen hat, dann muß, um der Garantie zu ihrer Vollwirkung im Sinne des Gesetzgebers zu verhelfen, auch die Frage, ob der Verzichtsbetrag mit oder ohne Verteilung zustande gekommen ist, eine entscheidende Rolle spielen.
Das Finanzgericht hat angenommen, daß sich die Verzichtsgarantie zwangsläufig auch auf die aufgeteilten Abgabeschulden an den Grundstücken auswirke, die von keinem Kriegsschaden betroffen wurden. Wenn der Bf. dagegen einwendet, daß eine Kriegsschadensermäßigung für Abgabeschulden an solchen Grundstücken auch über die Mindestermäßigung nach § 100 Abs. 6 LAG mit dem Sinne der übrigen Regelung in § 100 LAG sich nicht vereinbaren ließe, so ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Minderung der Abgabeschuld nach § 100 Abs. 1 Satz 1 LAG nur an einer Abgabeschuld vorgenommen werden kann, die auf einem von einem Kriegsschaden betroffenen Grundstücke ruht. Dementsprechend kann sich auch die Minderung der Abgabeschuld im Sinne des § 100 Abs. 6 LAG grundsätzlich nur auf eine auf einem von einem Kriegsschaden betroffenen Grundstücke lastende Abgabeschuld beziehen, wenn außerdem nach § 3a HypSichG auf Umstellungsgrundschulden an dem gleichen von Kriegsschaden betroffenen Grundstück verzichtet worden ist. Der "entsprechenden Umstellungsgrundschuld" im Sinne des § 100 Abs. 6 LAG, die keine Aufteilung erfahren hat, steht die unaufgeteilte Abgabeschuld gegenüber. Die Vorschrift des § 109 Abs. 2 Nr. 2 LAG zwingt in einem solchen Falle zu keiner Aufteilung. Danach werden in den Fällen, in denen die öffentliche Last als Gesamtbelastung auf mehreren Grundstücken ruht, die Abgabeschulden aufgeteilt, wenn die Aufteilung zur Durchführung der Berechnung einer Minderung geboten ist. Um die Minderung nach § 100 Abs. 6 LAG zu erhalten, bedarf es aber keiner Berechnung. Die Aufteilung zur Durchführung der Berechnung der Minderung ist nur dann zunächst als Vergleichsberechnung geboten, wenn festgestellt werden muß, ob die nach Durchführung der Aufteilung errechnete Minderung nach § 100 Abs. 1 bis 5 LAG in Verbindung mit den §§ 11 bis 13, 16 bis 19 der 19.AbgabenDV-LA höher ist als der Verzichtsbetrag aus der unaufgeteilten Umstellungsgrundschuld, oder wenn schon bei der Verzichtsentscheidung nach § 3a HypSichG die Gesamtumstellungsgrundschuld aufgeteilt worden ist. Führt die Vorschrift des § 109 LAG zu keiner die Verzichtsgarantie nach § 100 Abs. 6 LAG einengenden Begrenzung, so kann sie aus den zur Durchführung der §§ 100 und 109 LAG ergangenen Vorschriften der 19.AbgabenDV-LA ebenfalls nicht hergeleitet werden. Die in Betracht kommenden Vorschriften der 19.AbgabenDV-LA können daher nicht dazu verwendet werden, um mit ihrer Hilfe die Garantie der Mindestermäßigung nach § 100 Abs. 6 LAG rückgängig zu machen. Damit dem Willen des Gesetzgebers, dem Abgabeschuldner den Verzichtsbetrag nach § 3a HypSichG zu gewährleisten, Rechnung getragen wird, kann und muß deshalb in den Fällen, in denen bei der Entscheidung nach § 3a HypSichG ein Gesamtgrundpfandrecht nicht aufgeteilt worden ist, insoweit auch bei der HGA grundsätzlich von einer Aufteilung abgesehen werden. Das Finanzgericht hätte deswegen keine Aufteilung der Abgabeschuld vornehmen dürfen und den garantierten Verzichtsbetrag unmittelbar auf die unaufgeteilte Abgabeschuld anwenden müssen.
Dem Einwand des Bf., der Verzichtsbetrag dürfe nur zur Hälfte angesetzt werden, weil das Finanzgericht die Abgabeschuld nur zur Hälfte berechnet habe, kann nicht gefolgt werden, da er im LAG keine Stütze findet. Mit Recht hat die Bgin. darauf hingewiesen, daß der Wortlaut des § 100 Abs. 6 LAG eindeutig nur auf den Verzichtsbetrag abgestellt ist. In welcher Höhe die Abgabeschuld nach den sonstigen Vorschriften zu berechnen ist, hat auf den Verzichtsbetrag und seine Berechnung nach § 100 Abs. 6 LAG keinen Einfluß.
Wird der Auffassung des Finanzgerichts gefolgt, daß nur die Hälfte der RM-Verbindlichkeit zu einer Abgabeschuld führt, so ist die Abgabeschuld 0 DM. Im Ergebnis ist daher der Entscheidung des Finanzgerichts beizutreten, jedoch aus anderen Gründen.
Fundstellen
Haufe-Index 410924 |
BStBl III 1963, 538 |
BFHE 1964, 596 |
BFHE 77, 596 |