Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die im Urteil des Obersten Gerichtshof IV 87/49 vom 28. Februar 1950 (Deutsche Steuerzeitung, Eildienst 1950 Nr. 13 S. 149) ausgesprochenen Grundsätze über die Ermittlung des Teilwertes von Fertigwaren für die RM-Schlußbilanz vom 20. Juni 1948 gelten auch für Bestände des Umlaufvermögens vom 20. Juni 1948, die nach dem Währungsstichtag verarbeitet und veräußert werden.
Normenkette
EStG § 6 Ziff. 1 S. 3, § 6/2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Steuerpflichtige (Stpfl.) den Ansatz für Rohgummibestände in ihrer dem Finanzamt eingereichten Bilanz zum 20. Juni 1948 nachträglich ändern kann. (Der ursprüngliche Bilanzansatz beträgt 43 186,93 RM. Die Stpfl. strebt den Ansatz von 22 577,95 RM an). Der Anschaffungspreis der Rohgummibestände liegt je nach Qualität zwischen 2,32 RM und 2,81 RM je Kilogramm. Beantragt wird die Berichtigung der Bewertung auf 1,45 RM je Kilogramm.
Die Stpfl. ist der Auffassung, daß es sich um die Berichtigung unzulässiger Bilanzwerte handle, zu der eine Zustimmung des Finanzamts nach § 4 Absatz 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht erforderlich ist. Sie begründet dies damit, daß die Rohgummiplatten sogenannte Ladenhüter seien, die wegen der änderung der Marktlage durch die Währungsreform infolge ihrer Mangelhaftigkeit und ihres Aussehens nicht mehr zur Herstellung von hochwertigem Radiergummi hätten verwertet werden können. Bei der Ermittlung des Teilwertes der Rohgummibestände dürfe nicht unbeachtet bleiben, daß nach § 18 Absatz 1 Ziffer 4 des Umstellungsgesetzes (UmStG) die am 19. Juni 1948, dem letzten Wochentag vor dem Schlußbilanzstichtag, eingegangenen Verbindlichkeiten im Verhältnis 1:1 umgestellt werden müßten. Es sei unmöglich gewesen, diese ungängigen Bestände noch in der RM-Zeit am 19. oder 20. Juni 1948 zu veräußern, da sich kein Käufer gefunden hätte, der diese Waren auf Kredit hätte erwerben wollen. Da die Bestände nach dem 20. Juni 1948 verarbeitet worden seien, habe sie diese Waren nach Verarbeitung zu einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 3,14 DM je Kilogramm in der Hauptsache an Großhändler verkaufen müssen. Der begehrte Ansatz mit 1,45 RM je Kilogramm sei der niedrigste Einkaufspreis für Plattenware, der hätte ermittelt werden können.
Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, daß die Bestände an Rohgummiplatten nach dem handelsrechtlichen Niederstwertprinzip zu bewerten seien. Für diese Gegenstände des Betriebsvermögens bestehe noch die Besonderheit, daß der Ansatz mit den Anschaffungskosten solange beibehalten werden könne, als der erzielbare Verkaufspreis abzüglich der Verkaufsspesen nicht unter den Anschaffungskosten liege. Die Stpfl. habe somit an ihren letzten Buchwerten solange festhalten dürfen, als sie bei vorsichtiger Berücksichtigung aller Umstände damit rechnen konnte, bei einer späteren Veräußerung die angesetzten Werte zuzüglich der Verkaufsspesen zu erlösen (Bezugnahme auf die Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 1329/29 vom 25. Februar 1931, Slg. Bd. 28 S. 229, Reichssteuerblatt - RStBl - 1931 S. 318; I 42/39 vom 10. Oktober 1939, RStBl. 1940 S. 577). Die Stpfl. könne sich bei der Schätzung des Teilwertes zum Stichtag nicht auf die durch die Währungsumstellung hervorgerufenen Verhältnisse berufen. Maßgebend seien die Verhältnisse, die sich im ersten Halbjahr 1948 im allgemeinen Handelsverkehr der Reichsmarkzeit herausgebildet hätten. Die Währungsumstellung könne dabei nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich auf die Entwicklung der Preise der Reichsmarkzeit ausgewirkt hätte. Der von der Pflichtigen (Pfl.) ihren Berechnungen zugrunde gelegte Erlös von 3,14 DM je Kilogramm sei der durch die Preisverhältnisse nach der Währungsumstellung beeinflußte Kaufpreis, der ausscheiden müsse. Der von der Stpfl. angegebene Preis von 1,45 RM je Kilogramm müsse als Schätzungsgrundlage unbeachtet bleiben, da es sich um Geschäftsvorfälle aus dem Jahre 1945 handle. Ebensowenig dürfe ein am 2. August 1948 der Stpfl. gemachtes Angebot zum Preise von 1,46 DM oder 1,48 DM je Kilogramm berücksichtigt werden. Da der ursprüngliche Bilanzansatz sowohl den handelsrechtlichen wie den steuerlichen Vorschriften entspreche, müsse der Antrag auf änderung der Bilanz abgelehnt werden.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird beanstandet, daß das Finanzgericht nicht auf die Bedeutung des § 18 Absatz 1 Ziffer 4 UmstG eingegangen sei. Der Wert vom 18. Juni 1948, mit dem die RM-Periode geschäftlich abgeschlossen habe sei nicht der Wert vom 20. Juni 1948. Der Stpfl. könne der Ansatz des niedrigen Wertes nicht versagt werden, den ein Erwerber der Waren am 19. oder 20. Juni 1948 bei einem Kreditkauf unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 18 Absatz 1 Ziffer 4 UmstG angelegt hätte.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Zur Frage des Ansatzes des Teilwerts in der RM-Schlußbilanz vom 20. Juni 1948 hat der Oberste Finanzgerichtshof im dem Urteil IV 87/49 vom 28. Februar 1950 (Deutsche Steuerzeitung, Eildienst - DStZ ED - 1950 Nr. 13 S. 149, Steuerrechtskartei - StRK - , EStG § 4 Rechtspr. 10) Stellung genommen. Danach ist der Teilwert zum 20. Juni 1948 auf der Grundlage der Preise zu ermitteln , wie sie sich im allgemeinen Handelsverkehr der Reichsmarkzeit herausgebildet haben; dabei ist der Währungsumstellung Rechnung zu tragen, soweit sie im Preisspiegel der Reichsmarkzeit ihren Ausdruck gefunden hat.
Der Rechtsgedanke des Urteils, daß die Bewertung der Reichsmarkzeit und der DM-Zeit unabhängig voneinander vorzunehmen ist, weil sich die Entwicklung der Preise auf zwei völlig verschiedenen Wertebenen abspielt, wird aufrecht erhalten (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs IV 243/50 U vom 9. März 1951, Bundessteuerblatt - BStBl - III S. 122). Die veränderte Marktlage läßt es nicht zu, die Ansätze der DM-Bilanz auf die RM-Schlußbilanz zurückzuübertragen. Der Rechtsgedanke der Verschiedenheit der Wertebenen der Reichsmarkzeit und der DM-Zeit hat im D-Markbilanzgesetz §§ 73, 74 seinen gesetzgeberischen Ausdruck gefunden. Danach ist wohl die Bilanzidentität (gegenständliche Gleichheit der Wirtschaftsgüter) aufrechterhalten, der Wertzusammenhang zwischen der RM-Schlußbilanz und der DM-Eröffnungsbilanz aber durchbrochen. Es darf also grundsätzlich nicht von der DM-Zeit rückschauend bewertet werden.
Die Stpfl. hält die Grundsätze der Rechtsprechung, insbesondere des Urteile IV 243/50 U, über die Ansetzung der RM-Anschaffungspreise in der RM-Schlußbilanz nur für anwendbar auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und für Anschaffungen zu überhöhten Preisen, ihre Anwendbarkeit auf die Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens für zweifelhaft, für unzulässig aber bei der Bewertung von Gegenständen des Vorratsvermögens, die in der Reichsmarkzeit zu Marktpreisen erworben, am Bilanzstichtag noch nicht verarbeitet und noch nicht abgesetzt waren, weil sich der Preisspiegel für die vor der Währungsumstellung vorhandenen Qualitäten in der DM-Zeit wesentlich gesenkt habe, oder weil es möglich sei, daß die zu verarbeitenden Gegenstände in den letzten Tagen vor der Währungsreform auf Kredit erworben und die Verbindlichkeiten nach § 18 Absatz 1 Ziffer 4 UmstG im Verhältnis von 1:1 hätten umgestellt werden müssen.
Diese Auffassung widerspricht dem Grundsatz der Trennung der beiden Wertebenen der Reichsmarkzeit und der DM-Zeit, an dem festgehalten werden muß, wenn nicht der Boden für eine gleichmäßige Besteuerung verloren gehen soll. Daher kann der Ansatz des Teilwertes, wie in dem Urteil IV 243/50 U eingehend dargelegt ist, nur unter Zugrundelegung der gleichen Marktlage zutreffend vorgenommen werden; es würde zu einer ungleichmäßigen Besteuerung führen, wollte man das Herabgehen auf den Teilwert von verschiedenen Wertebenen aus beurteilen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise gebietet, Anschaffungen, die auf der von der Pfl. benutzten Marktlage, also der Reichsmarkzeit, stattgefunden haben, auch bezüglich ihres weiteren Schicksals an den in die Reichsmarkzeit fallenden Bilanzstichtagen nach dieser Marktlage, d. h. nach den Verhältnissen der Reichsmarkzeit, zu beurteilen. Die nach dem Bilanzstichtag liegende Tatsache der Währungsreform selbst - und dazu gehört auch das Umstellungsgesetz - und die Entwicklung der Verhältnisse nach dem Bilanzstichtage, insbesondere die Bedingungen der DM-Märkte dürfen demnach nicht berücksichtigt werden. Diese aus dem Teilwertbegriff entwickelten Grundsätze müssen bei der Bewertung aller Wirtschaftsgüter in der RM-Schlußbilanz angewendet werden, für deren Ansatz der Teilwert maßgebend ist. Denn der Teilwertbegriff ist grundsätzlich kein verschiedener, je nachdem, ob es sich um Gegenstände des Anlage- oder des Umlaufsvermögens handelt, oder ob die Gegenstände erst verarbeitet und verkauft werden müssen, oder ob diese Gegenstände auf Kredit oder gegen bar verkauft zu werden pflegen. Die Berücksichtigung dieser Umstände, insbesondere die Entwicklung der Wertverhältnisse in der DM-Zeit oder der Bestimmungen des Umstellungsgesetzes, wie sie die Stpfl. verlangt, würde DM-Werte mit RM-Werten vermischen, also ungleiche Dinge miteinander vergleichen und an entscheidender Stelle die Grenzen zwischen der DM-Zeit und der Reichsmarkzeit verschieben. Es kann also bei der Bewertung der streitigen Gegenstände nur die Entwicklung der RM-Preise für die gekaufte Rohware und für das Fertigprodukt sowie der Kosten in RM für die Verarbeitung und den Vertrieb der Ware zugrunde gelegt werden.
Das Finanzgericht befindet sich also in voller übereinstimmung mit den Rechtsgrundsätzen über die Abgrenzung der beiden Wertebenen der DM-Zeit und der Reichsmarkzeit, wenn es bei der Prüfung der Frage, ob die Anschaffungskosten in RM, mit denen die Beschwerdeführerin (Bfin.) die zu verarbeitenden und noch zu veräußernden Gegenstände des Umlaufsvermögens zum 20. Juni 1948 angesetzt hat, noch durch den erzielbaren Verkaufspreis abzüglich der Kosten gedeckt werden und daher in der RM-Schlußbilanz angesetzt werden dürfen, nur von den in der Reichsmarkzeit erzielten und erzielbaren Verkaufspreisen und von den in der Reichsmarkzeit aufgewendeten oder aufzuwendenden Verkaufsspesen, Anschaffungs-, Fertigungs- und Verwaltungskosten ausgegangen ist. Ebenso, wenn es die Verwertung des in der DM-Zeit erzielten Verkaufspreises von 3,14 DM je Kilogramm oder des in der DM-Zeit erreichbaren Einkaufspreises für die Rohware von 1,46 DM oder 1,48 DM je Kilogramm abgelehnt hat. Der von der Stpfl. angegebene Preis von 1,45 RM je Kilogramm ist vom Finanzgericht mit Recht als Schätzungsgrundlage unbeachtet gelassen, weil die angegebenen Geschäftsvorfälle dem Jahre 1945 entnommen sind. Die Stpfl. macht nicht geltend, daß die tatsächlichen Anschaffungspreise der Rohgummiplatten, die am 20. Juni 1948 noch vorhanden waren, unter dem vom Finanzgericht zugrunde gelegten durchschnittlichen Einkaufspreis in RM liegen.
Die Berücksichtigung der Vorschrift des § 18 Absatz 1 Ziffer 4 UmstG, wonach alle am 19. und 20. Juni 1948 eingegangenen RM-Verbindlichkeiten im Verhältnis von 1:1 umzustellen sind, scheidet aus, weil das Umstellungsgesetz ein Teil der Währungsreform ist, deren Berücksichtigung in der RM-Bilanz den oben dargelegten Rechtsgrundsätzen zuwiderläuft. Die Tatsache der Währungsreform oder der Umstellung kann demnach nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich auf die RM-Preise in der Reichsmarkzeit ausgewirkt hat. Die Stpfl. kann nicht behaupten, daß in der Reichsmarkzeit die von dem Finanzgericht der Ermittlung des Teilwertes zugrundegelegten Verkaufserlöse nicht erzielt worden sind. Die Vorschrift des § 18 Absatz 1 Ziffer 4 UmstG vermag das Verlangen der Stpfl. auf Herabsetzung des Teilwertes noch aus einem weiteren Grunde nicht zu rechtfertigen. Das Umstellungsgesetz ist in der britischen Zone als Gesetz Nr. 63, Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz), im Amtsblatt der Militärregierung Deutschland - britisches Kontrollgebiet - Nr. 25 S. 862 ff verkündet. In der Inhaltsangabe auf S. 825 wird es als Gesetz vom 27. Juni 1948 bezeichnet. Nach § 35 a. a. O. ist es am 27. Juni 1948 in Kraft getreten. Da das Gesetz also erst mehrere Tage nach dem 20. Juni verkündet und bekannt geworden ist, hat es die Entschließungen eines Käufers für das Fertigprodukt oder für die Rohware sowie eines Kaufinteressenten für den gesamten Betrieb in der Reichsmarkzeit nicht mehr beeinflussen können. Das Gesetz gehört also nicht zu den Umständen, die auf die Marktlage in der Reichsmarkzeit eingewirkt haben. Es ist eine nach dem Währungsstichtag eingetretene Tatsache, und gehört nicht zu den Umständen, die bereits am Bilanzstichtag gegeben waren, deren Kenntnis von der Stpfl. erst nach dem Bilanzstichtag gewonnen worden ist.
Mit Recht hat daher das Finanzgericht ausgeführt, daß der umstrittene Ansatz der Anschaffungspreise in RM in der eingereichten RM-Bilanz im Einklang mit den handels- und steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften steht, und ohne Rechtsverstoß den Antrag auf änderung der Bilanz abgelehnt.
Der Streitwert ist auf 25 v. H. des streitigen einheitlichen Gewinns von 20 609 RM = 5 152 RM festgesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 407294 |
BStBl III 1951, 224 |
BFHE 1952, 551 |
BFHE 55, 551 |
DB 1952, 135 |