Leitsatz (amtlich)

Der Sonderfreibetrag des § 50 Abs. 3 Satz 1 EStG 1975 ist im Falle der Mindestbesteuerung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1975 nicht abzuziehen.

 

Normenkette

EStG 1975 § 50 Abs. 3 Sätze 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnt in der Republik Zaire. Er erzielte im Streitjahr 1975 aus einem in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) gelegenen Grundstück Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von... DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) wandte bei der Veranlagung den Mindeststeuersatz von 25 v. H. (§ 49 Abs. 1 Nr. 6, § 50 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) an, ohne jedoch vor Anwendung dieses Steuersatzes den Sonderfreibetrag von 840 DM gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 EStG abzuziehen. Die nach eriolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger begehrte, auch bei der Mindestbesteuerung den Sonderfreibetrag von 840 DM zu berücksichtigen, hatte Erfolg.

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) wendet sich das FA mit der Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Es führt aus, wenn nunmehr in § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1975 bestimmt werde, daß die Mindeststeuer 25 v. H. des "zu versteuernden Einkommens" - statt bisher "des Einkommens" - betrage, sei keine materiell-rechtliche Änderung in der Hinsicht eingetreten, daß bei der Mindestbesteuerung entgegen der früheren Rechtslage der Sonderfreibetrag vom Einkommen abgezogen werden müsse.

 

Entscheidungsgründe

Die vom FG zugelassene Revision ist begründet.

Die Auffassung des FG, auch bei der Mindestbesteuerung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1975 sei der in Abs. 3 Satz 1 erwähnte Sonderfreibetrag vom Einkommen abzuziehen, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. In § 50 Abs. 3 EStG 1975 ist geregelt, wie die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen, die veranlagt werden, zu bemessen ist. Nach Satz 1 ist § 32 a Abs. 1 anzuwenden; dabei ist ein Sonderfreibetrag von 840 DM vom Einkommen abzuziehen. Satz 2 schreibt vor, daß die Steuer mindestens 25 v. H. des zu versteuernden Einkommens beträgt.

Ist die Steuer nach dem Tarif festzusetzen, ist - wie sich aus dem in Bezug genommenen § 32 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1975 ergibt - das zu versteuernde Einkommen zugrunde zu legen. In dem ebenfalls zu den Tarifvorschriften gehörenden § 32 EStG 1975 wird in Abs. 1 der Begriff des zu versteuernden Einkommens näher erläutert: Es ist das um die in den Absätzen 2 und 3 in Betracht kommenden Sonderfreibeträge und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Beträge verminderte Einkommen. Das verminderte Einkommen ist die Bemessungsgrundlage für die Anwendung des Einkommensteuertarifs auch bei beschränkt Steuerpflichtigen.

Das Gesetz bestimmt nach dem Hinweis auf die Anwendung des Einkommensteuertarifs in § 50 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG 1975 weiter, daß "dabei" ein Sonderfreibetrag von 840 DM abzuziehen ist. Diese Vorschrift steht, wie das verwendete Wort "dabei" besagt, in einem logischen Zusammenhang mit dem ersten Halbsatz des Satzes 1. Sie ist in der Weise aufzufassen, daß erst, nachdem die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abgeschlossen ist und als nächste Stufe der Veranlagung die Anwendung des Tarifs in Betracht kommt, der Sonderfreibetrag abzuziehen ist.

Bei der Mindestbesteuerung ist der Sonderfreibetrag von 840 DM nicht zu berücksichtigen. Der die Mindestbesteuerung behandelnde Satz 2 des § 50 Abs. 3 EStG 1975 sagt nichts über den Abzug eines Freibetrags wie bei der Besteuerung nach der Einkommensteuertabelle. Er steht schon rein äußerlich in keiner Verbindung mit der Anordnung in Satz 1, der vorschreibt, wie bei der Besteuerung nach dem Tarif zu verfahren ist. Die Mindestbesteuerung steht vielmehr selbständig als eine besondere Art der Besteuerung neben der Besteuerung nach dem Tarif des § 32 a Abs. 1 EStG. Hätte der Gesetzgeber auch den Abzug des Sonderfreibetrags bei der Mindestbesteuerung gewollt, hätte er den § 50 Abs. 3 EStG 1975 anders gefaßt. Naheliegend wäre eine Fassung gewesen, aus der sich - etwa durch Einfügung eines selbständigen Satzes - ergibt, daß der Sonderfreibetrag sowohl bei der Besteuerung nach der Tabelle als auch bei der Mindestbesteuerung zu berücksichtigen ist.

2. In einem Teil des Schrifttums (Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 50 EStG 1975, Erläuterung zu Abs. 3; Lademann/Lenski/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 50 Anm. 7; Merkel, Deutsches Steuerrecht 1977 S. 330 - DStR 1977, 330 -) wird die Auffassung vertreten, die Berücksichtigung des Sonderfreibetrags von 840 DM auch bei der Mindestbesteuerung ergebe sich aus der gesetzlichen Definition des Begriffs "zu versteuerndes Einkommen" in § 2 Abs. 5 EStG 1975; dieses sei nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1975 die Bemessungsgrundlage für die Anwendung des Mindeststeuersatzes. Dem kann nicht gefolgt werden.

a) In § 2 Abs. 5 EStG 1975 wird im ersten Halbsatz das zu versteuernde Einkommen in Übereinstimmung mit der Definition in der Tarifvorschrift des § 32 Abs. 1 EStG dahin bestimmt, daß darunter das Einkommen zu verstehen ist, das sich nach Minderung um die Sonderfreibeträge i. S. des § 32 Abs. 2 und 3 EStG und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Beträge ergibt. Im zweiten Halbsatz des § 2 Abs. 5 EStG 1975 ist aber weiterhin gesagt, daß das zu versteuernde Einkommen die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer bildet. Es wird damit Bezug genommen auf die in § 32 a EStG enthaltenen Tarifbestimmungen, und es wird offengelassen, von welcher Grundlage auszugehen ist, wenn das Gesetz für die Besteuerung eine Sonderberechnung vorschreibt.

b) Zweifel hinsichtlich der zutreffenden Auslegung der Vorschriften über die Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger werden durch die Entstehungsgeschichte des § 50 Abs. 3 EStG 1975 behoben. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt - wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schon in dem Urteil vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52 (BVerfGE 1, 299) ausgeführt hat - für deren Auslegung insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die im Wege der Auslegung allein nicht ausgeräumt werden können.

Eine dem § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1975 entsprechende Begrenzung der Einkommensteuer auf einen Mindestsatz ist erstmals durch Art. I Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 1. Februar 1938 (RGBl I, 99, RStBl 1938, 97) eingeführt worden (damals auf 10 v. H.). Der Grund dafür war, daß nach der bisherigen Fassung des § 50 Abs. 3 EStG 1934 die Steuer für beschränkt Steuerpflichtige, die nach dem Satz für Verheiratete ohne Kinder zu bemessen war, weniger als 10 v. H. der Einkünfte betragen konnte. Dieser unbefriedigende Zustand sollte beseitigt werden (amtliche Begründung, RStBl 1938, 99 [102]). Die Erhöhung des Satzes auf mindestens 25 v. H. der Einkünfte (Besteuerung aber weiterhin nach Steuerklasse II) ist durch Gesetz Nr. 64 (Anhang) der Militärregierung Deutschland - Neufassung des § 50 EStG - angeordnet worden. Durch Art. 1 Nr. 37 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGBl I, 473, BStBl I, 412) erhielt § 50 Abs. 3 EStG die bis zum Veranlagungszeitraum 1974 geltende Fassung. Es war von nun an die Einkommensteuertabelle (Grundtabelle) des § 32 a Abs. 1 EStG maßgebend. Da durch diese Regelung das für die Zusammenveranlagung von Eheleuten neu eingeführte Splitting für beschränkt Steuerpflichtige ausgeschlossen war, führte der Gesetzgeber als Ausgleich einen Sonderfreibetrag ein (vgl. Bundesrats-Drucksache 41/58, Begründung zu Art. I Ziff. 32 unter b). Für beschränkt Steuerpflichtige, die veranlagt wurden, galt aber weiterhin ein Mindeststeuersatz von 25 v. H., der, statt bisher nach den zu veranlagenden Einkünften, nach dem Einkommen zu bemessen war. Durch die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Februar 1960 VI 53/59 U (BFHE 70, 527, BStBl III 1960, 197) und vom 5. Juli 1967 I 153/64 (BFHE 89, 341, BStBl III 1967, 654) ist für den Rechtszustand bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1974 klargestellt worden, daß der Sonderfreibetrag nur zu gewähren ist, wenn die Einkommensteuer nach der Tabelle des § 32 a Abs. 1 EStG festgesetzt wird, jedoch nicht im Falle der Mindestbesteuerung. Das ist daraus geschlossen worden, daß die Fassung des Gesetzes den Abzug des Freibetrags nur bei der Besteuerung nach der Tabelle des § 32 a Abs. 1 EStG zuläßt.

Gegen den Sonderfreibetrag des § 50 Abs. 3 Satz 1 EStG ist eingewandt worden, daß er die beschränkt Steuerpflichtigen mit höherem Einkommen, die nicht mehr unter die Mindestbesteuerung von 25 v. H. gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG fallen, begünstige; er entspreche nicht dem Wesen der beschränkten Steuerpflicht und solle fallengelassen werden (Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht - Bericht der Einkommensteuerkommission -, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, S. 325). Im Entwurf der Bundesregierung eines Dritten Steuerreformgesetzes vom 8. Januar 1971 (Bundestags-Drucksache 7/1470) war in den Vorschriften über die beschränkte Steuerpflicht der Sonderfreibetrag von 840 DM nicht mehr vorgesehen (vgl. § 112 des Entwurfs). Dieser Vorschlag ist aber nicht Gesetz geworden. In dem Einkommensteuer-Reformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I, 1769, BStBl I, 530) ist § 50 Abs. 3 Satz 1 EStG, der die Anwendung der Einkommensteuertabelle und den "dabei" zu berücksichtigenden Sonderfreibetrag von 840 DM vorschreibt, unverändert geblieben. Eine Änderung hat Abs. 3 Satz 2 - die Vorschrift über die Mindestbesteuerung - nur insofern erfahren, als der Mindeststeuersatz 25 v. H. "des zu versteuernden Einkommens" statt bisher (bis einschließlich 1974) "des Einkommens" beträgt. Im Gesetzgebungsverfahren ist nicht daran gedacht worden, auch bei der Mindeststeuer nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG einen Sonderfreibetrag einzuführen. Der Sonderfreibetrag sollte wie bisher nur abgezogen werden können, wenn eine Besteuerung nach der Tabelle des § 32 a Abs. 1 EStG in Betracht kommt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73015

BStBl II 1979, 181

BFHE 1979, 440

BFHE 1979, 444

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