Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Beihilfen (Zuschüsse) zu Studienkosten sind in der Regel keine Renten im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§§ 9 Ziff. 1, 10 Absatz 1 Ziffer 1 EStG 1950).
Normenkette
EStG § 9 Ziff. 1, § 9/1/1, § 10/1/1
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Beihilfe zu Studienkosten als Rente im Sinne von § 10 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 anzusehen ist.
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat sich zunächst formlos, sodann durch notariellen Vertrag vom 24. Juni 1949 verpflichtet, seinem Neffen eine Studienbeihilfe von monatlich 50 DM für die Zeit vom 1. Juli 1948 bis voraussichtlich Ende 1950 zu zahlen.
Die Vorinstanzen haben den Antrag auf Erhöhung der Sonderausgaben wegen dieses Betrages abgelehnt, da die Zuwendung nicht unter den Begriff der Rente im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§§ 9 Ziff. 1, 10 Abs. 1 Ziff. 1) falle. Eine solche liege nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nur vor, wenn es sich um rechtlich bindende Leistungen auf längere Sicht handele. Bei auf verhältnismäßig kurze Zeit beschränkten Studienzuschüssen könne weder nach dem Sprachgebrauch noch nach der Fassung des Gesetzes von einer Rente gesprochen werden. Aus der Zusammenstellung von "Renten und dauernden Lasten" im Gesetz müsse entnommen werden, daß auch Renten im Sinne des Einkommensteuergesetzes nur anzunehmen seien, wenn auf Grund einer einheitlichen Verpflichtung (Rentenstammrecht) Leistungen von einer gewissen Dauer gesichert würden (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 646/20 vom 28. Mai 1929, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1929 S. 453; VI A 929/30 vom 20. Mai 1931, Steuer und Wirtschaft - StW - 1931 Nr. 789).
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) bekämpft die Rechtsauffassung des Finanzgerichts. Nach dem Gesetz seien auch Zeitrenten zum Abzuge zugelassen. Es sei zwar richtig, daß auch Zeitrenten eine gewisse Dauer haben müßten; das sei aber bei der Gewährung einer Studienbeihilfe, die sich auf die Jahre des Studium und der Ausbildung erstrecke, der Fall. Nach der Verkehrsauffassung liege eine gewisse Dauer vor; es bedeute eine vom Gesetze nicht gewollte Einengung des Begriffes "Rente", wenn die Abzugsfähigkeit nur bei Zahlungen von verhältnismäßig langer Dauer gewährt würde.
Entscheidungsgründe
Der Rb. muß der Erfolg versagt bleiben.
An einer Begriffsbestimmung der Rente fehlt es in den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere auch in den Steuergesetzen. Abgesehen von den sonstigen, hier nicht in Betracht kommenden Voraussetzungen, ist für den Begriff der Rente die Dauer der Zahlungen wesentlich. Die Frage, welche Dauer für die Annahme einer Rente erforderlich ist, muß nach dem Sprachgebrauch und der Verkehrsauffassung beurteilt werden; das gilt nicht nur für das Steuerrecht, auch nach dem bürgerlichen Recht kommt der Verkehrsauffassung maßgebliche Bedeutung zu (Entscheidung des Reichsgerichts vom 8. Oktober 1917, Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 91 S. 6 ff.). Eine feststehende und für alle Fälle geltende Fristbestimmung ist nicht möglich. Der Streitfall bietet keinen Anlaß, abschließend zu entscheiden, welcher Zeitraum bei einer Studienbeihilfe für das Vorliegen einer Rente notwendig ist; insbesondere braucht nicht dazu Stellung genommen zu werden, ob, wie in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1950 in Abschnitt 126 unterstellt wird, zehn Jahre, oder, vom Reichsfinanzhof im Urteil VI A 420/31 vom 19. August 1931 (RStBl 1931 S. 910) ausgesprochen ist, zwölf Jahre genügen.
Es handelt sich nach dem notariellen Vertrag um eine Zeit vom Juli 1948 bis Ende 1950. Die während dieses verhältnismäßig kurzen Zeitraumes von zwei bis drei Jahren vorgenommenen Zahlungen reichen sowohl nach dem Sprachgebrauche wie nach der Verkehrsauffassung nicht aus, um den Begriff der Rente zu erfüllen. Es handelt sich um Zahlungen für einen bestimmten vorübergehenden Zweck. Diese Auslegung ergibt sich auch aus der Fassung des Einkommensteuergesetzes. Zwar sind die Begriffe der "dauernden Last" und der "Rente" nicht identisch, wohl aber einander ähnlich (siehe Vorläufige Vollzugsanweisung zum Einkommensteuergesetz 1925 S. 101 Anm. 6 zu § 15). Deshalb hat der Reichsfinanzhof, wie das Finanzgericht mit Recht hervorhebt, aus der Zusammenstellung von "Renten und dauernden Lasten" im Gesetze entnommen, daß auch Renten ihrer Natur nach nur gegeben sind, wenn Leistungen auf längere Sicht gewährt werden (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 129/23 vom 18. April 1923, RStBl 1923 S. 278; VI e A 26/23 vom 24. Oktober 1923, StW 1923 Nr. 961, Kartei, EStG § 13 Absatz 1 Nr. 2 Rechtsspr. 3; VI A 646/29 vom 28. Mai 1929, RStBl 1929 S. 453, Kartei, EStG 1925 § 56 Rechtsspr. 43; VI 1124/30 vom 23. Juli 1930, StW 1930 Nr. 1188; VI A 929/30 vom 20. Mai 1931, StW 1931 Nr. 789). Auch im Schrifttum ist es unbestritten, daß sich die für die Zeit des Studiums übernommenen Leistungen wegen ihrer zeitlich eng begrenzten Dauer und ihres vorübergehenden Zweckes nicht unter den Begriff der Rente bringen lassen (öftering, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 3. Aufl. Bem. 13 zu § 20 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDVO - S. 39; A - B - C, Führer durch die Lohnsteuer, 3. Aufl. S. 224 a). Wollte man der Auffassung des Bf. folgen, dann müßten bereits alle über einmalige Zahlungen hinausgehende Zuwendungen als Rente bezeichnet werden. Wenn in der Rb. ausgeführt wird, auch bei Kosten für das Studium und für die Ausbildung sei nach der Verkehrsauffassung eine gewisse - soll wohl heißen: längere - Dauer gegeben, so ist das eine Erweiterung des vorliegenden Tatbestandes. Es sind hier nur die Zuwendungen für das Studium für die Zeit vom Juli 1948 bis Ende 1950 streitig; eine Verpflichtung zur Zahlung der weiteren Ausbildung hat der Bf. nach dem vorgetragenen Sachverhalt und dem Akteninhalt nicht übernommen.
Mangels Vorliegens einer Rente haben daher die Vorinstanzen ohne Verstoß gegen das bestehende Recht die Erhöhung des lohnsteuerfreien Betrages (Erhöhung der Sonderausgaben) wegen der Studienzuschüsse von monatlich 50 DM abgelehnt.
Fundstellen
Haufe-Index 407346 |
BStBl III 1952, 48 |
BFHE 1953, 115 |
BFHE 56, 115 |