Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Festsetzung von Sonderausgaben-Höchstbeträgen in verschiedener Höhe für den Ehemann und die Ehefrau bei zusammen lebenden Ehegatten im § 10 Abs. 2 Ziff. 3 a EStG 1953 widerspricht weder dem Art. 3 noch Art. 6 GG.
Normenkette
EStG § 10/2/3/a; GG Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Ziff. 3 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953, die den Höchstbetrag für Sonderausgaben für die Ehefrau auf 400 DM begrenzt, rechtswirksam ist.
Der verheiratete Beschwerdeführer (Bf.), der an einem Gewerbebetrieb zur Hälfte beteiligt ist, begehrte, den Sonderausgabenhöchstbetrag des § 10 Abs. 2 Ziff. 3 a EStG 1953 für seine Ehefrau ab 1. April 1953 in derselben Höhe wie für ihn berücksichtigt zu erhalten. Es sei mit dem Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), nach dem Männer und Frauen gleichberechtigt sind, nicht vereinbar, den Höchstbetrag für die Ehefrau auf 400 DM zu begrenzen, während für den Ehemann 800 DM zugebilligt würden. Gemäß Art. 117 GG seien ab 1. April 1953 die dem Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehenden Rechtsvorschriften außer Kraft. Finanzamt und Finanzgericht lehnten das Begehren des Bf. ab.
Entscheidungsgründe
Auch die Rechtsbeschwerde kann insoweit keinen Erfolg haben.
Bei den im § 10 EStG aufgeführten Sonderausgaben handelt es sich um Ausgaben, die, im Gegensatz zu den Aufwendungen nach § 9 EStG - Werbungskosten - und § 4 Abs. 4 EStG - Betriebsausgaben - nicht der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen dienen oder durch den Betrieb veranlaßt sind. Vielmehr stellen die im § 10 EStG erschöpfend aufgezählten Ausgaben begrifflich Verwendungen des Einkommens dar, die vorwiegend aus sozialen Gründen zum Abzug zugelassen sind. Es war dem gesetzgeberischen Ermessen anheimgestellt, die Voraussetzungen für die steuerliche Behandlung festzusetzen, insbesondere Höchstbegrenzungen einzuführen.
Der Senat tritt der Auffassung des Finanzgerichts bei, daß die vom Gesetzgeber festgelegten Höchstbeträge für Ehegatten nicht willkürlich sind. Wie das Finanzgericht festgestellt hat, sind die Tarife für Versicherungen, wenn beide Ehegatten gleichzeitig sich versichern lassen, niedriger, als wenn zwei Einzelpersonen unabhängig voneinander Versicherungen abschließen. Die gesetzliche Regelung benachteiligt die Ehegatten nicht einseitig, sondern stellt durchweg eine Begünstigung dar. Denn auch wenn einer der beiden Ehegatten keine Einkünfte hat, oder Versicherungen nicht abgeschlossen hat, erhöht sich für den anderen Ehegatten der ihm zustehende Höchstbetrag. Der Gesetzgeber ist durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht gehindert, an den Tatbestand der Ehe rechtliche Folgerungen zu knüpfen, die dem Wesen der Ehe nicht widersprechen. (Vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs I 231/56 S vom 3. Dezember 1957, Bundessteuerblatt - BStBl - 1958 III S. 27.) Der in der Begründung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 herausgestellte Gesichtspunkt, daß das Einkommensteuerrecht vom Grundsatz der Individualbesteuerung beherrscht werde, kann, wie der Senat bereits in der Entscheidung VI 9/56 S vom 24. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 77) ausgeführt hat, nicht dazu führen, daß der Gesetzgeber Ehegatten steuerlich in jeder Hinsicht wie voneinander unabhängige fremde Einzelpersonen behandeln muß. Der Senat ist demnach der Auffassung, daß die Festsetzung der für den Ehemann und die Ehefrau verschiedenen Höchstbeträge im § 10 EStG 1953 bei zusammen lebenden Ehegatten weder dem Art. 3 noch Art. 6 GG widerspricht.
In der Streitfrage ist somit den Vorinstanzen beizutreten. Gleichwohl ist die angefochtene Entscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 9. August 1955 aufzuheben und die Sache an das Finanzamt zurückzuverweisen. Der Bf. ist verheiratet und nach § 26 EStG 1953 mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt. Die Vorschrift des § 26 EStG 1953 ist durch das Gesetz vom 26. Juli 1957 beseitigt, das in dem neuen § 26 EStG grundsätzlich getrennte Veranlagung von Ehegatten vorsieht. Gemäß § 26 Abs. 2 Ziff. 3 EStG 1957 ist diese Vorschrift auf den gegebenen Fall anzuwenden, weil die vor dem 1. Juli 1957 erfolgte Veranlagung am 30. Juni 1957 noch nicht rechtskräftig war. Das Finanzamt wird deshalb unter Anwendung der neuen Vorschriften erneut zu befinden haben (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 33/56 U vom 31. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 433).
Fundstellen
Haufe-Index 408991 |
BStBl III 1958, 107 |
BFHE 1958, 276 |
BFHE 66, 276 |