Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Betriebsprüfung Bankrecht Kreditrecht Berufsrecht Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Mit Forderungen aus einer der ausländischen Konversionsausgaben 1953 der Young-Anleihe kann gegen Steuerforderungen des Bundes und der Länder nicht aufgerechnet werden.

AO § 124; Gesetz betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden

 

Normenkette

AO § 124; BGB § 387

 

Tatbestand

Streitig ist, ob mit Forderungen aus Zinsscheinen der 4 1/2 - prozentigen Konversionsausgabe von 1953 der Internationalen 5 1/2 - prozentigen Anleihe des Deutschen Reichs 1930 (Young-Anleihe) - französische Ausgabe - gegen Steuerforderungen des Bundes und der Länder aufgerechnet werden kann.

Die Vorinstanz hat in übereinstimmung mit den Finanzverwaltungsbehörden diese Frage verneint.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Steuerpflichtigen, die die Vorinstanz wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hat, kann aus den nachstehenden Gründen keinen Erfolg haben.

Mit Recht ist die Vorinstanz unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs davon ausgegangen, daß bei einer Aufrechnung gegen Steuerforderungen, wie sie § 124 AO vorsieht, die Frage, ob die allgemeinen Voraussetzungen einer Aufrechnung gegeben sind, nach bürgerlichem Recht, d. h. nach den §§ 387 ff. BGB zu entscheiden ist.

Soweit es sich im Streitfall um die Aufrechnung gegen Steuerforderungen des Landes handelt, entfällt eine solche schon deshalb, weil die Länder nicht Schuldner der Forderungen aus der Internationalen Anleihe des Deutschen Reichs von 1930 sind und es daher an der Voraussetzung der Gegenseitigkeit der Forderungen fehlt.

Soweit dagegen der Bund als Schuldner der zur Aufrechnung gestellten Zinsforderungen Steuergläubiger ist, fehlt es an der erforderlichen Gleichartigkeit der Forderungen.

Es bestehen bei der Young-Anleihe verschiedene Ausgaben der vom Reich für seine Gläubiger ausgestellten Schuldverschreibungen. Sie sind alle durch die gleiche allgemeine Schuldverschreibung (General Bond) gesichert; maßgebend für den Inhalt der vom Reich gegenüber seinen Gläubigern eingegangenen Verpflichtung ist aber der Wortlaut der Einzelschuldverschreibungen. Die einzelne Inhaber-Schuldverschreibung der französischen Ausgabe, die nebeneinander deutschen, englischen und französischen Text aufweist, lautet auf den Betrag von nominal 1.000 französischen Franken; in ihr heißt es weiter: "Die Entrichtung des Kapitals, der Zinsen und der Tilgungsbeträge der Anleihe stellt eine unmittelbare und unbedingte Verpflichtung der Deutschen Regierung gegenüber den Inhabern der Schuldverschreibungen dar, für die sie auf Grund ihres gegebenen Wortes und mit dem gesamten Kredite Deutschlands einsteht." Ferner besagt der Text: "Das Deutsche Reich verpflichtet sich hiermit, unter Vorbehalt des Ankaufs oder der Einlösung dieser Schuldverschreibung nach den nachstehend aufgeführten Bestimmungen am 1. Juni 1965 an den Inhaber dieser Schuldverschreibung den oben angegebenen Nennbetrag zu zahlen sowie halbjährlich am 1. Juni und 1. Dezember jeden Jahres, beginnend mit dem 1. Dezember 1930 einschließlich, bis zur Rückzahlung des genannten Kapitals, Zinsen zum Satz von 5 1/2 % jährlich gegen Vorlegung und Ablieferung der dieser Schuldverschreibung beigefügten Zinsscheine nach Maßgabe ihrer Fälligkeit zu zahlen." Danach bestand ungeachtet aller Sicherungsbestimmungen im General Bond eine unmittelbar Verpflichtung zur Leistung gegenüber dem Inhaber. Der Inhalt der Schuld ergibt sich ferner aus folgenden Sätzen: "Die Einlösung der Zinsscheine und die Einlösung der Schuldverschreibungen erfolgen in Französischen Franken, wobei der Französische Frank für Zwecke dieser Anleihe in jedem Fall durch ein Goldgewicht von 65,5 Milligramm, zu 900 / 1.000 Feingehalt, bestimmt ist. Der Inhaber hat Anspruch auf den am Tage der Fälligkeit sich ergebenden Gegenwert des Goldwerts dieser Beträge in Französischen Franken, mit der Maßgabe, daß er mindestens den auf der Schuldverschreibung und dem Zinsschein angegebenen Betrag erhält." Daraus, daß es zweimal "in Franken" heißt, geht eindeutig hervor, daß Franken geschuldet wurden, also eine Fremdwährungsschuld des Reichs vorlag. Daran ändert auch nichts die weitere Klausel: "Die Zahlung der obengenannten Beträge, die sich nach den vorausgehenden Bestimmungen berechnen, kann auf Wunsch des Inhabers an einem auswärtigen Platz, an dem irgendeine Ausgabe der Anleihe notiert wird, zu dem am Tage der Zahlung geltenden Wechselkurs erfolgen." (Französisch: ... "le paiement des montants ... pourra etre effectue, a l'option de l'Obligataire" ...). Danach hatte weder der Gläubiger wahlweise einen Anspruch auf Zahlung in anderer als französischer Währung noch der Schuldner ein Ersetzungsrecht. Etwas anders als die Schuldverschreibung über Kapital und Zinsen lautet allerdings der Text der Zinsscheine. Er enthält zwar auch die Verpflichtung zur Zahlung einer Summe von 27,50 französischen Franken und gewährt dem Inhaber den Anspruch auf den sich am Tage der Fälligkeit in französischen Franken ergebenden Gegenwert des Goldwerts, jedoch heißt es sodann: "Die zur Auszahlung gelangende Summe kann nach Wahl des Inhabers an jedem auswärtigen Platz, an dem irgendeine Ausgabe der Anleihe notiert wird, zu dem am Tage der Zahlung geltenden Wechselkurse in Empfang genommen werden." (Französisch: ... La somme mise en paiement pourra etre encaissee a l'option de l'Obligataire," ...). Danach hat der Gläubiger die Wahl, Zahlung auch in einer anderen Währung zu verlangen, u. U. also auch in deutscher Währung, da auch eine deutsche Ausgabe bestand.

Die Schulden des Reichs aus der Young-Anleihe haben zusammen mit anderen deutschen Auslandsschulden auf Grund eines von der Bundesrepublik mit einer Reihe von Staaten abgeschlossenen Abkommens über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 (sogenanntes Londoner Abkommen, BGBl 1953 II S. 333 ff.) - vgl. auch das Gesetz betreffend dieses Abkommen vom 24. August 1953, a. a. O., S. 331 - eine Neuregelung gefunden (siehe Art. 4 des Abkommens: "Die gemäß diesem Abkommen und seinen Anlagen zu regelnden Schulden sind: ..."). In Art. 15 des Abkommens ist vorgesehen, daß Anspruch auf Vorteile aus irgendeiner Bestimmung des Abkommens und seiner Anlagen einschließlich der darin vorgesehenen Zahlungen allein solche Gläubiger haben, die bei verbrieften Schulden, deren Regelung ein Regelungsangebot voraussetzt, das Angebot annehmen oder die bei sonstigen Schulden mit der Festsetzung von Zahlungs- oder sonstigen Bedingungen für die Schuld gemäß den in Betracht kommenden Bestimmungen einverstanden sind (Abs. 1); bei verbrieften Schulden erfolgt die Annahme des Regelungsangebots durch Einreichung der alten Schuldverschreibungen oder Zinsscheine (i) zum Umtausch, wenn neue Schuldverschreibungen oder Zinsscheine ausgegeben werden, oder (ii) zur Anbringung eines Aufdrucks, wenn die Regelungsbedingungen den alten Schuldverschreibungen oder Zinsscheinen aufgedruckt werden sollen (Abs. 2 a). Letzteres ist bei der Young-Anleihe geschehen.

Aus dem Wortlaut des Abkommens geht hervor, daß weder durch das Abkommen noch durch Gesetz bereits eine Regelung der Schulden vorgenommen worden ist, sondern eine solche durch Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner vorgesehen ist. Das bestätigt auch die Anlage I des Abkommens, in der es insbesondere hinsichtlich der Young-Anleihe unter "A. Reichsschulden" heißt: "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland (im folgenden als Bundesregierung bezeichnet) wird den Inhabern von Schuldverschreibungen für folgende Beträge die Aufbringung und die Zahlung nach dem Ausland anbieten: 1. ... 2. Die 5 1/2 % Internationale (Young-) Anleihe von 1930 (a) Vom ersten auf den 31. März 1953 folgenden Coupontermin ab Zinsen in Höhe von 5 v. H. jährlich auf die amerikanische Tranche und 4 1/2 v. H. jährlich auf die anderen Tranchen. ... (e) Die auf die verschiedenen Tranchen der 5 1/2 % Internationalen Anleihe von 1930 fälligen Beträge sind lediglich in der Währung des Emissionslandes zahlbar ..". Die Anlage enthielt demnach die typische Effektiv-Klausel, angesichts derer sich auch aus § 244 BGB kein Ersetzungsrecht des Schuldners ergeben könnte. Daran ändert nichts die unmittelbar folgende Klausel, daß in Anbetracht der Wirtschafts- und Finanzlage Deutschlands Einvernehmen darüber besteht, daß als Grundlage für die Berechnung des Betrages in fremder Währung der Dollarbetrag dienen solle, dem die in der Währung des Emissionslandes fällige Zahlung entsprochen haben würde, umgerechnet zu dem im Zeitpunkt der Emission der Anleihe maßgebenden Wechselkurs, und daß der auf diese Weise ermittelte Nominalbetrag in US-Dollar dann zum Wechselkurs vom 1. August 1952 wieder in die betreffende Währung ungerechnet werde. Auch aus dieser Klausel geht nichts anderes hervor, als daß die Erfüllung in der Währung des Emissionslandes geschuldet ist.

Die Annahme des entsprechenden Regelungsangebots des Bundes durch die Gläubiger geschah durch die Einreichung der Schuldverschreibungen nebst Zinsscheinen zur Anbringung eines der Regelung entsprechenden Aufdrucks. Der rote Aufdruck - wiederum in deutscher, englischer und französischer Sprache - lautet "Diese Schuldverschreibung wird hiermit eine Verbindlichkeit der Bundesrepublik Deutschland gemäß dem Londoner Abkommen über die deutschen Auslandsschulden 1953 und seiner Anlage I, durch die der ursprüngliche Anleihevertrag geändert worden ist ...". Damit ist die Bundesrepublik eine Verbindlichkeit eingegangen wie seinerzeit das Reich durch die Ausstellung der Schuldverschreibung. Der Inhalt dieser Verbindlichkeit wird bestimmt durch das Abkommen und seine Anlage. Dagegen, daß deren Text nicht ganz oder teilweise wiedergegeben ist, sondern auf diese jedermann zugänglichen Texte Bezug genommen ist, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Freilich enthalten die Zinsscheine ausschließlich den Aufdruck "Nouveau taux d'interet 4 1/2 %", lassen also ohne jede sonstige Angabe nur den neuen Zinssatz erkennen. Aus dem Wortlaut der Zinsscheine selbst - den der Bf. in erster Linie berücksichtigt wissen möchte - ist nur die seinerzeit vom Reich eingegangene Zinsverpflichtung zu entnehmen und der neue Zinssatz, dessen Aufdruck jedoch seine Bedeutung aus sich heraus nicht erkennen läßt; in keiner Weise aber geht aus dem Zinsschein allein hervor, daß eine Schuldenregelung stattgefunden hat und inwieweit danach eine Verpflichtung des Bundes gegenüber dem Zinsscheininhaber besteht. Das bedeutet, daß aus dem Zinsschein für sich überhaupt kein Anspruch gegen den Bund zu entnehmen ist. Daher besteht, um zur Feststellung einer sich aus dem Zinsschein ergebenden Verpflichtung zu kommen, keine andere Möglichkeit, als auf das die Kapitalforderung und die Zinsforderungen verbriefende Hauptpapier zurückzugreifen. In diesem ist aber, wie oben ausgeführt, nunmehr die Kapital- und Zinsschuld der Bundesrepublik verbrieft, die nach der Anlage I des Londoner Abkommens, auf die ausdrücklich Bezug genommen ist, in französischen Franken zahlbar ist, also eine Fremdwährungsschuld darstellt. Mit dieser Frankenforderung kann der Bf. gegen eine Steuerforderung in DM nicht aufrechnen, da die geschuldeten Leistungen ihrem Gegenstande nach nicht gleichartig sind, wie es § 387 BGB verlangt (siehe Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB - 11. Auflage -, § 387, Anm. 17).

Da auch die Vorinstanz zu diesem Ergebnis gekommen ist, war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410359

BStBl III 1962, 144

BFHE 1962, 381

BFHE 74, 381

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