Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Verlust, der sich bei der Veräußerung von Wertpapieren auf der Grundlage der vorläufigen Werte nach § 22 Abs. 2 DMBG ergibt, mindert den steuerpflichtigen Gewinn.
Normenkette
DMBG § 22 Abs. 2; DMBG § 74 Abs. 1
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), die nach der Besetzung ihren Sitz nach H. verlegt hatte und deren in der sowj. Besatzungszone belegenen Betrieb 1946 enteignet worden ist, hatte sich Ende 1947 an der X-AG in K. beteiligt, wobei sie von einem Gesamtkapital von 6.000.000 RM Aktien im Nominalbetrag von 4.971.000 RM übernahm. Die damals neugegründete X-AG plante die Errichtung einer Fabrik. Nach der Währungsumstellung erwies sich dieser Plan aus finanziellen Gründen als undurchführbar, nachdem Verhandlungen über die Zurverfügungstellung öffentlicher Mittel ergebnislos verlaufen waren. Infolgedessen trat die X-AG im März 1949 in Liquidation, die im März 1951 beendet wurde. Das sich bei Beendigung der Liquidation auf 600.000 DM belaufende Vermögen wurde an die Aktionäre verteilt.
In ihrer DM-Eröffnungsbilanz hat die Bgin. ihre Beteiligung an der X-AG mit 1.491.300 DM bewertet. Auf den Schluß ihrer mit dem 30. September 1949 und 1950 abgelaufenen Geschäftsjahre schrieb sie 248.550 DM und 509.100 DM auf diese Beteiligung ab, so daß sich unter Berücksichtigung von noch in 1950 zu einem Kurs von 25 v. H. vorgenommenen Zukäufen von Aktien für 30.000 DM per 31. September 1950 ein Wert von 763.650 DM für die Beteiligung ergab. Der von der Bgin. für den 21. Juni 1948 vorläufig gewählte Ansatz für ihre Beteiligung stellt 30 v. H. des RM-Nennwertes ihrer Aktien dar. Sie hält diese Bewertung nach § 22 Abs. 2 des D- Markbilanzgesetzes (DMBG) für zulässig. Da ein Vermögensteuerwert auf einen vor dem 21. Juni 1948 liegenden Stichtag für die nicht börsenmäßig gehandelten Aktien der X-AG nicht vorliege, stelle für die Anteile an dem damals in Aufbauplanungen begriffenen Unternehmen für den in Frage stehenden Stichtag der 1. Januar 1948 das Nominalkapital die gegebene Bewertungsgrundlage dar.
Als der Betrieb der Bgin. im August 1951 einer Buch- und Betriebsprüfung unterzogen worden war, glaubte das Finanzamt zunächst die in der DM-Eröffnungsbilanz vorgenommene Bewertung der Beteiligung deswegen beanstanden zu müssen, weil das Reinvermögen der X-AG nach deren DM-Eröffnungsbilanz nur noch 958.352,60 DM betragen, sich also nur auf 15,97 v. H. des Nennwerts des RM- Stammkapitals belaufen habe. Die Vorstellungen der Bgin. führten dazu, daß diese Beanstandung fallen gelassen und der angesetzte Wert als vorläufiger Wert im Sinne von § 22 Abs. 2 DMBG anerkannt wurde.
Das Finanzamt machte geltend, daß nach Ziff. 62 b der steuerlichen Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz (DMBR) die sich aus der Liquidation der X-AG ergebenden Verluste vorläufig erfolgsneutral behandelt werden müßten. Es veranlagte daher mit vorläufigem Bescheid vom 21. Dezember 1951 die Bgin. für II/1948 und 1949 zur Körperschaftsteuer und zur Abgabe "Notopfer Berlin" in der Weise, daß es die vorgenommenen Abschreibungen auf die Beteiligungen per 30. September 1949 und 1950 unberücksichtigt ließ.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete dies wie folgt:
Ziff. 62 b DMBR vom 28. Mai 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl. - I S. 174) bestimme, daß bei Wertpapieren, die nach § 22 Abs. 2 DMBG vorläufig zu bewerten seien, Gewinne und Verluste bei einer Veräußerung durch Bildung eines nach Festsetzung des endgültigen DM-Wertes aufzulösenden Bilanzausgleichpostens vorläufig erfolgsneutral zu behandeln seien. Diese Anweisung stehe, soweit es sich um die Behandlung der Verluste handle, im Widerspruch zu § 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Steuerpflichtigen könnten die Abschreibungen nicht versagt werden. Für die Ende 1947 gegründete X-AG liege ein Vermögensteuerwert nach dem Stichtag des 1. Januar 1948 nicht vor. Mit dem Finanzamt habe das Gericht keine Bedenken, für die Aktien das Nominalkapital als Bewertungsgrundlage für den 1. Januar 1948 anzunehmen und 30 v. H. desselben als den der Vorschrift des § 22 Abs. 2 DMBG entsprechenden Wertansatz für die DM-Eröffnungsbilanz anzuerkennen. Die Abschreibungen seien in der ungünstigen Entwicklung der X-AG seit der Währungsumstellung begründet. Die Einkommensteuer-Richtlinien II/1948 und 1949 wollten in Ziff. 62 bei den der Absetzung für Abnutzung unterliegenden vor dem 21. Juni 1948 angeschafften Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Herabgehen auf den Teilwert nur dann zulassen, wenn die Wertverminderung auf nach dem 21. Juni 1948 eingetretenen Umständen beruhe. Das Gericht vermöge sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Im übrigen seien im Streitfalle die eingetretenen Wertminderungen zum Teil auf nach dem 21. Juni 1948 eingetretene Umstände zurückzuführen. Das Gericht sehe keine Veranlassung, die zum 30. September 1949 und 30. September 1950 vorgenommenen Wertansätze für die Beteiligung der Bgin. zu beanstanden. Es ergebe sich hiernach kein steuerpflichtiges Einkommen. Die Bgin. sei jedoch nur vorläufig zu veranlagen. Von der Körperschaftsteuer sei sie freizustellen. Das Notopfer Berlin sei auf die Mindestbeträge von 40 DM für II/1948 und 240 DM für 1949 festzusetzen.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts macht demgegenüber geltend: Bei den vom Gesetzgeber vorläufig vorgesehenen Werten handle es sich um Werte, die nahezu willkürlich erschienen. Auf ihrer Grundlage könne ein auch nur einigermaßen zuverlässiges Ergebnis nicht festgestellt werden. Es sei deshalb in Abschn. 62 b DMBR klargestellt worden, daß derartige fiktive Gewinne und Verluste bis zur gesetzlichen Regelung der endgültigen Bewertung der Wertpapiere steuerlich erfolgsneutral zu behandeln seien.
Die Bgin. beantragt Abweisung der Rb. und führt hierbei aus: Im allgemeinen werde sich der Abschn. 62 b DMBR als eine Schutzbestimmung für die Steuerpflichtigen auswirken, weil infolge der niedrigen Höchstwertbegrenzungen des § 22 DMBG erfahrungsgemäß in fast allen Fällen aus den Veräußerungen von Wertpapieren Gewinne gegenüber den vorläufigen Wertansätzen in der DM- Ergänzungsbilanz entstünden. Im vorliegenden Falle sei die seltene Ausnahme gegeben, daß ein Veräußerungsverlust eingetreten sei. Seine Nichtberücksichtigung verstoße gegen die Grundsätze des Einkommensteuerrechts.
Entscheidungsgründe
Der Rb. muß der Erfolg versagt werden.
Das Finanzgericht hat mit zutreffender Begründung die Abzugsfähigkeit der bilanzmäßig eingetretenen Verluste bejaht. Wenn der Gesetzgeber Werte als vorläufige Werte für die Bilanzierung bestimmt, so kann das nur den Zweck gehabt haben, die Jahresergebnisse vorläufig auf dieser Grundlage zu berechnen. Nach § 74 Abs. 1 DMBG sind diese Werte den Steuern vom Einkommen und vom Ertrag zugrunde zu legen. Die Rb. muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407603 |
BStBl III 1953, 104 |
BFHE 1954, 262 |
BFHE 57, 262 |