Leitsatz (amtlich)
Die eichamtliche Vorprüfung eines Zählgeräts als Voraussetzung für dessen Verwendung im eichpflichtigen Verkehr stellt eine Bearbeitung dar, die über ein bloßes Kennzeichnen hinausgeht und damit steuerlich schädlich ist.
Normenkette
UStG § 7 Abs. 3; UStDB § 12 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Ziff. 3
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige -- Stpfl. --) erwarb von einem ausländischen Hersteller geprüfte und plombierte Mineralöl-Durchlaufzähler. Vor ihrer Weiterlieferung wurden die Zähler teilweise auf dem Prüfstand der Stpfl. unter Beiziehung eines Prüfungsbeamten einer eichamtlichen Vorprüfung unterzogen. Die Stpfl. hat zu diesem Zweck am Zähler Schilder angebracht und die Stempelstellen vorbereitet. Nach positivem Prüfungsergebnis erhielt der Zähler einen Vorprüfungsstempel und Plombenverschlüsse. Für die Vorprüfung hatte die Stpfl. eine Gebühr zu zahlen, die sie ihren Abnehmern ohne Berechnung eigener Unkosten neben dem gelieferten Zähler gesondert in Rechnung stellte. Über die Vorprüfung wurde ein Vorprüfungsschein ausgestellt, der dem Abnehmer übergeben wurde. Die eichamtliche Vorprüfung ist Voraussetzung für die Eichung eines Zählers; nur vorgeprüfte und geeichte Zähler dürfen im eichpflichtigen Verkehr eingesetzt werden.
Streitig ist für den Veranlagungszeitraum 1956, ob die eichamtliche Vorprüfung der Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 7 Abs. 3 UStG entgegensteht. Die Stpfl. ist der Auffassung, die Vorprüfung stelle keine Bearbeitung im Sinne von § 12 UStDB dar; keinesfalls gehe sie über ein "Kennzeichnen" im Sinne dieser Vorschrift hinaus. Das Finanzamt (FA) hingegen sah in der Vorprüfung eine über das Kennzeichnen hinausgehende steuerlich schädliche Bearbeitung und versagte den ermäßigten Steuersatz.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg.
Mit der Rb. rügt die Stpfl. Verletzung des § 7 Abs. 3 UStG und der §§ 57 Abs. 1 Ziff. 3, 12 UStDB. Sie beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und unter Gewährung des ermäßigten Steuersatzes die Umsatzsteuer für 1956 neu festzusetzen.
Zur Begründung der Rb. verweist die Stpfl. in erster Linie auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) V 195/57 U vom 17. Oktober 1958 (BStBl 1959 III S. 21, Slg. Bd. 68 S. 56), in dem der Senat das Anbringen von Prüfzeichen einer Klassifikationsgesellschaft auf Schiffsarmaturen als bloßes Kennzeichnen angesehen hat.
Entscheidungsgründe
Die Rb., die nunmehr als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2 Ziff. 1 FGO), ist unbegründet.
Nach § 7 Abs. 3 UStG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Ziff 3 UStDB ermäßigt sich die Steuer auf 1 v. H. für Großhandelslieferungen von Gegenständen, die der Unternehmer weder bearbeitet noch verarbeitet hat. Eine Bearbeitung oder Verarbeitung liegt vor, wenn die Wesensart des Gegenstandes geändert wird, d. h. wenn durch die Behandlung des Gegenstandes nach der Verkehrsauffassung ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit entsteht (§ 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStDB).
Das Finanzgericht (FG) hat in der bei der Vorprüfung vorgenommenen Untersuchung der baulichen Ausführung und äußeren Beschaffenheit sowie des meßtechnischen Verhaltens der Zähler, dem Anbringen der Prüfschilder, der Vorbereitung der Stempelstelle und dem Anbringen der Prüfungsstempel und Plombenverschlüsse an einem zur eichamtlichen Vorprüfung gestellten Durchlaufzähler zutreffend eine Behandlung gesehen, durch die nach der Verkehrsauffassung ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit entsteht.
Es ist zwar richtig, daß, wie die Stpfl. wiederholt hervorhebt, durch die Vorprüfung die meßtechnischen Eigenschaften des Zählers nicht verändert worden sind. Die Stpfl. verkennt aber die Bedeutung der Untersuchung im Rahmen der eichamtlichen Vorprüfung, wenn sie im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz meint, durch das Anbringen der Vorprüfungsplakette und die Aushändigung des Vorprüfungsscheins habe sich die Marktgängigkeit des Durchlaufzählers nicht geändert. Zu Recht hat das FG ausgeführt, daß der Abnehmerkreis für vorgeprüfte Zähler ein anderer ist als der für nichtvorgeprüfte Zähler. Jeder Abnehmerkreis verfolgt verschiedene Ziele: Während der Besteller eines nichtvorgeprüften Zählers diesen nur für innerbetriebliche Messungen verwenden will und kann, beabsichtigt der Besteller eines vorgeprüften Zählers, diesen im eichpflichtigen Verkehr einzusetzen. Daß ein Durchlaufzähler durch die Prüfung zu einem Gegenstand anderer Marktgängigkeit geworden ist, ergibt sich auch daraus, daß nur vorgeprüfte Zähler zur Eichung gestellt werden können. Die Stpfl. hat nichtvorgeprüfte Zähler erworben und vorgeprüfte Zähler weiterveräußert. Das FG konnte bei einer so offenkundigen Änderung der Marktgängigkeit auch von weiteren Ermittlungen über die Verkehrsauffassung absehen.
Soweit das Revisionsbegehren auf Verletzung des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB gestützt und unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil V 195/57 U vom 17. Oktober 1958 (a. a. O.) geltend gemacht wird, die Behandlung der Durchlaufzähler gehe über ein bloßes Kennzeichnen nicht hinaus, lassen die Rechtsausführungen der Vorinstanz eine Rechtsverletzung ebenfalls nicht erkennen.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB gilt das Kennzeichnen eines Gegenstandes nicht als Bearbeitung oder Verarbeitung; insoweit kommt es auf eine Änderung der Marktgängigkeit nicht an.
Das FG ist ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß unter Kennzeichnen schon nach den zusammengesetzten Wortstämmen und dem Sprachgebrauch nur das Anbringen von Zeichen zum Erkennen eines Gegenstandes zu verstehen ist und nach dem Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs II D 3/49 S vom 23. August 1949 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Umsatzsteuergesetz, § 7 Abs. 3, Rechtsspruch 7), das auch den Ausgangspunkt des Urteils V 195/57 U vom 17. Oktober 1958 (a. a. O.) bildet, lediglich das Anbringen von Zeichen bedeutet, aus denen der Hersteller oder der Ort der Herstellung, die Beschaffenheit der Ware, ihre Bestandteile, ihre Güte und ähnliches ersichtlich sind.
Die Vorinstanz hat ferner zutreffend ausgeführt, daß der Sachverhalt des Streitfalls nicht mit dem vergleichbar ist, über den in dem Urteil V 195/57 U vom 17. Oktober 1958 (a. a. O.) zu entscheiden war. Während dort mit dem Anbringen der Prüfzeichen auf den Schiffsarmaturen die vorhandenen Eigenschaften nur nochmals bestätigt worden sind, um so in besonderer Weise der Sicherheit des Schiffsverkehrs zu dienen, wird mit der erstmals durchgeführten eichamtlichen Vorprüfung eines Durchlaufzählers ein Sonderzweck verfolgt, der über den mit der Kennzeichnung gemeinhin verbundenen Zweck hinausgeht. Denn der Prüfstempel am Zähler im Zusammenhang mit dem Vorprüfschein als Ergebnis der Prüfung hat den Zweck, einen nach den einschlägigen Maß- und Gewichtsgesetzen vorgeprüften Zähler zur Eichung stellen zu können. Dieses Recht zu erhalten ist nicht, wie die Stpfl. vorgibt, bloß von zweitrangiger Bedeutung. Es ist vielmehr für Geräte, die im eichpflichtigen Verkehr eingesetzt werden sollen, die erste Voraussetzung neben der weiteren Voraussetzung der Eichung. Der Prüfung durch die Herstellerfirma im Ausland kommt insoweit keine Bedeutung zu. Spielt aber die Vorprüfung rechtlich und wirtschaftlich eine so entscheidende Rolle, so kann nicht mehr von einem bloßen Kennzeichnen gesprochen werden. An dieser schon im Urteil V 195/57 U vom 17. Oktober 1958 (a. a. O.) vertretenen Auffassung hält der Senat fest.
Hiernach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Streitwerts, die der Senat für angemessen erachtete, beruht auf § 140 Abs. 3 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 412023 |
BStBl III 1966, 234 |
BFHE 1966, 63 |