Leitsatz (amtlich)
Die Erteilung eines Teilrechtskraftattests ist für den Zeitpunkt der Beendigung der Entziehungsperiode ohne Bedeutung und stellt sich nur als eine formale Folgerung aus dem Eintritt der Rechtskraft der Rückerstattungsentscheidung dar, durch den die dingliche Rechtsänderung hinsichtlich des rückerstattungsbefangenen Grundstücks endgültig bewirkt worden ist.
Normenkette
LAG § 137; 15. AbgabenDV-LA § 4 Abs. 1; REAO Berlin Art. 13 S. 1
Tatbestand
Den Revisionsbeklagten war das belastete Grundstück durch die Entscheidung der Wiedergutmachungskammer des LG Berlin vom ... März 1952 rückerstattet worden. Die Rückerstattungsentscheidung wurde von den Rückerstattungsberechtigten nur hinsichtlich der Nebenansprüche angefochten; über sie wurde erst später durch Beschluß des Obersten Rückerstattungsgerichts (ORG) für Berlin vom ... Mai 1957 abschließend entschieden. Hinsichtlich der Rückerstattung des Grundstücks selbst erfolgte keine Anfechtung. Die Bemühungen der Rückerstattungsberechtigten und jetzigen Revisionsbeklagten, ein Teilrechtskraftzeugnis über die Rückerstattung des Grundstücks zu erlangen, um die Wiedereintragung ihres Eigentums im Grundbuch herbeizuführen, waren zunächst ohne Erfolg; erst nach der abschließenden Entscheidung des ORG Berlin wurden Rechtskraftzeugnisse erteilt und die Revisionsbeklagten im Grundbuch eingetragen. Das FA zog die Schuldnergewinne aus den auf dem Grundstück bestehengebliebenen Belastungen zur HGA heran und setzte den Leistungsbeginn für die halbjährlich zu entrichtenden HGA-Raten auf den 1. April 1952 fest. Den Einspruch, mit dem neben inzwischen erledigten Einwendungen geltend gemacht wurde, der Beginn der Leistungspflicht sei zu Unrecht auf den 1. April 1952 festgesetzt worden, wies das FA als unbegründet zurück und erklärte gleichzeitig den HGA-Bescheid für endgültig. Die Berufung hatte zum großen Teil Erfolg. Das VG setzte abweichend von der Einspruchsentscheidung und dem ihr zugrunde liegenden HGA-Bescheid den Beginn der HGA-Leistungspflicht auf den 22. August 1956 fest. Es führte u. a. aus, sowohl die Geschäftsstellen des Kammergerichts und des LG als auch auf Erinnerung der Rückerstattungsberechtigten die 15. Ferien-Zivilkammer des LG hätten es in Verkennung der Rechtslage abgelehnt, den Revisionsbeklagten über die Anordnung der Rückerstattung des Grundstücks ein Teilrechtskraftzeugnis zu erteilen. Die Entziehungsperiode sei daher im Streitfall noch nicht mit dem Eintritt der Teilrechtskraft, sondern erst mit dem Zeitpunkt beendet gewesen, in dem die Revisionsbeklagten in der Lage gewesen seien, ein Rechtskraftattest über die Anordnung der Rückerstattung des Grundstücks zu erlangen. Erst damit seien sie in den Stand gesetzt worden, aus der Teilrechtskraft die Folgerungen zu ziehen, die erforderlich seien, um sich die ihnen zukommende Eigentümerstellung zu verschaffen. Diese Möglichkeit habe zwar nicht erst nach dem Ergehen des Beschlusses des ORG vom Mai 1957 bestanden, durch den das Rückerstattungsverfahren auch bezüglich der Nebenansprüche rechtskräftig beendet worden sei; es sei vielmehr bereits durch die Grundsatzentscheidung des ORG vom 17. Juli 1956 in einer anderen Sache klargestellt worden, daß abweichend von der früheren Rechtsprechung des Kammergerichts in Fällen der vorliegenden Art die Erteilung des Teilrechtskraftzeugnisses über die Anordnung der Rückerstattung des Grundstücks nicht versagt werden dürfe. Das VG nehme deshalb das Ende der Entziehungsperiode mit dem Ablauf des 21. August 1956 mit der Folge an, daß die HGA-Leistungen von dem nächsten nach dem Ende der Entziehungsperiode eintretenden Fälligkeitszeitpunkt, d. h. erstmals am 30. September 1956, zu entrichten seien. Dabei sei zu beachten, daß das Abgabeprivileg des § 4 Abs. 1 der 15. AbgabenDV-LA auch für die nach dem Ende der Entziehungsperiode erstmals fällig werdende Rate gelte, soweit diese anteilsmäßig auf den Zeitraum vor Beginn der Leistungspflicht entfalle.
Mit der vom Vorsteher des FA eingelegten Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wurde unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt. Die Entziehungsperiode sei beendet, wenn in einer gerichtlichen Entscheidung der Rückerstattungsverpflichtete zur Herausgabe des Grundstücks usw. verurteilt worden und die Anordnung der Rückerstattung mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist des Rückerstattungsverpflichteten rechtskräftig geworden sei. Unzutreffend sei auch die Auffassung des VG, daß die erste nach dem Ende der Entziehungsperiode fällig gewordene Rate nur anteilsmäßig für den nach dem Ende der Entziehungsperiode beginnenden Zeitraum zu entrichten sei.
Das FA hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, das Urteil des VG aufzuheben, die Sache an das FG Berlin zurückzuverweisen und den Revisionsbeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Abgabeschuldner (Revisionsbeklagten) haben beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es sei im Rückerstattungsverfahren nicht möglich gewesen, ein Teilrechtskraftzeugnis zu erlangen, so daß der Erblasser der jetzigen Revisionsbeklagten auf lange Jahre im Grundbuch nicht habe wieder eingetragen werden und damit praktisch die wirkliche Eigentümerstellung zunächst nicht habe wiedererlangen können; denn ohne im Grundbuch eingetragen zu sein und ohne die Aussicht zu haben, alsbald die Eintragung durchzusetzen, könne ein Rückerstattungsberechtigter über das Grundstück nicht verfügen, es weder belasten noch veräußern. Auf diese wirtschaftliche Seite komme es auch nach dem StAnpG an. Hätte das FA recht, dann bestünde die Gefahr, daß von den Rückerstattungsberechtigten öffentliche Abgaben gefordert und bei ihnen beigetrieben werden könnten, ohne daß sie in der Lage wären, aus dem rückerstatteten Grundstück die Abgaben zu decken oder die erforderlichen Mittel durch Belastung des Grundstücks zu beschaffen. Um diesen Gefahren vorzubeugen, habe die Alliierte Kommandantur die Anordnung BK/Lettre (50) 175 vom 14. Dezember 1950 (Verordnungsblatt für Berlin II 1951 S. 220 - VOBl Berlin II 1951, 220 -) erlassen, aus der zu folgern sei, daß ein "endgültiger Zuspruch" im Sinne dieser Anordnung erst dann vorliege, wenn aus der Rückerstattungsentscheidung auch praktische Rechte hergeleitet werden könnten, um ggf. über das rückerstattete Grundstück zur Abwendung von Zwangsmaßnahmen verfügen zu können. Auch das Kammergericht (Wiedergutmachungssenat) habe in der Entscheidung 18 W 455/62 vom 9. Juli 1963 (Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1964 S. 21 - RzW 1964, 21 -) auf diese Anordnung der Alliierten Kommandantur hingewiesen. Im Streitfall sei erst nach der Entscheidung des ORG über die Notwendigkeit der Erteilung eines Teilrechtskraftzeugnisses mit der Möglichkeit zu rechnen gewesen, die Bereinigung des Grundbuchs durchzusetzen. Es könne kein Zweifel bestehen, daß die Eintragung im Grundbuch erst möglich geworden sei, nachdem die Praxis des Kammergerichts, an der die Eintragung bis 1956 scheiterte, vom ORG Berlin als unrichtig erkannt worden sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Vorstehers des FA ist zulässig und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach Art. 13 der Rückerstattungsanordnung (REAO) Berlin hat die Anordnung der Rückerstattung die Wirkung, daß der Verlust der Rechte des Anspruchserhebenden oder seines Rechtsvorgängers auf Vermögensgegenstände, welche den Gegenstand einer ungerechtfertigten Entziehung darstellen, als nicht erfolgt gilt. Der Eintritt dieser gesetzlichen Rückerstattungsfiktion beendet die Entziehungsperiode. Dies setzt voraus, daß die Anordnung der Rückerstattung, deren gesetzliche Folge die Rückerstattungsfiktion ist, unabänderbar und endgültig ausgesprochen ist. Die vom Prozeßbevollmächtigten der Revisionsbeklagten angeführte Anordnung der Alliierten Kommandantur Berlin vom 14. Dezember 1950, a. a. O., besagt nichts anderes. Die ebenfalls zitierte Entscheidung des Kammergerichts vom 9. Juli 1963, a. a. O., nimmt ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BFH zur Frage der Beendigung der Entziehungsperiode Bezug. Handelt es sich - wie im Streitfall - um eine gerichtliche Anordnung der Rückerstattung, so ist die Rückerstattungsfiktion endgültig dann gegeben, wenn diese Anordnung weder aufgehoben noch geändert werden kann. Dies ist der Zeitpunkt, in dem die gerichtliche Rückerstattungsanordnung in Rechtskraft erwachsen ist. An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch für den Streitfall fest. Auf das Urteil des erkennenden Senats III 138/63 U vom 15. November 1963 (BFH 78, 262 [267], BStBl III 1964, 104) können sich die Revisionsbeklagten wie auch die Vorinstanz zur Stützung ihrer Auffassung nicht berufen. Dort handelte es sich um einen Rückerstattungsvergleich, dessen Wirksamwerden von verschiedenen außerhalb des Einflußbereichs der Vergleichschließenden liegenden Umständen abhing, so daß allein das Ende der Widerrufsfrist nicht geeignet war, die Entziehungsperiode zu beenden. Denn unabhängig von dem Ablauf der Widerrufsfrist hing die Wirksamkeit des Vergleichs und damit der Eintritt der Rückerstattungsfiktion von devisenrechtlichen Genehmigungen bzw. der Erteilung von Negativbescheinigungen ab; selbst die Unwiderruflichkeit des Vergleichs konnte daher noch nicht den in Art. 13 REAO für Berlin vorgesehenen Erfolg zeitigen. Der Senat führte damals hierzu wörtlich aus: "Ebenso wie erst der Eintritt der Rechtskraft einer Rückerstattungsentscheidung letztere endgültig vollziehbar macht und damit die Entziehungsperiode beendet, so kann auch ein Rückerstattungsvergleich erst dann als wirksam und die Entziehungsperiode beendet angesehen werden, wenn seiner unmittelbaren und endgültigen Vollziehbarkeit nichts mehr im Wege steht."
Nach diesen Grundsätzen muß es auch im Streitfall dabei verbleiben, daß der Eintritt der Rechtskraft der gerichtlichen Rückerstattungsanordnung hinsichtlich des Grundstücks die Entziehungsperiode beendet. Mit dem Eintritt der Rechtskraft ist aufgrund der Rückerstattungsfiktion die materielle Rechtslage hinsichtlich des Eigentums am Grundstück neu gestaltet. Alles, was sich daran anschließt, sind die nicht mehr im materiell-rechtlichen, sondern nur noch im formellen Bereich zu ziehenden Folgerungen aus der dinglich veränderten Rechtslage, wie Grundbuchberichtigung und Freigabe des Grundstücks. Deshalb ist auch der Zeitpunkt der Herausgabe des Grundstücks durch den Treuhänder an den Rückerstattungsberechtigten insoweit ohne Bedeutung. Erfolgt die Herausgabe vor der Rechtskraft der Anordnung der Rückerstattung, so endet die Entziehungsperiode doch erst mit der Rechtskraft (vgl. BFH-Entscheidung III 51/63 U vom 24. Januar 1964, BFH 78, 510, BStBl III 1964, 195). Die Erteilung eines Teilrechtskraftattests ist nur eine formale Folgerung aus dem Eintritt der Rechtskraft der Rückerstattungsentscheidung und hat keinen Einfluß mehr auf die bereits mit dem Eintritt der Rechtskraft erfolgte dingliche Neugestaltung der Rechtsverhältnisse am rückerstattungsbefangen gewesenen Grundstück. Die Erteilung des Zeugnisses setzt vielmehr den Eintritt der Rechtskraft und die damit kraft gesetzlicher Fiktion bereits erfolgte Rückerstattung und demzufolge auch die Beendigung der Entziehungsperiode begrifflich voraus. Wurde ein Teilrechtskraftzeugnis aufgrund der früheren unrichtigen Rechtsprechung des Kammergerichts nicht sogleich nach Eintritt der Teilrechtskraft der Rückerstattungsentscheidung erteilt, so konnte dies zwar zu Verzögerungen bei der Grundbuchberichtigung und zu daraus sich ergebenden Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten führen; es änderte aber nichts an der allein entscheidenden Tatsache der bereits eingetretenen dinglichen Rechtsneugestaltung und damit an der Beendigung der Entziehungsperiode. Auch im Streitfall ist hiernach die Entziehungsperiode mit dem Eintritt der Teilrechtskraft der Rückerstattungsentscheidung beendet, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß das Teilrechtskraftattest erst später erteilt worden ist.
Die Sache ist nicht spruchreif. Die Vorentscheidung enthält keine Feststellung darüber, in welchem Zeitpunkt die gerichtliche Anordnung der Rückerstattung des Grundstücks in Rechtskraft erwachsen ist. Die Prozeßbeteiligten haben unterschiedliche Daten vorgetragen. In der Wiedergabe des Parteivortrags der Vorentscheidung ist der 21. Juli 1952 genannt, während der Rechtsanwalt vom 21. Juni 1952 spricht und das LFA unter Zugrundelegung einer Rechtsmittelfrist von nur einem Monat die Teilrechtskraft als am 21. April 1952 eingetreten bezeichnet. Die Frage, welche Rechtsmittelfristen bei der gerichtlichen Anordnung der Rückerstattung hinsichtlich des Grundstücks im Streitfall in Betracht kamen, hing auch davon ab, in welchem Sektor das Grundstück liegt. Das FG wird hiernach über den Eintritt der Teilrechtskraft der Anordnung über die Rückerstattung des Grundstücks und damit über das Ende der Entziehungsperiode noch zu befinden haben.
Wie der erkennende Senat im Urteil III 60/64 vom 22. August 1968 (BFH 93, 495, BStBl II 1968, 808) entschieden hat, kann der Zinsanteil der nach dem Ende der Entziehungsperiode nächstfälligen HGA-Leistungen nicht für einen Zeitraum erhoben werden, der vor dem Ende der Entziehungsperiode liegt. Das FG wird diese Rechtsprechung bei seiner erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 69013 |
BStBl II 1970, 499 |
BFHE 1970, 56 |