Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Vergleiche fallen unter die Steuerbefreiung des Art. 77 Abs. 1 des britischen Rückerstattungsgesetzes (= Art. 91 Abs. 1 des amerikanischen Rückerstattungsgesetzes) nur, wenn die vereinbarte Regelung im Gesetz als Maßnahme der Rückerstattung vorgesehen ist.

 

Normenkette

AmerikREG 91/1; KVStG § 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer Kapitalgesellschaft, hier einer GmbH, der Gesellschaftsteuer unterliegt.

Im Jahre 1938 hat die Firma A. in M. im Arisierungsverfahren den Betrieb einer KG in N. mit Ausnahme des Grundvermögens erworben. Im Jahre 1946 ist die Firma A. in eine GmbH umgewandelt. Der von der KG erworbene Betrieb ist als Zweigbetrieb der GmbH mit eigener Bilanz weitergeführt.

Die früheren Gesellschafter der KG bzw. deren Erben machten Rückerstattungsansprüche gegen die GmbH geltend. Zwischen Rückerstattungsberechtigten und -verpflichteten wurde im Wege der gütlichen Einigung vor dem Wiedergutmachungsamt eine Vereinbarung geschlossen, nach dem der bisherige Zweigbetrieb verselbständigt und als GmbH weitergeführt werden sollte. Den Berechtigten sollten insgesamt 45 % des Vermögens, das im Geschäft in N. vorhanden war, übertragen werden. Zur Fortführung der Geschäfte sollte eine GmbH gegründet werden, in die Rückerstattungsberechtigte und -verpflichtete ihre Beteiligung am Vermögen einzubringen hatten.

Das Finanzamt hat von der hiernach neu gegründeten GmbH zunächst Gesellschaftsteuer nur für den Anteil der Rückerstattungsverpflichteten am Gesellschaftskapital festgesetzt. Durch Gesellschaftsteuerbescheid vom 18. November 1951 hat es die Steuer für den gesamten Wert des Vermögens in Anspruch genommen.

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) macht geltend, der Vergleich müsse in seinem ganzen Umfang einschließlich des Gründungsvorgangs der GmbH die Steuerfreiheit des Art. 77 des britischen Rückerstattungsgesetzes genießen. Das Gesetz erkenne Vergleiche ebenfalls als Rückerstattung an.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungberufung blieb erfolglos. Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) kann keinen Erfolg haben.

Nach Art. 77 Abs. 1 des britischen Rückerstattungsgesetzes werden Steuern, darunter auch die Gesellschaftsteuer, "aus Anlaß der Rückerstattung" nicht erhoben. Die Rückerstattung im Sinne dieser Vorschrift des Rückerstattungsgesetzes kann nur die in diesem Gesetz behandelte Rückerstattung sein. Dementsprechend hat bereits der Oberste Finanzgerichtshof in dem (einen von den Wiedergutmachungsbehörden gebilligten Vergleich betreffenden) Urteil II 7/50 S vom 21. März 1950 (Slg. Bd. 54 S. 442, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay.FMBl. - S. 237, Steuerrechtskartei, Grunderwerbsteuergesetz § 1 Rechtsspruch 4) ausgesprochen, der Umfang der Steuerbefreiung bestimme sich nach der den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Rückerstattung im einzelnen Fall. Hieran wird festgehalten. Das bedeutet, daß die Befreiungsvorschrift nur anwendbar ist, sofern die Beteiligten Maßnahmen vereinbaren, die im Gesetz als Rückerstattung oder als deren Ersatz vorgesehen sind und deshalb von den Wiedergutmachungsbehörden angeordnet werden könnten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 59/51 S vom 15. Juni 1951, Slg. Bd. 55 S. 364, Bundessteuerblatt III S. 143 letzter Abs., Bay.FMBl. S. 383).

Als Maßnahmen der Rückerstattung kommen nach dem Gesetz insbesondere in Betracht: Die Rückgabe des entzogenen Vermögensgegenstandes, Herausgabe von Nutzungen, Leistung von Nachzahlungen, Gewährung von Ersatzleistungen und die Einräumung von Beteiligungsverhältnissen. Die Errichtung einer GmbH ist für die Rückerstattung auf Grund des Entziehungstatbestandes des Streitfalles nicht vorgesehen. Zur Zeit der Entziehung hat eine GmbH nicht bestanden. Deshalb geht die Berufung der Bfin. auf das Urteil des Bundesfinanzhofs II 10/50 U vom 21. März 1950 (Bay. FMBl. S. 150, Steuerrechtskartei, Grunderwerbsteuergesetz § 1 Rechtsspruch 3) fehl, weil in diesem Fall vor der Entziehung eine GmbH bestanden hatte.

Wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, hätte die Wiedergutmachungsbehörde im vorliegenden Falle die Gründung einer neuen GmbH für den entzogenen Betrieb nicht anordnen können. Es hätte die Rückgabe der entzogenen Vermögensgegenstände, allenfalls eine Beteiligung an der rückerstattungspflichtigen GmbH angeordnet werden können.

Aus den Darlegungen der Bfin. in den Vorinstanzen und in der Rb. ergibt sich, daß die Schaffung der GmbH für den entzogenen Teilbetrieb eine aus persönlichen Gründen, nämlich zur Ausschaltung schädlichen Wettbewerbs zwischen dem alten und neuen Unternehmen, gestaltete Neuordnung der Verhältnisse darstellt, die mit dem Wiedergutmachungsvorgang äußerlich verknüpft ist, mit ihm aber nicht ursächlich zusammenhängt. Der Umstand, daß die Regelung zweckmäßig oder aus wirtschaftlichen Gründen geboten erscheint, sowie die Behauptung der Bfin., die Rückerstattungsberechtigten erhielten infolge der vergleichsweisen Regelung wertmäßig weniger, als sie nach dem Gesetz hätten beanspruchen können, müssen als Beweggründe für die gewählte Neugestaltung der Verhältnisse bei der rechtlichen Würdigung ausscheiden.

Das Finanzgericht hat daher mit Recht die Anwendung der Befreiungsvorschrift des Art. 77 des britischen Rückerstattungsgesetzes auf den Erwerb der Gesellschaftsrechte an der neu gegründeten GmbH abgelehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407694

BStBl III 1953, 225

BFHE 1954, 587

BFHE 57, 587

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