Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff des Vermögensschadens
2. Zum Entgelt gehört auch, was der Leistungsempfänger oder ein Dritter dem Unternehmer als Ersatz für den Ausfall der Gegenleistung einer Lieferung oder sonstigen Leistung gewährt.
Normenkette
UStG 1951 § 5 Abs. 1; UStDB 1951 § 10
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) verpflichtete sich im Vertrag vom 15. Oktober/9. November 1959 (Vertrag) gegenüber der Firma X (Verleiher), den Film … herzustellen und übertrug dem Verleiher das „ausschließliche und uneingeschränkte Recht der Verwertung, Aufführung und Vorführung einschließlich aller ihnen zugrunde liegenden Urheberrechte … für die Bundesrepublik Deutschland (außer Saarland), alle Sektoren Berlins und die Ostzone … für die Dauer bis 21. Mai 1966 (Monopolzeit)”. Dem Verleiher sollten nach dem Vertrag in dieser Zeit aus den um die Umsatzsteuer verminderten Bruttoverleiheinnahmen durchgehend 25 % zur Deckung seiner Verleihspesen verbleiben. Von den übrigen 75 % konnte er die im einzelnen bezeichneten und von ihm zu tragenden Unkosten abdecken. Den Rest der Verleiheinnahmen hatte er als „Produzentenanteil” an die Steuerpflichtige abzuführen. Der Verleiher garantierte außerdem den Produzentenanteil mit 75 % der gemeinsam abgestimmten Herstellungskosten, jedoch höchstens mit … DM, und hatte „à conto dieser Garantie” den genannten Betrag schon während der Drehzeit teils in bar, teils in Wechselakzepten an die Steuerpflichtige zu leisten.
Nach Nr. 21 des Vertrags war die Steuerpflichtige berechtigt, den Vertrag zu kündigen, u. a. wenn die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Verleihers mangels Masse abgelehnt wird. Für den Fall der Ausübung des Kündigungsrechts war u. a. vereinbart, daß der Verleiher die Filmkopien und alle dazu gehörigen Materialien an den Produzenten herauszugeben hat, daß alle Geldforderungen aus der Vermietung des Films „in Höhe ihres jeweiligen Anteils” auf die Produzenten übergehen, daß die Ansprüche aus den Mietverträgen an die Produzenten abgetreten sind und daß die Produzenten den Film sofort weiter auswerten lassen und dabei dem Verleiher eine Vergütung von 8 % aus den weiteren Einnahmen sicherzustellen haben. Außerdem heißt es in diesem Zusammenhang unter Nr. 21 B, e:
„Soweit im Falle der Vertragsbeendigung der Verleiher noch Vorleistungen getätigt hat, die aus den Anteilen der Produzenten an den Einspielergebnissen nicht abgedeckt sind, sind diese Vorleistungen an den Verleiher zurückzuerstatten, sobald den Produzenten, sei es aus dem bisherigen oder dem neuen Verleihvertrag, die vertraglich vereinbarte Garantiesumme zugeflossen ist.”
Der Verleiher zahlte im Jahre 1960 die Garantiesumme, die Steuerpflichtige stellte den Film her und überließ dem Verleiher die Auswertung. Im Jahre 1962 kam es aber unter der oben erwähnten vertraglichen Voraussetzung zur Kündigung des Vertrags. Zu diesem Zeitpunkt war die Verleihergarantie in Höhe von etwa einem Drittel noch nicht aus den Verleiheinnahmen abgedeckt.
In den Umsatzsteuererklärungen 1960 bis 1962 meldete die Steuerpflichtige nur die auf die Garantiezahlung verrechneten Produzentenanteile als Entgelt und unterließ es, für den Veranlagungszeitraum 1960 die vereinnahmte Garantiesumme anzugeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) dagegen behandelte die Garantiezahlung im Jahre 1960 als Vorauszahlung des Entgelts für die Übertragung der Aufführungsrechte und ließ die Verrechnung der Produzentenanteile außer Betracht. Er setzte deshalb die Umsatzsteuer für 1960 auf … DM und für die Veranlagungszeiträume 1961 und 1962 auf 0 DM fest.
Die Steuerpflichtige legte gegen den Umsatzsteuerbescheid 1962 Einspruch ein und beantragte eine Umsatzsteuererstattung von … DM, nämlich 4 v. H. aus dem erwähnten Drittel, mit dem das Einspielergebnis hinter der gezahlten Garantiesumme zurückgeblieben war. Sie trug dazu vor: Sie habe im Jahre 1962 keine Entgelte zu versteuern gehabt. Sie habe aber gemäß § 21 Buchstabe B, e nach der Kündigung des Vertrags den Differenzbetrag zwischen dem Einspielergebnis und der Garantiezahlung an den Verleiher geschuldet. Andererseits sei der Verleiher ihr gegenüber zum Schadensersatz wegen der von ihm zu vertretenden Störung der Filmauswertung verpflichtet gewesen. Diese Ansprüche seien gegeneinander aufgerechnet worden. Es liege also eine teilweise Rückzahlung des im Jahre 1960 vereinnahmten Entgelts vor. Daraus ergebe sich gemäß § 12 UStG, § 64 UStDB 1951 der geltend gemachte Erstattungsanspruch. Dem aufgerechneten Schadensersatz entspreche keine Gegenleistung; der Betrag in gleicher Höhe komme daher für die Berechnung der Umsatzsteuer nicht in Betracht.
Das FA wies den Einspruch zurück. Die hierauf erhobene Anfechtungsklage hat das Finanzgericht (FG) ebenfalls als unbegründet abgewiesen, Diese Entscheidung beruht auf folgenden Erwägungen: Nach § 12 UStG und § 64 UStDB 1951 entstehe ein Erstattungsanspruch, wenn der Unternehmer, bei dem im Veranlagungszeitraum keine Steuerschuld entstanden sei, Entgelte aus früheren Veranlagungszeiträumen zurückgewährt habe. Die Steuerpflichtige habe zwar im Veranlagungszeitraum 1962 keine Entgelte zu versteuern gehabt, habe aber abweichend von ihrer Klagebegründung keine früher vereinnahmten Entgelte an den Verleiher zurückgewährt, denn sie sei dazu nach dem Vertrag nicht verpflichtet gewesen. Die gezahlte Verleihgarantie habe nach dem Vertrag dem Produzenten in jedem Falle verbleiben sollen. Diese Auffassung werde von der Steuerpflichtigen selbst vertreten für den Fall, daß bei fortdauerndem Vertragsverhältnis die Garantiesumme nicht eingespielt werde. Im Gegensatz zur Auflassung der Steuerpflichtigen besage aber auch die Nr. 21 Buchstabe B, e des Vertrags nichts anderes. Gemäß dieser Bestimmung sei allerdings auch nach vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses die vom Verleiher zur Finanzierung gewährte Garantie zurückzuzahlen gewesen, aber nur dann, wenn dem Steuerpflichtigen „aus dem bisherigen oder dem neuen Verleihvertrag” Erträgnisse in Höhe dieser Garantiezahlung zugeflossen wären. Im übrigen wäre es, wenn wirklich durch die Kündigung die Pflicht zur Rückzahlung des nicht eingespielten Differenzbetrags ausgelöst worden wäre (während eine solche Pflicht bei Unterlassung der Vertragsauflösung nicht zur Entstehung gelangt wäre), diese dem freien Belieben der Steuerpflichtigen überlassene Willenserklärung vernünftigerweise nicht zu begreifen. Dies gelte um so mehr, als es für die Steuerpflichtige nach ihrem eigenen Vorbringen schon damals festgestanden habe, daß nach dem Wechsel eines Verleihers kaum mehr Verleiheinnahmen zu erzielen seien. Der Verleiher habe auch keinen Rückzahlungsanspruch geltend gemacht. Schließlich habe die Steuerpflichtige auch keine Garantien durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch zurückgewährt, weil mangels eines nachweisbaren Verschuldens des Verleihers ein Schadensersatzanspruch nicht zur Entstehung gekommen sei.
Gegen diese Entscheidung hat die Steuerpflichtige Revision eingelegt und dazu ausgeführt: Das FG habe die Nr. 21 Buchstabe B, e des Vertrags irrig ausgelegt. Sie sei noch dieser Bestimmung verpflichtet gewesen, nach der Kündigung den noch nicht eingespielten Teil der Verleihergarantie zurückzuzahlen, weil ihr dieser Betrag zur Finanzierung der Herstellungskosten bereits zugeflossen gewesen sei. Zurückzuweisen sei die Vertragsauslegung mit Hilfe von Formulierungen aus anderen Verleihverträgen. Wenn sie sich durch die Kündigung selbst mit der Rückzahlungspflicht belastet habe, so sei diese Maßnahme entgegen der Auffassung des FG doch nicht unvernünftig gewesen, weil sie zugleich die Schadensersatzpflicht des Verleihers ausgelöst habe. Irrig sei auch die Meinung des FG, daß kein Schadensersatzanspruch gegeben gewesen sei. Der Verleiher habe vielmehr nach den maßgebenden bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen seine Mittellosigkeit, die sein Unvermögen zur weiteren Vertragserfüllung (Auswertung der Filme) verursacht habe, zu vertreten und deshalb Schadensersatz zu leisten gehabt (§§ 275, 325 BGB).
Der Senat hat über die Revision mündlich verhandelt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die zur Finanzierung der Filmherstellung vom Verleiher überwiesenen oder durch Wechsel bei deren Hinlösung verschafften Beträge (Garantiezahlungen) als Entgelte für die künftige Duldung der Filmauswertung durch den Verleiher zu beurteilen sind. Diese Rechtsauffassung steht in Übereinstimmung mit dem Vertrag vom 5. Oktober/9. November 1959 und wird auch von der Steuerpflichtigen in dieser Sache nicht ausdrücklich angezweifelt. Der Senat hat die Frage der Entgelteigenschaft der Garantiezahlungen im Rechtsstreit der Firma …, die an der Steuerpflichtigen beteiligt ist und die vom selben Prozeßbevollmächtigten vertreten wird, anhand eines insoweit ähnlichen Vertrags mit eingehender Begründung bejaht (Urteil vom heutigen Tage V R 42/67, BFH 102, 322). Diese Entscheidung wird dem Prozeßbevollmächtigten und dem FA gleichzeitig mit dem vorliegenden Urteil zugestellt. Es genügt, auf die dortigen Rechtsausführungen zu verweisen.
Wenn die Garantie im Veranlagungszeitraum 1962 den Ausführungen der Steuerpflichtigen entsprechend teilweise zurückbezahlt worden wäre, wäre der auf die Festsetzung eines Steuererstattungsbetrags von … DM gerichtete Klageantrag gemäß § 12 UStG, § 64 UStDB 1951 allerdings gerechtfertigt. Zur Klärung der Frage, ob – entsprechend den Behauptungen der Steuerpflichtigen – ein solcher Teilbetrag tatsächlich zurückbezahlt wurde, konnte aber die vom FG durchgeführte Prüfung der obligatorischen Verhältnisse zwischen den Vertragsparteien nur ein Mittel sein, mit Hilfe dessen Schlußfolgerungen auf die tatsächlich vorgenommenen Rechtshandlungen möglich waren. Solche Folgerungen hat das FG nicht gezogen. Seine Meinung, eine Aufrechnung und damit eine Entgeltrückzahlung könne nicht bewirkt worden sein, weil nach richtiger Auslegung der Nr. 21 Buchstabe B, e des Vertrags eine Verpflichtung zur Rückgewähr der Garantie nicht bestanden habe und weil auch für die Schadensersatzforderung gegen den Verleiher die rechtlichen Voraussetzungen gefehlt hätten, ist irrig. Die Aufrechnung ist zwar nach § 387 BGB ausgeschlossen, wenn die Forderung des Aufrechnenden oder die Gegenforderung nicht besteht. Die Steuerpflichtige hat aber unter Beweisantritt vorgetragen, sie sei sich mit dem Vertragsgegner (Verleiher) über den Bestand beider Forderungen einig gewesen. Diese Einigung konnte, auch wenn – soweit die Rückzahlungspflicht in Frage stand – der Vertrag nach richtiger Auslegung dazu keinen Anlaß bot und – soweit es sich um die Schadensersatzforderung handelte – die Einigung nicht an allgemeinen Rechtsnonnen ausgerichtet gewesen sein sollte, als eine Neubegründung von Forderungen, als gegenseitiges Schuldanerkenntnis oder als Aufrechnungsvertrag aufzufassen sein. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Aufrechnung bewirkt worden war, wären daher Feststellungen des FG darüber erforderlich gewesen, ob die Behauptung der erwähnten Einigung wahr ist und ob die Steuerpflichtige eine Erklärung abgegeben hat, die von ihr als Aufrechnung zur Rückzahlung eines Teils der Garantie gewollt war und vom Verleiher als solche verstanden wurde. In den Urteilsausführungen sind allerdings gewisse Aussagen über das tatsächliche Handeln der Steuerpflichtigen enthalten. Diese weisen zwar darauf hin, daß das FG zu der Auffassung hinneigte, die Steuerpflichtige habe entgegen ihren Darlegungen im Prozeß eine Entgeltrückgewähr weder durch Zahlung noch durch Aufrechnung leisten wollen. Der Senat hält diese Ausführungen aber als Grundlage einer Rechtsentscheidung für nicht genügend bestimmt. Diesen Fragen braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden.
Nach der Rechtsauffassung des Senats kommt es nämlich auf die Gesichtspunkte, die das FG für entscheidungserheblich gehalten hat, nicht an. Das FG hätte die Klage vielmehr schon deshalb abweisen müssen, weil sie nicht schlüssig ist, weil also nach den tatsächlichen Behauptungen, die die Steuerpflichtige selbst zur Begründung ihres Anspruchs vorgetragen hat oder durch Vorlage des Vertrags zur Kenntnis gebracht hat, eine Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid nicht dargelegt wird.
Nach dem mit der Klage vorgelegten Vertrag war die Garantiezahlung des Verleihers das einzige Entgelt für die Duldung der Filmauswertung bis zum Zeitpunkt der Gewinnphase, d. h. bis zur Abdeckung der Herstellungskosten des Verleihers. Diese Auffassung ergibt sich aus Nrn. 10, 13 des Vertrages, wonach der sogenannte Produzentenanteil, d. h. der Betrag, der dem Produzenten aus den jeweiligen Einspielergebnissen zu überweisen war, sofort und ausschließlich zur Abdeckung der Wechselschulden des Verleihers zu dienen hatte. Zur Zeit der Kündigung jedenfalls hat die Steuerpflichtige keinen Anspruch auf weitere Zahlungen des Verleihers aus den Einspielerlösen. Ohne die Kündigung hätte diese Lage noch weiterbestanden, bis ein Betrag eingespielt gewesen wäre, aus dem vertragsgemäß ein Produzentenanteil in Höhe des erwähnten ….. der Garantiesumme abzuführen gewesen wäre. Wenn die Steuerpflichtige im Klagevorbringen behauptet, der Vermögensverfall des Verleihers habe bei ihr einen Schaden in Höhe dieses Betrags zur Folge gehabt, so kann es sich dabei also nicht etwa um den Verlust der Zahlungen des Verleihers auf den Produzentenanteil handeln, denn diese Zahlungen hätten sich, wie eben ausgeführt, für ihr Vermögen nicht ausgewirkt.
Fundstellen
Haufe-Index 514876 |
BFHE 1971, 327 |