Leitsatz (amtlich)
Wird ein Pflichtteilsanspruch von dem Erben in Teilzahlungen erfüllt, so ist eine Aufteilung der einzelnen Raten durch Abzinsung in einen Zins- und einen Tilgungsanteil und der Abzug der so ermittelten Zinsen als Sonderausgaben bei der Einkommensteuerveranlagung des Erben nicht zulässig. Das gilt auch, wenn die Höhe des Pflichtteilsanspruchs erst in einem gerichtlichen Vergleich zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten bestimmt und dem Erben eine Tilgung der Kapitalforderung in Teilbeträgen eingeräumt wird, ohne daß dabei eine Verzinsung vereinbart würde.
Normenkette
EStG 1965/1967 § 10 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die zu dem Verfahren beigeladene Ehefrau des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist Miterbin mit einem Anteil von 51 v. H. nach dem verstorbenen X.
Die Erbengemeinschaft hatte einen Pflichtteilsanspruch zu erfüllen und zahlte an die Berechtigte Y bis zum 27. November 1962 in drei Raten einen Betrag von 1 200 000 DM. Da die Beteiligten sich über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs nicht einigen konnten, erhob Y im Jahre 1963 Klage und machte im Lauf des Verfahrens eine Forderung von insgesamt 1 146 453,08 DM geltend. In diesem Betrag sollen Zinsen von 42 559,20 DM für die Zeit vom 16. April 1961 bis 27. November 1962 enthalten gewesen sein. Der Prozeß wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 10. Mai 1965 beendet. Darin verpflichteten sich die Erben weitere 600 000 DM in vier Raten zu zahlen. Dadurch wurden insbesondere abgegolten der „Pflichtteilsanspruch bzw. Ansprüche jeder Art gegen den Nachlaß auf Ableben des X, seine Erben und die Testamentsvollstrecker”.
Der Kläger ging bei den Einkommensteuererklärungen 1965 bis 1968 der Eheleute davon aus, daß in dem Gesamtbetrag von 1 800 000 DM auch ein Zinsanteil enthalten sei. Diesen berechnete er mit 5,5 v. H., nämlich 226 430 DM, und begehrte für die auf die Beigeladene entfallenden Anteile von insgesamt 115 479 DM den Sonderausgabenabzug. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –), der diesem Antrag bei den vorläufigen Veranlagungen der Streitjahre gefolgt war, lehnte mit den nach einer Betriebsprüfung ergangenen endgültigen Bescheiden die Berücksichtigung der Zinsen ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FA erließ im Lauf des Klageverfahrens zur Erledigung eines anderen Streitpunktes die berichtigten Bescheide vom 7. Dezember 1973, die der Kläger nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat.
Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus: Es sei nicht erwiesen, daß die Beigeladene Schuldzinsen bezahlt habe. In den freiwillig bezahlten Beträgen von insgesamt 1 200 000 DM seien offensichtlich keine Zinsen enthalten gewesen. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden daß die Erben insoweit in Schuldnerverzug gekommen seien und später Zinsen hätten nachzahlen müssen. Aus dem Vergleich sei nicht zu entnehmen, daß Zinsen gezahlt worden seien. Die Pflichtteilsberechtigte habe zwar Zinsen eingeklagt. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, daß sie im Vergleich nicht nur auf einen Teil ihrer Hauptforderung, sondern auch auf die gesamten Zinsen verzichtet habe, daß sie erheblich weniger als den eingeklagten Restbetrag erhalten habe. Zudem habe sie die Kapitalforderung steuerfrei vereinnahmen können, während sie die Zinseinkünfte hätte versteuern müssen. Die steuerlichen Interessen der Erben dürften zwar entgegengesetzt gewesen sein. Aus dem Vergleich ergebe sich aber nicht, welche Partei ihr Interesse verwirklicht habe. Die Formulierung, daß Ansprüche jeder Art abgegolten seien, sei kein ausreichender Beweis dafür, daß die Erben auch den Zinsanspruch wenigstens zum Teil tatsächlich erfüllt hätten. Dagegen spreche vielmehr, daß in dem in anderen Punkten sehr ausführlichen Vergleich, an dem ein Wirtschaftsprüfer, ein Rechtsanwalt und ein Notar beteiligt und die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten gewesen seien, der Zinsanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach erwähnt sei und daß für die in vier Raten zu zahlende Vergleichssumme auch keine Zinsen vereinbart worden seien, obwohl der letzte Teilbetrag erst drei Jahre später zu entrichten gewesen sei. Zudem habe der Prozeßbevollmächtigte der Pflichtteilsberechtigten in seinen Schreiben an das FA eindeutig ausgeführt, daß in dem Vergleichsbetrag keine Zinsen enthalten seien. Es könne auch nicht aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise davon ausgegangen werden, daß in allen Zahlungen der Erben oder auch nur in dem Vergleichsbetrag Zinsanteile enthalten gewesen seien. Auch wenn bei Geschäfts- oder Grundstücksveräußerungen der Kaufpreis unterschiedlich kalkuliert werde, je nachdem, ob Bar- oder Ratenzahlung vereinbart sei, folge daraus nicht, daß auch eine Pflichtteilsschuld immer verzinst werden müsse, insbesondere wenn der Beteiligte bei einem Vergleich über den Ungewissen Pflichtteilsanspruch erheblich weniger erhalte, als er beansprucht habe.
Mit der Revision begehren der Kläger und die Beigeladene weiterhin, bei ihren Einkommensteuerzusammenveranlagungen 1965 bis 1968 Schuldzinsen von insgesamt 115 479 DM als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Sie tragen vor: Der Pflichtteilsanspruch sei mit dem Tod des Erblassers entstanden und fällig geworden. Da er nicht sofort, sondern in Raten ohne besondere weitere Zinszahlung entrichtet worden sei, sei der Anspruch am 15. April 1961 nicht 1 800 000 DM wert gewesen, sondern nur den um Zinsen verminderten Betrag. Dementsprechend habe das FA bei der Erbschaftsteuerveranlagung nur den Nettobetrag der Erbschaftsteuer unterworfen. Es sei nicht möglich, für die Erbschaftsteuer eine Abzinsung vorzunehmen und für die Einkommensteuer die Verzinsung zu leugnen. Da das FG trotz eines Hinweises in der mündlichen Verhandlung die erbschaftsteuerliche Behandlung nicht gewürdigt habe, liege insoweit ein Verfahrensmangel vor. Die diesbezüglichen Äußerungen des Prozeßbevollmächtigten der Y seien widersprüchlich und könnten nicht als Beweis für die Behauptung angeführt werden, daß in den Ratenzahlungen keine Zinsen enthalten seien. Das Gegenteil werde durch das Vorgehen der Y im Verfahren vor dem Landgericht bestätigt. Im übrigen sei es ein in Rechtsprechung und Literatur bestätigter Grundsalz, daß Ratenzahlungen in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Schuldzinsen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (in der bis zum 31. Dezember 1973 gültigen Fassung) sind alle Leistungen in Geld oder Geldeswert, die ein Schuldner für die Überlassung (Nutzung) von Kapital an den Gläubiger zu erbringen hat und die nicht zur Tilgung des Kapitals bestimmt sind (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10 EStG Anm. 28 und § 9 EStG Anm. 16 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs – RFH – und Bundesfinanzhofs – BFH –). Darüber fallen insbesondere die auf vertraglicher Vereinbarung (Darlehensvertrag, § 607 BGB) beruhenden Entgeltzahlungen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1973 VI R 379/70, BFHE 110, 336, BStBl II 1973, 868).
Ob eine Zahlung als Entgelt für die Kapitalnutzung oder als Kapitalrückzahlung anzusehen ist, hängt von den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls ab. Das FG hat im Streitfall festgestellt, daß die Erben nur Ratenzahlungen zur Tilgung der Hauptforderung, nämlich des Pflichtteilsanspruchs, jedoch keine Zinszahlungen geleistet haben. Zu dieser Feststellung gelangte das FG aufgrund der von ihm als Tatsachengericht vorzunehmenden Würdigung des zwischen den Erben und der Pflichtteilsberechtigten über den Pflichtteilsanspruch abgeschlossenen Prozeßvergleichs. Der Senat ist nach § 118 Abs. 2 FGO an diese tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden, da das FG bei der Würdigung des Vergleichsinhalts nicht gegen die Denkgesetze, Auslegungsgrundsätze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.
Die gegen die Feststellungen des FG gerichteten Einwendungen des Klägers sind nicht begründet. Der Vergleich enthält keine ausdrückliche Zinsvereinbarung. Aus der allgemeingehaltenen Klausel, daß mit der vereinbarten Zahlung außer dem geltend gemachten Pflichtteilsanspruch „Ansprüche jeder Art” der Pflichtteilsberechtigten im Zusammenhang mit dem Erbfall abgegolten seien, folgt nicht zwingend, daß in der Vergleichssumme auch ein Zinsanteil enthalten wäre. Auch die sonstigen erkennbaren Umstände sprechen nicht dafür. Das FG konnte vielmehr daraus, daß die Pflichtteilsberechtigte im Vergleich bei weitem nicht den Betrag der eingeklagten Hauptforderung erhalten hat, schließen, daß sie auf Zinsen überhaupt verzichtet hat. Die dieser Würdigung zugrunde liegende Annahme, daß ein Gläubiger bei Vergleichsverhandlungen zuerst auf Nebenforderungen und zuletzt auf seine Hauptforderung ganz oder teilweise verzichtet, widerspricht nicht der Lebenserfahrung. Auch ist nicht zu beanstanden, daß das FG in diesem Zusammenhang die Äußerungen des Prozeßbevollmächtigten der Pflichtteilsberechtigten in seine Würdigung einbezogen hat. Wie aus den Entscheidungsgründen deutlich hervorgeht, war diese Stellungnahme nicht ausschlaggebend für das von dem FG gewonnene Ergebnis, sondern diente nur zur Aufhellung der in dem Vergleich niedergelegten Vereinbarungen. Das FG hat dabei zu Recht dem Umstand Bedeutung beigemessen, daß in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Prozeßbevollmächtigten in dem Vergleich ein Zinsanspruch weder dem Grund noch der Höhe nach erwähnt ist und daß auch für die in vier Raten zu zahlende Vergleichssumme keine Zinsen vereinbart wurden, obwohl der letzte Teilbetrag erst drei Jahre später zu entrichten war.
Eine Aufteilung der Ratenzahlungen in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil durch Abzinsung nach bewertungsrechtlichen Gesichtspunkten kommt nicht in Betracht. Der VIII. Senat des BFH hat zwar mit Urteil vom 25. Juni 1974 VIII R 163/71 (BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431) entschieden, daß Kaufpreisraten nach den Vorschriften des BewG abzuzinsen und die Zinsanteile bei dem Empfänger der Einkommensteuer zu unterwerfen seien, auch wenn die Vertragsparteien eine Verzinsung ausdrücklich ausgeschlossen haben. Folgerichtig mußten diese Zinsanteile bei dem Geber als Schuldzinsen abzugsfähig sein. Diese Entscheidung beruht auf der Erwägung, daß eine unverzinsliche Kapitalforderung, auch wenn sie zum Privatvermögen gehört, bei hinausgeschobener Fälligkeit wegen der im BewG vorgeschriebenen Abzinsung (8 12 Abs. 3 BewG 1965 bzw. § 14 Abs. 3 BewG 1934) zu einer Einkunftsquelle i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG wird.
Der Senat läßt es dahingestellt, ob er dieser Auffassung folgen könnte. Im Streitfall kommt es darauf nicht an. Hier geht es nicht um einen Kaufpreisanspruch, der in Vertragsverhandlungen unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte, insbesondere des Werts der Gegenleistung sowie der Art und Weise der Zahlung ausgehandelt worden ist, sondern um einen einseitigen Pflichtteilsanspruch. Dessen Höhe hängt grundsätzlich nicht von Verhandlungen der Beteiligten ab, sondern richtet sich nach dem im Zeitpunkt seines Entstehens mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) objektiv vorhandenen Wert des gesetzlichen Erbteils des Pflichtteilsberechtigten (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Im Einzelfall geht es nur darum, diesen Wert festzustellen. Dieser Feststellung diente im Streitfall der zwischen den Erben und der Pflichtteilsberechtigten abgeschlossene Prozeßvergleich. Durch diesen wurde nachträglich der gesetzlich festgelegte Umfang des Pflichtteils, nämlich die der Pflichtteilsberechtigten im Zeltpunkt des Erbfalls zustehende Geldforderung, unter den Beteiligten klargestellt. Der von den Beteiligten festgelegte Betrag von 1 800 000 DM betrifft nach den auch in diesem Zusammenhang zugrunde zu legenden Feststellungen des FG nur den eigentlichen Pflichtteilsanspruch ohne Nebenforderungen und ist deshalb, bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls, von dem an eine Verzinsung frühestens in Betracht kommen könnte, der – nachträglich ermittelte – Barwert des Pflichtteils, über den Barwert der Kapitalforderung hinausgehende weitere Zahlungen, die als Schuldzinsen behandelt werden könnten, haben die Erben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht erbracht.
Mit der erbschaftsteuerlichen Behandlung des Pflichtteilsanspruchs brauchte sich das FG nicht zu befassen. Mit welchem Wertansatz ein Pflichtteilsanspruch der Erbschaftsteuer zu unterwerfen ist, richtet sich allein nach den einschlägigen Vorschriften des ErbStG. Soweit danach eine Abzinsung vorgeschrieben ist, gilt dies nur für die Erhebung der Erbschaftsteuer und hat keinen Einfluß auf die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der Pflichtteilszahlung bei dem Erben oder dem Pflichtteilsberechtigten.
Fundstellen
Haufe-Index 510637 |
BFHE 1978, 303 |