Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung; Allgemeinbildungsvoraussetzungen
Leitsatz (NV)
Der zweijährige Besuch der Fachschule für Wirtschaft und die dort abgelegte Prüfung zum Staatlich geprüften Betriebswirt reichen nicht aus, die die Allgemeinbildung betreffenden Voraussetzunge für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zu erfüllen.
Normenkette
StBerG § 156 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) besuchte die Hauptschule und bestand nach ordnungsmäßiger Lehrzeit im Jahre 1972 die Abschlußprüfung zum Bürokaufmann. Vom 1. April 1973 bis zum 31. März 1975 studierte er an der Fachschule für Wirtschaft in Bremen und bestand die Prüfung als ,,Staatlich geprüfter Betriebswirt". Am 3. Dezember 1975 legte er vor der Handelskammer Bremen die Ausbilderprüfung ab (Nachweis berufs- und arbeitspädagogischer Kenntnisse). In der Zeit vom 1. Juli 1970 bis 31. März 1973 war er als Sachbearbeiter in verschiedenen Firmen und ab Juni 1975 bei verschiedenen Steuerberatern tätig.
Die damals zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) lehnte den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1980 mit der Begründung ab, daß die Ausbildung an der Fachschule für Wirtschaft nicht der einer zweijährigen Handelsschulausbildung entspreche (§ 156 Abs. 2 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes - StBergG -). Sie stützte sich auf eine Auskunft des Senators für Bildung in Bremen vom 26. Juni 1980, wonach die Abschlüsse der Fachschule für Wirtschaft und der Handelsschule nicht vergleichbar seien, weil die Handelsschule in verstärktem Maße Allgemeinbildung vermittle, die Fachschule dagegen mehr Gewicht auf betriebswirtschaftliches Fachwissen lege. Während die Klage des Klägers vor dem Finanzgericht (FG) Erfolg hatte, hob der erkennende Senat durch Urteil vom 17. Februar 1981 VII R 87/80 (BFHE 132, 505, BStBl II 1981, 406) das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Er verneinte, daß der Kläger auf andere Weise Kenntnis auf dem Gebiet der Allgemeinbildung erworben habe, wie sie durch das Zeugnis der mittleren Reife bescheinigt oder bei zweijährigem Besuch einer staatlich anerkannten Handelsschule vermittelt würden. Der Besuch der Fachschule für Wirtschaft und die dort abgelegte Prüfung reiche zum Nachweis der erforderlichen Allgemeinbildung nicht aus.
Mit seinem erneuten Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1983 bei der jetzt zuständigen OFD (Beklagte und Revisionsbeklagte) legte der Kläger ein Schreiben des Senators für Bildung in Bremen vom 15. Februar 1983 vor, in dem es heißt:
,,. . . ich bestätige Ihnen, daß Sie aufgrund Ihrer Vorbildung einen Bildungsstand besitzen, der der Fachschulreife gleichwertig ist. Die Fachschulreife gewährt die gleichen Berechtigungen wie das Abschlußzeugnis der Realschule. Der gleichwertige Bildungsstand wurde nachgewiesen durch . . . ".Es folgen die einzelnen Prüfungszeugnisse und Zeugnisse über die beruflichen Tätigkeiten des Klägers. Die OFD lehnte auch diesen Antrag ab. Die Klage des Klägers blieb erfolglos.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er macht geltend, mit dem Bescheid des Senators für Bildung vom 15. Februar 1983 habe er die für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter erforderliche Allgemeinbildung nachgewiesen. Das FG gehe zu Unrecht davon aus, daß diese Qualifikation stets an die Vorlage eines formellen Zeugnisses der mittleren Reife gebunden sei. Selbst wenn der vorgelegte Bescheid nicht ein Zeugnis der mittleren Reife darstelle oder ersetze,
habe er mit ihm jedenfalls nachgewiesen, daß er sich ,,auf andere Weise entsprechende Kenntnisse" angeeignet habe. Der Senator für Bildung sei nach § 3 Abs. 2 des Bremischen Schulverwaltungsgesetzes (BremSchulVwG) vom 24. Juli 1978 (Bremisches Gesetzblatt 1978, 167) für die Feststellung eines gleichwertigen Bildungsstandes gleichgültig auf welcher Schulstufe ausschließlich zuständig. Seine Feststellung sei für alle Behörden verbindlich. Das bedeute, daß im vorliegenden Falle der OFD eine selbständige Prüfungskompetenz, ob er (der Kläger) die mittlere Reife besitze oder sich auf andere Weise entsprechende Kenntnisse erworben habe, nicht zustehe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des ablehnenden Bescheids der OFD diese zu verpflichten, ihn zur nächsten Steuerbevollmächtigtenprüfung zuzulassen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die OFD beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 156 Abs. 2 StBerG ist ein Bewerber zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter zuzulassen, wenn er bestimmte, die Allgemeinbildung betreffende schulische Voraussetzungen erfüllt (Nr. 1), wenn er weiter eine bestimmte Berufsausbildung abgeschlossen hat, die auch durch den Besuch anerkannter Verwaltungsakademien oder gleichwertiger Lehranstalten ersetzt werden kann (Nr. 2) und wenn er nach der Erfüllung der letzteren Voraussetzung vier Jahre auf dem Gebiet des Steuerwesens hauptberuflich tätig gewesen ist (Nr. 3). Die hier streitige, die Allgemeinbildung betreffende Zulassungsvoraussetzung ist erfüllt, wenn der Bewerber das Zeugnis der mittleren Reife besitzt oder nach zweijährigem Besuch einer staatlich anerkannten Handelsschule oder einer gleichwertigen Anstalt eine Abschlußprüfung bestanden hat oder sich auf andere Weise entsprechende Kenntnisse erworben hat (§ 156 Abs. 2 Nr. 1 StBerG). Nach § 32 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) sind die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen für die Prüfung als Steuerbevollmächtigter durch Zeugnisse nachzuweisen. Streitig ist, ob dies auch dann gilt, wenn der Bewerber keine Schulzeugnisse besitzt und er sich auf den Erwerb entsprechender Kenntnisse auf andere Weise beruft (vgl. hierzu die Urteile des erkennenden Senats vom 8. Februar 1966 VII 255/64, BFHE 84, 496, BStBl III 1966, 180, und in BFHE 132, 505, BStBl II 1981, 406; Gehre, Steuerberatungsgesetz, § 156 Anm. 7; verneinend: Pestalozza, Die Allgemeinbildung des Steuerbevollmächtigten - Rechtsstaatliche Anforderungen an das Berufszulassungsverfahren, Die Steuerberatung 1978, 27 ff.). Der Kläger hat, wie das FG zutreffend entschieden hat, die nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 StBerG für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung erforderliche Allgemeinbildung nicht nachgewiesen.
Der Kläger besitzt nicht das Zeugnis der mittleren Reife. Darunter ist das Abschlußzeugnis einer Realschule, das Versetzungszeugnis in die Oberstufe eines Gymnasiums und ein entsprechender an einer Gesamtschule erworbener Bildungsabschluß zu verstehen (vgl. Gehre, a.a.O., § 156 Anm. 5). Der erkennende Senat hat darüber hinaus die hier maßgebliche Zulassungsvoraussetzung auch dann als nachgewiesen angesehen, wenn der Bewerber nach dem Besuch von sechs Klassen eines Gymnasiums ein Zeugnis vorweist, aus dem sich ausreichende oder bessere Noten in denjenigen Fächern ergeben, die für die Allgemeinbildung (auch nach einem Realschulabschluß) erforderlich sind. Er hat hierfür insbesondere auf die Fächer Deutsch, Mathematik und Geschichte abgestellt und außerdem eine mindestens ausreichende Note in einer Fremdsprache gefordert, während er die nicht ausreichenden Noten in Latein und Griechisch, die im Urteilsfalle der Versetzung in die Oberstufe des Gymnasiums entgegengestanden hatten, als unschädlich angesehen hat (BFHE 102, 192, BStBl II 1971, 501). Derartige Zeugnisse hat der Kläger nicht vorgelegt.
Zwar wird ein formelles Zeugnis der mittleren Reife heute nicht mehr vergeben (vgl. Gehre, a.a.O., § 156 Anm. 5), so daß dessen Vorlage nicht mehr verlangt werden kann. Das dem Kläger von der Fachschule für Wirtschaft erteilte Zeugnis über die Prüfung zum ,,Staatlich geprüften Betriebswirt" reicht aber auch in Verbindung mit dem Bescheid des Senators für Bildung vom 15. Februar 1983 nicht aus, den der mittleren Reife entsprechenden Bildungsstand, wie er im vorstehenden Absatz erläutert worden ist, nachzuweisen. Der Senat hat in seinem vorangegangenen Urteil in BFHE 132, 505, BStBl II 1981, 406 entschieden, daß die an der Fachschule abgelegte Prüfung zum Nachweis der erforderlichen Allgemeinbildung nicht ausreicht. Er hat sich hierfür auf die Feststellungen des FG und die im damaligen Verfahren vorgelegte Auskunft des Senators für Bildung vom 26. Juni 1980 gestützt, wonach die Abschlüsse der Fachschule für Wirtschaft und der Handelsschule nicht vergleichbar sind, weil die Handelsschule in verstärktem Maße Allgemeinbildung vermittelt, während die Fachschule für Wirtschaft mehr Gewicht auf betriebswirtschaftliches Fachwissen legt. Wenn aber im Hinblick auf das Defizit der Allgemeinbildung bei der Fachschule für Wirtschaft deren Abschluß schon nicht dem der Handelsschule entspricht, so ist er erst recht nicht vergleichbar mit den Zeugnissen der allgemeinbildenden Schulen, die nach den vorstehenden Ausführungen die mittlere Reife bescheinigen. Denn an den allgemeinbildenden Schulen (Realschule, Gymnasium, Gesamtschule) werden noch über den bei der Handelsschule bestehenden Umfang hinaus ausschließlich Fächer der Allgemeinbildung gelehrt. Diese Rechtsauffassung entspricht der Auskunft des Senators für Bildung vom 26. Juni 1980, in der es weiter heißt, daß es nicht das Ziel der Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt sei, den mittleren Bildungsabschluß zu vermitteln.
Der im vorliegenden Verfahren vorgelegte Bescheid des Senators für Bildung vom 15. Februar 1983 vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Es kann dahinstehen, ob die Bescheinigung im Hinblick auf § 32 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 DVStB in formeller Hinsicht ausreichen würde, die Vorbildungsvoraussetzungen der mittleren Reife oder des Erwerbs entsprechender Kenntnisse nachzuweisen. Denn sie ist jedenfalls inhaltlich nicht geeignet, diese Vorbildungsvoraussetzungen zu bestätigen. Mit dem Bescheid wird dem Kläger lediglich bescheinigt, daß er aufgrund seiner Vorbildung einen Bildungsstand besitzt, der der Fachschulreife gleichwertig ist und daß die Fachschulreife die gleichen Berechtigungen gewährt, wie das Abschlußzeugnis der Realschule. Der sachliche Inhalt des ersten Teils der Bescheinigung (Fachschulreife) ergibt sich bereits aus dem erfolgreichen Besuch der Fachschule für Wirtschaft, die aber nach den vorstehenden Ausführungen hinsichtlich der Allgemeinbildung der mittleren Reife nicht gleichgestellt ist. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Bestätigung, wonach die Fachschulreife die gleichen Berechtigungen gewährt wie das Abschlußzeugnis der Realschule, bleibt offen, welche ,,Berechtigungen" der Senator für Bildung hierbei im Auge hatte. Es kann sich hierbei nur um solche handeln, deren Feststellung in seine Zuständigkeit als oberste Landesbehörde der inneren Schulverwaltung (vgl. § 3 Abs. 2 und 3 BremSchulVwG) fällt (so z. B. die Gleichstellung des Realschulabschlusses und der Fachschulreife für den Zugang zur 12. Klasse der Fachoberschule gemäß § 4 Abs. 2 der Ordnung für die Fachoberschule der Freien Hansestadt Bremen vom 7. April 1970 - Schulbl. 372/1 -). Über die Frage, ob die die Allgemeinbildung betreffenden Zulassungsvoraussetzungen des § 156 Abs. 2 Nr. 1 StBerG vorliegen und der Bewerber zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter zuzulassen ist, hat allein der bei der OFD zu bildende Zulassungsausschuß zu entscheiden (§ 32 Abs. 1 DVStB). Er ist ebenso wie die Steuergerichte - soweit ihm nicht Zeugnisse i. S. des § 4 Abs. 3 Nr. 2 DVStB vorgelegt werden - an die Rechtsauffassung der Schulbehörden nicht gebunden.
Daß die Vorbildung des Klägers dem Zeugnis der mittleren Reife entspricht, geht aus dem Bescheid des Senators für Bildung vom 15. Februar 1983 nicht hervor. Eine solche Bestätigung stünde auch im Widerspruch zu dessen Auskunft vom 26. Juni 1980, die in dem vorausgegangenen Zulassungsverfahren eingeholt worden ist. Wie das FG festgestellt hat, hat der Kläger in der Zeit nach Ergehen dieser ersten Auskunft hinsichtlich seiner Allgemeinbildung keine zusätzlichen Qualifikationen erlangt, die eine anderweitige Beurteilung hätten rechtfertigen können. Soweit sich der spätere Bescheid des Senators für Bildung von dessen früherer Auskunft inhaltlich unterscheidet, beruht dies offensichtlich auch darauf, daß der zuletzt erteilten Bestätigung über den Bildungsstand sämtliche Prüfungszeugnisse und die Zeugnisse über die beruflichen Tätigkeiten des Klägers zugrunde gelegt worden sind. Nach der Entscheidung des Senats in BFHE 132, 505, BStBl II 1971, 406 kann aber ein Defizit bei der Erfüllung der Voraussetzungen, die § 156 Abs. 2 Nr. 1 StBerG an die Allgemeinbildung stellt, nicht durch einen in den Bereich der fachlichen Vorbildungserfordernisse der Nrn. 2 oder 3 des § 156 Abs. 2 StBerG fallenden Sachverhalt ausgefüllt werden. Die im Rahmen der Berufsausbildung und der praktischen Berufstätigkeit erlangten Kenntnisse, zu denen auch der in der Berufsschule vermittelte Lehrstoff und die vor der Handelskammer Bremen abgelegte Ausbilderprüfung gehören, durften somit bei der Beurteilung der Allgemeinbildung des Klägers nicht berücksichtigt werden.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, daß mit dem Bescheid des Senators für Bildung vom 15. Februar 1983 auch nicht nachgewiesen ist, daß der Kläger entsprechende Kenntnisse, wie sie durch das Zeugnis der mittleren Reife oder durch den zweijährigen Besuch einer staatlich anerkannten Handelsschule vermittelt werden, auf andere Weise erworben hat. Die Bescheinigung enthält keine positive Aussage über das Vorliegen dieses Ersatztatbestandes, mit dem die für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung aufgestellten Anforderungen an die Allgemeinbildung ebenfalls erfüllt werden können. Der Senator für Bildung konnte auch mit seinem späteren Bescheid keine Aussage über den Stand der Allgemeinbildung des Klägers treffen, die inhaltlich über die Auskunft vom 26. Juni 1980, die im vorangegangenen Zulassungsverfahren eingeholt worden war, hinausging. Wie das FG festgestellt hat und sich aus dem Inhalt der späteren Bescheinigung ergibt, bestanden die tatsächlichen Verhältnisse unverändert fort; insbesondere hat sich der Kläger in der Zwischenzeit keinen zusätzlichen, seine Allgemeinbildung berührenden Bildungsmaßnahmen unterzogen. In seiner Entscheidung zum Zulassungsverfahren 1980 (BFHE 132, 505, BStBl II 1981, 406) hat der Senat ausgeführt, daß der Kläger nicht auf andere Weise entsprechende Kenntnisse i. S. des § 156 Abs. 2 Nr. 1 letzter Alternative StBerG erworben hat. Wegen der insoweit gleichgebliebenen Verhältnisse nimmt er auch für das vorliegende Zulassungsverfahren auf diese Entscheidung Bezug.
Fundstellen
Haufe-Index 414609 |
BFH/NV 1987, 65 |