Leitsatz (amtlich)
Die Kosten eines Studiums der Architektur an einer Hochschule sind auch dann Ausbildungskosten, wenn der Steuerpflichtige bereits vorher als Hochbauingenieur mit Tätigkeiten eines Architekten befaßt war.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1966 der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), ob Aufwendungen für ein Architekturstudium Fortbildungskosten darstellen und als Betriebsausgaben bei Einküften aus selbständiger Arbeit abzugsfähig sind.
Der Kläger, der mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt wird, war ab 1960 (Abschluß einer höheren technischen Lehranstalt - HTL -) als Hochbauingenieur in verschiedenen Architekturbüros nichtselbständig tätig. Außerdem erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf seinem Fachgebiet, zu dem auch die Übernahme von Architekturaufgaben gehörte. In der Einkommensteuererklärung 1966 gab er keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an. Bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit als Hochbauingenieur (Planbearbeitungen) erklärte er einen Verlust. Einnahmen von X DM setzte er Y DM Betriebsausgaben entgegen, die insbesondere aus den Kosten für ein Architekturstudium an der TH bestanden. Das Studium, das er inzwischen (1970) durch Ablegung der Diplomprüfung abgeschlossen hat, hatte der Kläger im Wintersemester 1965/66 begonnen, um, wie er in einer Beilage zur Steuererklärung 1965 ausführte, vor allem eine bessere Übersicht zu bekommen. Für 1965 hatte der Kläger noch vorgetragen, daß er sich als Hochbauingenieur ohne weiteres in die Architektenliste gemäß dem Bayerischen Architektengesetz vom 23. Januar 1954 (GVBl S. 29) unter Berücksichtigung der Änderungen im Gesetz vom 10. Februar 1958 (GVBl S. 22) hätte eintragen lassen können und damit berechtigt gewesen wäre, die Berufsbezeichnung "Architekt" zu führen. Der Beklagte und Revisionskläger, das FA, sah bei der Veranlagung 1966 die Studienkosten als Ausbildungskosten an und ließ sie nicht als Betriebsausgaben zum Abzug zu. Der Einspruch war erfolglos.
Die Kläger machten mit der Klage geltend, der klagende Ehemann habe nicht studiert, um sich auf das Diplom vorzubereiten, sondern um sich in seinem bereits seit Abschluß seiner Hochbauingenieurausbildung 1960 ausgeübten Beruf - Entwurf, Detaillierung, Ausschreiben, Baubeaufsichtigung und dergl. von Hochbauten aller Art - fortzubilden, also ohne Wechsel der Berufs- und Erwerbsart auch in Zukunft Bauten nach den neuesten Erkenntnissen von Baukunst und Bautechnik ausführen zu können und sich dadurch in dem bereits ausgeübten Beruf ein besseres Fortkommen zu ermöglichen. Den Studienabschluß habe er nicht angestrebt, denn er bringe ihm keine Vorteile gegenüber dem bisherigen Zustand. Das Berufsbild des Architekten kenne keine Differenzierung hinsichtlich der Vorbildung, und für einen Architekten sei jeweils die Gebührenordnung für Architekten (GOA) vom 13. November 1958 maßgebend. Wie wenig es auf einen Studienabschluß ankomme, habe sich bei einem städtebaulichen Wettbewerb gezeigt, bei dem er den 2. Preis und ein anderer Architekt mit ebenfalls HTL-Vorbildung den 1. Preis erhalten habe, während Architekten mit der Vorbildung des Dipl.-Ing. leer ausgegangen seien. Für einen Architekten seien "Planung" und "Entwurf" von Bauwerken besonders wichtig. Durch das Studium habe er die besten Kenntnisse auf diesen Gebieten erwerben wollen. Bei der Ausbildung an der HTL habe demgegenüber das Hauptgewicht auf der praktischen Tätigkeit auf dem Bausektor gelegen. Im Rahmen des Studiums sei für ihn die Teilnahme an Entwurfs- und Städtebauübungen von besonderem Interesse und Nutzen gewesen. Da hierfür das Vordiplom Voraussetzung gewesen sei, habe er sich darauf intensiv vorbereitet. Er habe stets nur das Ziel gehabt, selbständiger Architekt zu werden. Eine Übernahme in den höheren Staats- oder Kommunaldienst habe er nie angestrebt. Andernfalls hätte er sein Studium nicht ausschließlich auf das Fach Architektur beschränken dürfen, sondern andere Gebiete mit einbeziehen und außerdem eine Referendarzeit ableisten müssen. Ein Angebot, in den Staatsdienst einzutreten, habe er abgelehnt.
Das FG gab der Klage statt. Es sah die Studienkosten als Berufsfortbildungskosten und demzufolge als Betriebsausgaben an.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt die Verletzung der §§ 4 Abs. 4 und 12 Nr. 1 EStG und meint, die Studienkosten seien als Kosten der Berufsausbildung Kosten der Lebensführung.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Die Vorentscheidung hat die Studienkosten zu Unrecht als Betriebsausgaben anerkannt. Nach § 4 Abs. 4 EStG sind als Betriebsausgaben diejenigen Aufwendungen von den Einnahmen abzugsfähig, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Dazu gehören nach einhelliger Ansicht auch die Fortbildungskosten für einen ausgeübten freien Beruf, nicht jedoch die Ausbildungskosten für einen Beruf. Diese sind als Aufwendungen für die Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig. Die Kosten des Klägers für sein Hochschulstudium sind Ausbildungskosten. Zu Recht verweist das FA auf das Urteil des erkennenden Senats vom 16. März 1967 IV R 266/66 (BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723). Darin ist ausgeführt, daß einem Steuerpflichtigen durch ein Hochschulstudium stets eine andere berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffnet werde, gleichgültig, ob es ein erstmaliges oder ein ergänzendes Hochschulstudium sei und ob es zur Berufsausübung erforderlich sei oder nicht. Der Senat kam in dieser Entscheidung, in der er sich auch mit vorangegangenen Urteilen befaßte, die nicht zu verallgemeinernde Sonderfälle behandelten, zu dem Ergebnis, daß Hochschulkosten stets nicht abzugsfähige Kosten der Berufsausbildung seien. Dieser Ansicht hat sich der VI. Senat des BFH in den Urteilen vom 10. Dezember 1971 VI R 150/70 (BFHE 104, 223, BStBl II 1972, 254) und VI R 160/70 (BFHE 104, 231, BStBl II 1972, 255) angeschlossen. Der erkennende Senat hält daran auch für den Streitfall fest. Denn ein Hochschulstudium wird nicht nur als Grundlage für eine neue oder anders als bisher geartete Lebensgestaltung angesehen, sondern dem akademisch Vorgebildeten wird auch eine andere Berufsqualifikation zuerkannt als einem Nichtakademiker.
Wenn das FG seine Entscheidung darauf stützt, daß sich der Kläger durch sein Studium nicht das Wissen für einen neuen und anderen Beruf habe aneignen wollen, weil er auch ohne Studium die Berufsbezeichnung Architekt habe erlangen können und auch bereits Arbeiten verrichtet habe, die zum Aufgabenbereich eines Architekten gehört hätten, dann übersieht es, daß sich dem Kläger durch sein Studium jedenfalls die Möglichkeit eröffnete, einen Beruf zu ergreifen, für den das Hochschulstudium Voraussetzung war. Ob der Kläger die sich ihm bietenden Möglichkeiten ausnutzen wollte, ist für die Frage, ob er sich für einen Beruf hat ausbilden lassen, ohne Bedeutung.
Fundstellen
Haufe-Index 70589 |
BStBl II 1973, 817 |
BFHE 1974, 265 |
NJW 1974, 336 |