Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag gemäß § 68 FGO
Leitsatz (NV)
Zu den Voraussetzungen für den Antrag auf Klageänderung nach § 68 FGO.
Normenkette
FGO § 68
Tatbestand
Der Kläger hat seinen Erstattungsanspruch aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 an die Firma K abgetreten. Die dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) übersandte Abtretungsanzeige enthält keine Angaben zum Abtretungsgrund. Das FA überwies den Erstattungsbetrag auf das in der Abtretungsanzeige angegebene Konto der Firma K. Es lehnte mit Schreiben vom 12. September 1985 den Antrag des Klägers auf Auszahlung des Erstattungsbetrages an sich selbst mit der Begründung ab, daß der Abtretende nach § 46 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen müsse. Am 19. September 1985 legte der Kläger gegen die Ablehnung der Auszahlung das ,,zulässige Rechtsmittel" ein, worüber nicht entschieden wurde. Das FA teilte dem Vertreter des Klägers im Dezember 1986 mit, daß für zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle Abrechnungsbescheide erlassen würden, und regte die Rücknahme der Beschwerde an. Mit Abrechnungsbescheid vom 24. Juli 1987 führte das FA aus, daß der Erstattungsbetrag aufgrund einer dem FA vorliegenden Abtretungsanzeige mit befreiender Wirkung auf das in der Anzeige benannte Konto gezahlt worden sei.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 29. Juli 1987 - eingegangen beim FA am selben Tage und nach Weiterleitung beim Finanzgericht (FG) am 18. August 1987 - Klage. In der mündlichen Verhandlung machte er den inzwischen ergangenen Abrechnungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens. Er beantragte, unter Aufhebung des Abrechnungsbescheides vom 24. Juli 1987 und der Ablehnungsverfügung vom 12. September 1985 eine Erstattung an ihn festzusetzen.Das FG setzte unter Änderung des Abrechnungsbescheides den beantragten Erstattungsbetrag zugunsten des Klägers fest. Zur Begründung führte es aus:
Die gegen den Abrechnungsbescheid vom 24. Juli 1987 gerichtete Klage sei zulässig. Der Kläger habe den Abrechnungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Verfahren einbeziehen können, da dieser den Bescheid des FA vom 12. September 1985, mit dem die Auszahlung des Erstattungsbetrages abgelehnt worden sei, ersetzt habe. Über das am 19. September 1985 eingelegte Rechtsmittel sei in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden. Zwar habe das FA den Prozeßbevollmächtigten des Klägers in ähnlich gelagerten Fällen im Dezember 1986 die Erteilung von Abrechnungsbescheiden, durch die sich die Rechtsmittelverfahren hätten erledigen können, in Aussicht gestellt und um Rücknahme der Beschwerden gebeten. Ein solcher Abrechnungsbescheid sei aber vorliegend ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes auch nach weiteren sechs Monaten - und ca. 1 3/4 Jahr nach Einlegung des Rechtsmittels - noch nicht ergangen. Der Kläger habe deshalb gemäß § 46 FGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens Klage erheben können.
Die Klage sei auch begründet. Der Erstattungsanspruch stehe dem Kläger zu. Er sei nicht dadurch erloschen, daß das FA den Erstattungsbetrag an die Firma K bezahlt habe. Die Firma K sei nicht durch Abtretung Gläubiger der Forderung geworden. Die Abtretung an sie sei gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 unwirksam, weil der Abtretungsgrund in der Abtretungsanzeige nicht ausgewiesen sei. Das FA habe auch nicht nach § 46 Abs. 5 AO 1977 mit befreiender Wirkung an die Firma K leisten können.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es macht geltend, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Abrechnungsbescheid vom 24. Juli 1987 das Schreiben (Bescheid) vom 12. September 1985 ersetzt habe. Die Voraussetzungen des § 68 FGO seien nicht erfüllt, denn an den Inhalt eines Abrechnungsbescheides seien bestimmte Anforderungen zu stellen (mindestens Angabe der Steuerforderung nach Steuerart, Jahr und Betrag), die das Schreiben vom 12. September 1985 nicht erfülle. Eine Ersetzung oder eine Berichtigung nach den Korrekturvorschriften der AO 1977 läge demnach nicht vor. Außerdem seien die zeitlichen Voraussetzungen des § 68 FGO nicht erfüllt, denn der Abrechnungsbescheid vom 24. Juli 1987 sei nicht nach Klageerhebung ergangen. Dieser Verfahrensmangel sei entscheidungserheblich, denn ohne die Anwendung des § 68 FGO hätte das FG keine Sachentscheidung über den Abrechnungsbescheid treffen können. Ferner wendet sich das FA gegen die Auffassung der Vorinstanz, aufgrund der fehlenden Bezeichnung des Abtretungsgrundes sei die Abtretungsanzeige nicht wirksam i. S. des § 46 Abs. 3 AO 1977 und mithin könne die Wirkung des § 46 Abs. 5 AO 1977 nicht eintreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Das FG hat zu Unrecht die Klage gegen den Abrechnungsbescheid vom 24. Juli 1987, den der Kläger gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens erklärt hat, für zulässig angesehen. Die gegen den Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO 1977) gerichtete Anfechtungsklage ist unzulässig, weil das gegen diesen Verwaltungsakt gegebene außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren - der Einspruch gemäß § 348 Abs. 1 Nr. 9 AO 1977 - nicht durchgeführt worden ist (§ 44 Abs. 1 FGO). Der Antrag nach § 68 FGO, mit dem der Abrechnungsbescheid auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens zum Verfahrensgegenstand der anhängigen Klage hätte gemacht werden können (vgl. Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 68 Rz. 7), konnte im Streitfall zulässigerweise nicht gestellt werden, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorlagen. Das FG durfte demnach nicht über die Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids entscheiden. Die Vorentscheidung, mit der der Abrechnungsbescheid zugunsten des Klägers abgeändert worden ist, ist folglich aufzuheben und die gegen den Abrechnungsbescheid gerichtete Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. a) Nach § 68 FGO wird der Verwaltungsakt, durch den der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung geändert oder ersetzt wird, auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens. Die Klageänderung nach § 68 FGO setzt also zunächst die Rechtshängigkeit einer Anfechtungsklage (,,angefochtener Verwaltungsakt", vgl. § 40 Abs. 1 FGO) voraus. Bereits daran fehlt es im Streitfall, weil die ursprünglich vom Kläger erhobene Klage sich nicht gegen einen bestimmten Verwaltungsakt richtete, sondern mit ihr nach dem ursprünglichen Klageantrag die Verpflichtung des FA zur Auszahlung des Lohnsteuererstattungsbetrags an den Kläger begehrt wurde.
b) Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann ferner der Antrag nach § 68 FGO nur gestellt werden, wenn die Änderung oder Ersetzung des angefochtenen Verwaltungsakts ,,nach Klageerhebung" erfolgt. Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Der nunmehr angefochtene Abrechnungsbescheid vom 24. Juli 1987 gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 am dritten Tag nach Aufgabe zur Post - d. h. am 27. Juli 1987 - als bekanntgegeben; Anhaltspunkte dafür, daß er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, liegen nicht vor. Die Klageerhebung ist aber erst am 18. August 1987 erfolgt, weil hierfür der Eingang der Klage beim FG - nicht beim FA (vgl. § 47 Abs. 2 FGO) - maßgeblich ist (§§ 64 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 1 FGO; Gräber / von Groll, a. a. O., § 64 Rz. 15, § 66 Rz. 2 und 3).
c) Der vor Klageerhebung ergangene Abrechnungsbescheid konnte im übrigen deshalb nicht gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht werden, weil durch ihn kein anderer ,,angefochtener Verwaltungsakt" geändert oder ersetzt worden ist. Eine Änderung oder Ersetzung im Sinne dieser Bestimmung setzt voraus, daß der mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt nach den Korrekturvorschriften der AO 1977 für Steuerbescheide einerseits (§§ 172 ff.) und für sonstige Verwaltungsakte andererseits (§§ 130 ff.) partiell oder seinem ganzen Inhalt nach durch Erlaß eines anderen Verwaltungsakts geändert oder aus formellen Gründen aufgehoben und inhaltsgleich wiederholt wird (Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 68 FGO Tz. 3). Dabei muß eine sachliche Beziehung zwischen dem angefochtenen und dem ihn ändernden oder ersetzenden anderen Verwaltungsakt bestehen (Gräber / von Groll, a. a. O., § 68 Rz. 17). Wie oben ausgeführt, fehlt es aber im Streitfall an einem angefochtenen Verwaltungsakt, weil der ursprüngliche Klageantrag des Klägers auf eine Leistung, nämlich auf die Verurteilung des FA zur Auszahlung des Erstattungsbetrages an ihn gerichtet war. Soweit der Kläger und seine Prozeßbevollmächtigten die Ablehnung der beantragten Auszahlung der Erstattungsbeträge an die Abtretenden (Arbeitnehmer) durch das Schreiben des FA vom 12. September 1985, das die abgetretenen Lohnsteuererstattungsansprüche von zahlreichen Arbeitnehmern der Firma K betraf, als Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO 1977 angesehen haben sollten, haben sie diesen durch Schreiben vom 19. September 1985 zwar ,,fürsorglich" mit dem ,,zulässigen Rechtsmittel" angefochten. Die den Erstattungsanspruch des Klägers betreffende Klageschrift vom 29. Juli 1987 enthält aber keine Anfechtung dieser Ablehnungsverfügung.
Wie sich aus dem weiteren Verfahrensablauf ergibt, hat das FA eine endgültige Entscheidung darüber, daß der Erstattungsanspruch aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 des Klägers durch Auszahlung des Erstattungsbetrages an die Firma K als Abtretungsempfänger erloschen sei, erst durch den Abrechnungsbescheid vom 24. Juli 1987 treffen wollen, der erstmals eine Konkretisierung auf die Steuersache des Klägers enthielt. Daß das FA mit seinem generellen, den Abtretungskomplex der Firma K insgesamt betreffenden Schreiben vom 12. September 1985 noch keine Regelung i. S. des § 118 AO 1977 über die Verwirklichung der Erstattungsansprüche der Arbeitnehmer hat treffen wollen, folgt daraus, daß es auf das Schreiben der Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 1985 diesen im Dezember 1986 mitgeteilt hat, über die Streitigkeiten über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis werde gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977 durch Erteilung von Abrechnungsbescheiden entschieden, die dann mit dem Einspruch angefochten werden könnten. Der angekündigte Abrechnungsbescheid ist sodann nachfolgend jedenfalls im Falle des Klägers auch ergangen. Er enthält weder inhaltlich noch formell eine Änderung oder Ersetzung des vorausgegangenen Schreibens des FA vom 12. September 1985. Denn es fehlt jeder Hinweis auf dieses Schreiben und auch die Bezugnahme auf Korrekturvorschriften der AO 1977. Der Abrechnungsbescheid vom 24. Juli 1987 ist somit für seinen Regelungsbereich als erstmaliger Verwaltungsakt ergangen. Daß er inhaltlich - soweit es um die Ablehnung der Erstattung an den Kläger geht - mit dem Schreiben ds FA vom 12. September 1985 übereinstimmt, vermag seine Einführung als Verfahrensgegenstand in das anhängige Klageverfahren ohne Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Einspruchsverfahrens nach § 68 FGO nicht zu rechtfertigen. Das FG hat im übrigen die Ablehnungs-,,Verfügung" des FA vom 12. September 1985 nicht aufgehoben, obwohl der Kläger mit seinem geänderten Klageantrag auch dies beantragt hatte.
2. Da die Voraussetzungen des § 68 FGO nicht vorliegen, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die vom Kläger beantragte Änderung des Verfahrensgegenstandes auch deshalb unzulässig war, weil bereits die ursprüngliche Klage, die das FG als Untätigkeitsklage angesehen hat, nicht zulässig war, sei es mangels Vorliegens eines anfechtbaren Verwaltungsakts (Schreiben des FA vom 12. September 1985) oder sei es, weil die Ankündigung von Abrechnungsbescheiden als Mitteilung eines zureichenden Grundes (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO) für die noch ausstehende Entscheidung über die mit Schreiben vom 19. September 1985 erhobenen Beschwerden anzusehen wäre (zur Zulässigkeit des Antrags nach § 68 FGO bei Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage: vgl. die Urteile des Senats vom 13. November 1973 VII R 32/71, BFHE 111, 10, BStBl II 1974, 111, und vom 20. November 1973 VII R 33/71, BFHE 111, 13, BStBl II 1974, 113, und die Gegenmeinung von Gräber / von Groll, a. a. O., § 46 Rz. 17). Nach Auffassung des Senats kommt es auf die Untätigkeit der Finanzbehörde hinsichtlich der Beschwerdeentscheidung nicht an, weil die ursprünglich erhobene Klage eine Leistungsklage (auf Auszahlung des Erstattungsbetrages) darstellt, für die es keines Vorverfahrens nach § 44 FGO bedarf. In diesem Falle kann aber - wie oben unter 1. a dargestellt - ein Antrag nach § 68 FGO nicht gestellt werden. Auch die auf Steuererstattung gerichtete Leistungsklage hätte - falls der Kläger den ursprünglichen Klageantrag aufrechterhalten hätte - abgewiesen werden müssen. Denn aufgrund des nunmehr mangels wirksamer Anfechtung bestandskräftig gewordenen Abrechnungsbescheids steht fest, daß dem Kläger ein Erstattungsanspruch nicht mehr zusteht (vgl. auch Urteil des Senats vom 12. Juni 1986 VII R 103/83, BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702). Da der Abrechnungsbescheid nicht Verfahrensgegenstand geworden ist, kann der Senat über die mit der Klage aufgeworfenen materiell-rechtlichen Fragen - Wirksamkeit der Abtretung bei fehelnder Angabe des Abtretungsgrundes (§ 46 Abs. 2, 3 AO 1977), befreiende Auszahlung des FA auch bei nicht formgerechter Abtretungsanzeige (§ 46 Abs. 5 AO 1977) - nicht entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 417250 |
BFH/NV 1991, 604 |