Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerberichtigung bei rechtsfehlerhafter Beurteilung der Verwendung
Leitsatz (NV)
Falls Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzungen vorliegt, in denen dem Kläger der Vorsteuerabzug für die Herstellung einer zwischenvermieteten Wohnung gewährt worden ist, wird eine Vorsteuerberichtigung nach §15 a Abs. 1 UStG nicht dadurch ausgeschlossen, daß nicht nur die Verwendungsumsätze, sondern auch die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug fehlerhaft beurteilt worden sind.
Normenkette
UStG 1980 § 15 Abs. 1-2, § 15a Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau sind Miteigentümer der im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft in H ab 1980 errichteten Wohnungen Nr. 1 und 2.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) rechnete zunächst die auf die Wohnung Nr. 2 entfallenden Vorsteuerbeträge der Ehefrau und die auf die Wohnung Nr. 1 entfallenden Vorsteuerbeträge dem Kläger zu. Dementsprechend setzte das FA negative Umsatzsteuer für 1980 in einem Umsatzsteuerbescheid gegen den Kläger und in einem anderen Umsatzsteuerbescheid für 1980 gegen seine Ehefrau fest. In der Folgezeit rechnete das FA bei Steuerfestsetzungen die auf beide Wohnungen entfallenden Vorsteuerbeträge den Eheleuten je zur Hälfte zu, weil sie als Miteigentümer der Wohnungen die Vorsteuerbeträge zur Hälfte in Anspruch nehmen könnten.
Ab 1. März 1983 vermieteten der Kläger und seine Ehefrau die Wohnungen an einen gewerblichen Zwischenvermieter, die L-GmbH und verzichteten auf die Steuerbefreiung für die Vermietung von Grundstücken. Die L- GmbH vermietete die Wohnungen an einen Endmieter. Im Mai 1984 kündigten die Eheleute den Zwischenmietvertrag. Nur der Kläger schloß einen neuen Zwischenmietvertrag gegen eine geringere Miete mit der S-GmbH.
Die Vermietung aufgrund dieses Zwischenmietvertrages erkannte das FA ab 1. Juni 1984 nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wegen Gestaltungsmißbrauchs (§42 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) nicht mehr als steuerpflichtige Leistung an.
Nunmehr berichtigte das FA gegenüber dem Kläger die auf die Jahre 1984, 1985 und 1986 entfallenden Vorsteuerteilbeträge in den angefochtenen Steueränderungsbescheiden für 1984 bis 1986 vom 2. Januar 1989. Den Einspruch des Klägers gegen die nach §164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Steuerfestsetzungen wies das FA zurück.
Während des anschließenden finanzgerichtlichen Verfahrens erließ das FA weitere Umsatzsteueränderungsbescheide für 1986 (vom 14. September 1989 und vom 11. Juli 1991), die der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens erklärt hat.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte zur Begründung aus, daß eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach §15 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) ausgeschlossen sei. Eine Änderung der Verhältnisse i. S. von §15 a Abs. 1 UStG 1980 sei nicht gegeben, weil beide Zwischenmietverhältnisse nicht anzuerkennen seien, so daß steuerfreie Vermietungsumsätze ausgeführt worden seien. Das FA sei zu einer Änderung der Verhältnisse aufgrund der Änderung seiner Rechtsansicht über die Steuerpflicht der Vermietung gelangt. Dies rechtfertige keine Vorsteuerberichtigung.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von §15 a UStG 1980. Es nimmt zur Begründung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dem Urteil vom 16. Dezember 1993 V R 65/92 (BFHE 173, 270, BStBl II 1994, 485) Bezug.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Vorentscheidung entspricht nicht der Auslegung des §15 a UStG 1980 durch den BFH. Der Senat kann aber nicht abschließend entscheiden, weil die dafür notwendigen Feststellungen fehlen.
1. In den angefochtenen Steueränderungsbescheiden für 1984 bis 1986 hat das FA den Kläger als Vermieter von Wohnungen (u. a. mit den von ihm als steuerpflichtig erklärten Vermietungsleistungen) besteuert. Gegen eine Steuerfestsetzung für den Kläger, der die Mietverträge über die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 mit der S-GmbH nur im eigenen Namen (und nicht im Namen der Ehegattengrundstücksgemeinschaft) geschlossen und erfüllt hat, bestehen keine Bedenken.
Durch die Vermietung der Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 hat der Kläger steuerfreie Umsätze nach §4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 ausgeführt, die den Abzug der damit zusammenhängenden Vorsteuerbeträge ausschließen (§15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980). Die Zwischenvermietung der bezeichneten Wohnungen berechtigt den Kläger nicht, auf die Steuerbefreiung der Umsätze durch Grundstücksvermietung zu verzichten, weil keine umsatzsteuerrechtlich beachtlichen Gründe für eine dem §9 Satz 1 UStG 1980 entsprechende Gestaltung vorliegen. Die Wohnungen waren bei dem Abschluß des Zwischenmietvertrags bereits an einen Endmieter vermietet, so daß kein wirtschaftlich verständlicher Grund -- ausgenommen Vorsteuerabzugsinteressen -- erkennbar ist, das Mietverhältnis nicht mit ihm, sondern unter Einnahmeverzichten mit einem zweiten Zwischenvermieter fortzusetzen. Die Zwischenvermietung von Wohnungen darf als grundsätzlich rechtsmißbräuchliche Gestaltung (§42 AO 1977) nicht berücksichtigt werden (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Beschluß vom 25. November 1993 V B 120/93, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Umsatzsteuergesetz 1980, §15 Abs. 2, Rechtsspruch 20; Urteil vom 14. Mai 1992 V R 12/88, BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931, m. w. N.).
2. Die Entscheidung des FG zur Vorsteuerberichtigung nach §15 a Abs. 1 UStG 1980 hält der Revision nicht stand.
a) Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des BFH kann eine Änderung der für die Vorsteuerberichtigung gemäß §15 a Abs. 1 UStG 1980 maßgebenden Verhältnisse auch dadurch eintreten, daß bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung der Verwendung im Erstjahr, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde lag, sich in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar ist (BFH-Urteile vom 12. Juni 1997 V R 36/95, BFHE 182, 462, BStBl II 1997, 589; vom 19. Februar 1997 XI R 51/93, BStBl II 1997, 370, jeweils m. w. N.).
Unabänderbarkeit ist gegeben, wenn bei der Steuerfestsetzung für das Folgejahr, in der der Steuerberichtigungsbetrag nach §15 a UStG 1980 berücksichtigt worden ist, keine Gründe (z. B. nach §§172 ff. AO 1977) für eine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr vorliegen. Wenn die erstmalige tatsächliche Verwendung (Vermietung der Objekte) nicht im Abzugsjahr, sondern in dem späteren Erstjahr erfolgt, ist für die Änderbarkeit der Steuerfestsetzung des Abzugsjahres §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 26. Februar 1987 V R 1/79, BFHE 149, 307, BStBl II 1987, 521, unter II. 2.) handelt es sich bei der erstmaligen tatsächlichen Verwendung um ein auf das Abzugsjahr zurückwirkendes Ereignis. In diesem Fall beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt (§175 Abs. 1 Satz 2 AO 1977).
b) Falls Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzungen gegen den Kläger für die Abzugsjahre vorliegt, wird eine Vorsteuerberichtigung nach §15 a Abs. 1 UStG 1980 nicht dadurch ausgeschlossen, daß nicht nur die Verwendungsumsätze, sondern auch die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug (§15 Abs. 1 UStG 1980) fehlerhaft beurteilt worden waren. Wegen der Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr ist davon auszugehen, daß der Kläger den Vorsteuerabzug für an sein Unternehmen erbrachte Leistungen erhalten hat, die den Vorsteuerabzug zulassen. Die Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr, in dem die Abzugsvoraussetzungen bejaht worden sind, entbindet in den Folgejahren von einer Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug (§15 Abs. 1 UStG 1980) seinerzeit vorgelegen haben. Dementsprechend läßt die Regelung in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG eine Vorsteuerberichtigung zu, wenn sich die Faktoren geändert haben, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt worden sind.
Der Senat geht davon aus, daß er mit der vorliegenden Entscheidung nicht von dem Urteil vom 27. Juni 1991 V R 106/86 (BFHE 165, 304, BStBl II 1991, 860) abweicht; denn das FA hatte in jener Entscheidung lediglich die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach §15 Abs. 1 UStG 1980, aber nicht -- wie im Streitfall -- zusätzlich auch die Verwendungsvoraussetzungen fehlerhaft beurteilt.
3. Das FG hat aufgrund seines Rechtsstandpunkts keine Feststellungen zur Änderbarkeit der Steuerfestsetzungen in den Abzugsjahren getroffen. Der Senat verweist die Sache deshalb an das FG zurück.
Fundstellen
BFH/NV 1998, 228 |
HFR 1998, 220 |