Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Bilanzierung abzugsfähiger Steuern, die wirtschaftlich zu einem bestimmten Geschäftsjahr gehören.
Normenkette
EStG § 5
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), eine offene Handelsgesellschaft, wies in ihrer im Februar 1953 aufgestellten Bilanz zum 31. Dezember 1951 eine Gewerbesteuerrückstellung 1951 von 3 280 DM aus. Die einheitliche Gewinnfeststellung 1951 ist rechtskräftig. In der dem Finanzamt am 27. August 1953 eingereichten Bilanz zum 31. Dezember 1952 erhöhte die Bgin. die Gewerbesteuerrückstellung 1951 um 905 DM, weil sie aus dem Gewerbesteuerbescheid vom 18. Juli 1953 ersah, daß die Rückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1951 in dieser Höhe hinter der endgültigen Steuerschuld zurückblieb. Das Finanzamt gab einem Antrag der Bgin., die Bilanz zum 31. Dezember 1952 dahin berichtigen zu dürfen, daß an Stelle der Rückstellung ein gleich hoher Betrag unter den Verbindlichkeiten ausgewiesen werde, statt. Es lehnte aber bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1952 eine Gewinnminderung um den Betrag von 905 DM unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ab, wonach Ausgaben, die sich auf einen bestimmten Zeitraum bezögen, nur zu Lasten des Gewinns des Wirtschaftsjahres verrechnet werden dürften, in das sie gehörten.
Das Finanzgericht gab der Berufung der Bgin. statt. Es trat zwar dem Finanzamt darin bei, daß die Gewerbesteuerrückstellung 1951 zu Lasten des Gewinns 1952 nicht erhöht werden dürfe, sah aber in der Erklärung des Finanzamts, daß die Bgin. an Stelle der Rückstellung nunmehr die feststehende Gewerbesteuerschuld 1951 in die Bilanz zum 31. Dezember 1952 einsetzen dürfe, eine Zustimmung zur Bilanzänderung. Der Unterschied zwischen der Rückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1951 und der unter den Verbindlichkeiten ausgewiesenen Gewerbesteuerschuld 1951 in der Bilanz zum 31. Dezember 1952 in Höhe von 905 DM gehe deshalb zu Lasten des Gewinns 1952.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist im Ergebnis nicht begründet.
Die Bgin. war bei der Aufstellung ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1951 verpflichtet, die voraussichtliche Gewerbesteuerschuld des Erhebungszeitraums 1951 schätzungsweise durch eine Rückstellung zu berücksichtigen. Am 31. Dezember 1952 hatten sich weder die tatsächlichen noch die rechtlichen Verhältnisse, die zur Rückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1951 geführt hatten, geändert. Erst in der Zeit vom 31. Dezember 1951 bis zur Aufstellung der Bilanz erfuhr die Bgin. durch die Zustellung des Gewerbesteuerbescheids 1951, daß die endgültige Gewerbesteuerschuld 1951 um 905 DM höher als die Rückstellung ist. Ob die Bgin. handelsrechtlich verpflichtet war, dieser Erkenntnis entsprechend die Rückstellung zu erhöhen, braucht nicht entschieden zu werden. Daß sie handelsrechtlich zur Erhöhung befugt war, ist ohne Zweifel. Der Reichsfinanzhof hat in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz vertreten, daß Tatsachen, die dem Steuerpflichtigen zwischen dem Stichtag der Bilanz und deren Aufstellung bekannt werden, in der Bilanz für das abgelaufene Wirtschaftsjahr berücksichtigt werden können, wenn die betreffenden Tatsachen am Bilanzstichtag objektiv bereits gegeben waren (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 280/42 vom 19. August 1942, Reichssteuerblatt - RStBl - S. 934). Daß die Gewerbesteuerschuld 1951 in der im Bescheid vom 18. Juli 1953 festgesetzten Höhe am 31. Dezember 1952 bestand, ist unbestritten. Die Bgin. war deshalb berechtigt, dieser Sachlage bei Aufstellung ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1952 Rechnung zu tragen.
Die Vorbehörden haben sich zur grundsätzlichen Rechtfertigung ihres Standpunkts, daß Ausgaben und Verbindlichkeiten, die sich auf einen bestimmten Zeitraum bezögen, nur zu Lasten des Gewinns des Wirtschaftsjahres verrechnet werden dürften, zu dem sie gehörten, auf die Urteile des Reichsfinanzhofs I 92/37 vom 30. November 1937, Slg. Bd. 43 S. 79, RStBl 1938 S. 436, und I 143/38 vom 25. Oktober 1938, Slg. Bd. 45 S. 103, RStBl 1939 S. 175, und auf das Gutachten des Reichsfinanzhofs Gr. S. D 6/40 vom 11. Dezember 1940, RStBl S. 1044, bezogen. In den beiden vorbezeichneten Urteilen handelte es sich um die Nachholung von Pensions-Rückstellungen, zu deren Bildung weder eine handelsrechtliche noch eine steuerliche Verpflichtung besteht. Hier hatte der Steuerpflichtige die Wahl, ob er die Verbindlichkeiten aus den Pensionszusagen jeweils in den Jahresbilanzen durch Rückstellungen berücksichtigte oder erst die tatsächlich gezahlten Pensionen zu Lasten des Gewinns verbuchte. Hatte er dieses Wahlrecht einmal ausgeübt, so ist er an sein Verhalten nach Treu und Glauben gebunden und kann nicht willkürlich durch Nachholung von Rückstellungen den Gewinn der Wirtschaftsjahre beeinflussen, bei denen es ihm aus steuerlichen Gründen zweckmäßig erscheint (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 113/52 U vom 10. Februar 1953, Slg. Bd. 57 S. 254, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 102).
Es ist umstritten, ob die Bewertungsvorschriften des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrechts den Grundsatz erkennen lassen, daß in jedem Wirtschaftsjahr nach Möglichkeit der richtige Periodengewinn ausgewiesen werden soll - siehe Zitzlaff, "Der Bilanzenzusammenhang" in Rechts- und Wirtschaftspraxis 14 Steuer-R (Steuer-) Bilanz Einzelfragen 29 (Lieferung 204) -. Dieser Grundsatz ließe sich jedenfalls bei am Bilanzstichtag zwar tatsächlich schon bestehenden, aber bis zur Aufstellung der Bilanz nicht bekanntgewordenen Verbindlichkeiten und Ausgaben ohnehin nicht durchführen. Sie müßten auch bei Anerkennung dieses Grundsatzes in einem späteren Wirtschaftsjahr berücksichtigt werden, zu dem sie wirtschaftlich nicht gehören. Würden die Vorbehörden tatsächlich streng nach dem Grundsatz verfahren wollen, daß Ausgaben nur in dem Jahr abgesetzt werden dürften, zu dem sie wirtschaftlich gehörten, so könnte die Bgin. die Gewerbesteuerzahlung 1951 in Höhe von 905 DM auch nicht im Jahr der Zahlung als Betriebsausgabe behandeln. Denn auch zu diesem Jahr gehört sie wirtschaftlich nicht. Das dieses Ergebnis nicht zutreffend sein kann, liegt auf der Hand. Der von den Vorbehörden in den Vordergrund gestellte Grundsatz der richtigen Periodenabgrenzung führt also zu keinem brauchbaren Ergebnis. Maßgebend sind die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Besteht handelsrechtlich kein Zweifel, daß die von dem Steuerpflichtigen gewählte Bilanzierung möglich ist, so ist sie grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen, wenn sich nicht aus steuerrechtlichen Vorschriften oder aus Grundsätzen des Steuerrechts zwingend etwas anderes ergibt. Das Steuerrecht gehört dem öffentlichen Recht an. Es unterliegt deshalb in weit geringerem Umfange als das Privatrecht der Willensgestaltung der Steuerpflichtigen. Versuchen der Steuerpflichtigen, ohne sachlich ausreichende Begründung Gewinne in Wirtschaftsjahre zu verlagern, in die sie wirtschaftlich nicht gehören, muß deshalb steuerlich auch dann entgegengetreten werden, wenn es handelsrechtlich zulässig ist. Aber nur willkürliche oder gegen Treu und Glauben verstoßende Bilanzierungen können steuerlich nicht anerkannt werden. Eine handelsrechtlich zulässige und nicht willkürliche Bilanzierung kann jedenfalls steuerlich nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß sie zu einer unzutreffenden Periodenabgrenzung führe. Soweit sich aus der oben bezeichneten Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs etwas anderes ergeben sollte, kann sich ihr der Senat nicht anschließen.
Beurteilt man das Verhalten der Bgin. nach diesen Grundsätzen, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß sie handelsrechtlich zur Erhöhung der Rückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1952 befugt war. Dabei ist es sachlich ohne Bedeutung, ob die bei Aufstellung der Bilanz feststehende Schuld unter den Verbindlichkeiten oder noch deshalb unter den Rückstellungen ausgewiesen wird, weil sie jedenfalls am 31. Dezember 1952 der Höhe nach noch nicht endgültig feststand. Da diese Bilanzierung weder positive Vorschriften des Steuerrechts verletzt, noch als willkürlich oder gegen Treu und Glauben verstoßend bezeichnet werden kann, muß sie auch steuerlich anerkannt werden. Anders wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn die Bgin. in der Bilanz zum 31. Dezember 1951 keine oder bewußt eine offensichtlich zu geringe Rückstellung ausgewiesen hätte. Dann müßte die erstmalige Einstellung oder die wesentliche Erhöhung der Rückstellung in die Handelsbilanz zum 31. Dezember 1952 als willkürliche Verlustverlagerung von 1951 nach 1952 in der Steuerbilanz abgelehnt werden, wenn die Bgin. nicht überzeugend sachliche Gründe für ihr Verhalten anführen könnte. Da die von der Bgin. in der Bilanz zum 31. Dezember 1951 eingestellte Rückstellung in etwa der tatsächlichen Steuerschuld entsprach und die Abweichung der geschätzten Rückstellung von der endgültigen Steuerschuld verhältnismäßig gering ist, kann die Bilanzierung der Bgin. jedenfalls nicht als willkürlich bezeichnet werden. Ihr ist deshalb steuerlich zuzustimmen. Das Urteil des Finanzgerichts ist also im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zutreffend. Wenn der Grundsatz der richtigen Periodenabgrenzung tatsächlich der Erhöhung der Rückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1952 entgegenstände, so wäre die Zustimmung des Finanzamts zu der sogenannten Bilanzberichtigung steuerlich belanglos. Die Bgin. dürfte dann die Gewerbesteuernachzahlung 1951 in Höhe von 905 DM erst im Jahre der Bezahlung als Betriebsausgabe behandeln. Zu einer dem Gesetz und der Rechtsprechung nicht entsprechenden Bilanzierung könnte das Finanzamt keine Zustimmung erteilen. Ob die Gewerbesteuernachzahlung unter den Rückstellungen oder unter den Verbindlichkeiten ausgewiesen wird, macht für die sachliche Beurteilung keinen Unterschied. Der Höhe nach feststehende Verbindlichkeiten sollen zwar unter den Verbindlichkeiten, nicht aber unter den Rückstellungen erscheinen. Die Nichtbeachtung diese Grundsatzes ist aber nur eine formelle Unkorrektheit, die weder eine handelsrechtliche noch steuerliche Bedeutung hat und jederzeit ohne Zustimmung der Verwaltung richtiggestellt werden kann. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Gewerbesteuernachzahlung zwar nicht unter den Rückstellungen, aber mit Zustimmung des Finanzamts unter den Verbindlichkeiten der Bilanz zum 31. Dezember 1952 ausgewiesen werden könnte, ist deshalb nicht zutreffend.
Fundstellen
Haufe-Index 408547 |
BStBl III 1956, 323 |
BFHE 1957, 328 |
BFHE 63, 328 |
DB 1956, 1026 |