Leitsatz (amtlich)
Bürgschaftsaufwendungen eines Freiberuflers können ausnahmsweise Betriebsausgaben darstellen, wenn ein Zusammenhang mit anderen Einkünften ausscheidet und nachgewiesen wird, daß die Bürgschaftszusage ausschließlich aus betrieblichen Gründen erteilt wurde.
Orientierungssatz
1. Für die Bürgschaftszusage eines Steuerberaters kann unter Umständen eine betriebliche Veranlassung angenommen werden, wenn ein Mandant den Steuerberater auf Dauer mit der steuerlichen Beratung bzw. mit Buchführungsarbeiten beauftragt, dies aber von einer Bürgschaftszusage abhängig macht, und sich für den Steuerberater auch unter Berücksichtigung des Bürgschaftsrisikos ein betrieblicher Nutzen ergibt. Ein anderer Anlaß kann nur dann dem betrieblichen Bereich zugeordnet werden, wenn er in derselben Weise unverkennbar mit der beruflichen Tätigkeit des Beraters verbunden ist.
2. Den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten freien Berufen liegt jeweils ein eigenes Berufsbild zugrunde, das auch den zugehörigen Betrieb prägt und begrenzt. Beteiligt sich ein Freiberufler noch in anderer Weise mit Gewinnabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, entfaltet er damit eine zusätzliche gewerbliche Tätigkeit; beide Tätigkeiten sind getrennt zu beurteilen, auch wenn zwischen ihnen ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (vgl. BFH-Rechtsprechung). Eine derartige Abgrenzung ist auch gegenüber den Einkünften aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung erforderlich.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2, §§ 20-21; GewStDV § 1 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Steuerberater freiberuflich tätig; er ermittelt seinen Gewinn durch Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Seine Praxis hat er im Jahre 1972 erworben. Zum übernommenen Mandantenstamm gehörte auch ein Gastwirt, der ein Unternehmen in gepachteten Räumen betrieb. Die Bewirtschaftung ging im Jahre 1978 auf seinen Sohn über. Dieser nahm im selben Jahr ein Bankdarlehen über 70 000 DM für die Renovierung der Gastwirtschaft auf. Der Kläger verbürgte sich hierfür. Aus dieser Bürgschaft wurde er in den Jahren 1981 und 1982 mit Zahlungen von 30 000 DM und 33 977 DM in Anspruch genommen. Der Kläger macht geltend, er habe die Bürgschaft übernommen, um den Schuldner als Mandanten zu gewinnen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte diese Zahlungen nicht als Betriebsausgaben an, weil es sich bei der Bürgschaft um einen berufsfremden Geschäftsvorfall gehandelt habe. Die Klage zum Finanzgericht (FG) blieb erfolglos.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision, mit der der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.
1. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn durch Gegenüberstellung der betrieblichen Einnahmen und Ausgaben (§ 4 Abs.3 EStG); er kann die Zahlungen aufgrund der Bürgschaftsübernahme als Betriebsausgaben absetzen, wenn sie durch seine Berufstätigkeit veranlaßt sind (§ 4 Abs.4 EStG). Die Rechtsprechung hat allerdings Aufwendungen eines Freiberuflers aus der Hingabe von Darlehen, der Übernahme von Bürgschaften, dem Erwerb von Beteiligungen und ähnlichen Geldgeschäften nur ausnahmsweise als Betriebsausgaben anerkannt, selbst wenn dadurch Aufträge für die freiberufliche Tätigkeit gewonnen werden sollten.
In dieser Weise hat bereits der Reichsfinanzhof (RFH) hinsichtlich von Rechtsanwälten entschieden; er hat diese Beschränkung unter Hinweis auf Gutachten des Deutschen Anwaltsvereins und der Reichsrechtsanwaltskammer der anwaltlichen Standesauffassung entnommen, die die nach § 6 EStG 1929 für die Einordnung der Einkünfte in Einkunftsarten maßgebende Verkehrsauffassung präge (Urteile vom 27.August 1930 VI A 264/29, RFHE 27, 184, RStBl 1931, 104; vom 20.Februar 1935 VI A 16/33, RFHE 37, 284, RStBl 1935, 870). Mit der anwaltlichen Tätigkeit verbundene Geschäfte, wie auch solche Geschäfte, mit denen entstandene Gebührenforderungen gesichert werden sollen, hat der RFH nicht als berufsfremd bezeichnet und auch keinen Widerspruch darin gesehen, daß auch standeswidrige Geschäfte innerhalb der eigentlichen Berufstätigkeit in das steuerliche Ergebnis eingehen.
An diese Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof (BFH) angeknüpft und die genannten "Geldgeschäfte" gleichfalls als berufsfremde Vorgänge bezeichnet, die in der Gewinnermittlung außer Betracht bleiben müßten (BFH-Urteile vom 28.Januar 1960 IV 109/59 U, BFHE 70, 456, BStBl III 1960, 172; vom 9.September 1965 IV 245/63, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Einkommensteuergesetz bis 1974, § 18, Rechtsspruch 379; vom 11.Januar 1966 I 53/63, BFHE 85, 13, BStBl III 1966, 218; vom 22.Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564; vom 9.Oktober 1986 IV R 57/83, BFH/NV 1987, 708), während Geschäfte zur Sicherung eigener Forderungen Anerkennung gefunden haben (vgl. BFH-Urteile vom 22.April 1980 VIII R 236/77, BFHE 130, 454, BStBl II 1980, 571; vom 15.Oktober 1981 IV R 77/76, BFHE 135, 175, BStBl II 1982, 340). Andererseits hat der BFH die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Betriebsvermögen eines Freiberuflers gerechnet, wenn die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft die eigene berufliche Tätigkeit ergänzte (vgl. Urteil in BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564 hinsichtlich der Beteiligung eines Wirtschaftsprüfers an einer Treuhand-GmbH; Urteil vom 11.März 1976 IV R 185/71, BFHE 118, 353, BStBl II 1976, 380 betreffend Beteiligung eines beratenden Ingenieurs für Baustatik an einer Fachberatungs-GmbH) oder wenn mit der Gesellschaft eine auf die Vergabe von Aufträgen gerichtete Geschäftsbeziehung bestand bzw. geschaffen werden sollte (BFH-Urteil vom 14.Januar 1982 IV R 168/78, BFHE 135, 188, BStBl II 1982, 345 betreffend Beteiligung eines Architekten an einer Bauträger-Gesellschaft; Urteil vom 23.November 1978 IV R 146/75, BFHE 126, 298, BStBl II 1979, 109 betreffend Beteiligung eines Baustatikers an einer Wohnungsbaugesellschaft); unter dieser Voraussetzung ist auch ein Darlehen zum Betriebsvermögen des Freiberuflers gezählt worden (vgl. BFHE 135, 188, BStBl II 1982, 345). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Rechtsprechung des BFH als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet (Beschlüsse vom 9.Mai 1969 1 BvR 228/69, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1969, 346; vom 7.Januar 1988 1 BvR 1187/87, HFR 1989, 215).
2. Von dieser Rechtsprechung ist auch im Streitfall auszugehen. Sie beruht auf dem Umstand, daß den in § 18 Abs.1 Nr.1 EStG genannten freien Berufen jeweils ein eigenes Berufsbild zugrunde liegt, das auch den zugehörigen Betrieb prägt und begrenzt (BFH-Urteil vom 23.Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517). Beteiligt sich ein Angehöriger der freien Berufe noch in anderer Weise mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, entfaltet er damit eine zusätzliche gewerbliche Tätigkeit (§ 1 Abs.1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung --GewStDV-- a.F., § 15 Abs.2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes --StEntlG-- 1984); beide Tätigkeiten sind getrennt zu beurteilen, auch wenn zwischen ihnen ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (BFH-Urteil vom 9.August 1983 VIII R 92/83, BFHE 139, 380, BStBl II 1984, 129). Eine derartige Abgrenzung ist auch gegenüber den Einkünften aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung erforderlich. Das gilt vor allem für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG, für die sich der Kläger entschieden hat. Aber selbst ein bilanzierender Angehöriger der freien Berufe kann nicht in demselben Umfang gewillkürtes Betriebsvermögen bilden, wie ein Gewerbetreibender; vielmehr wird der Umfang des Betriebsvermögens durch die Erfordernisse des Berufs begrenzt (BFH in BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517, m.w.N.).
3. Dies gilt insbesondere für "Geldgeschäfte", die ihrer Art nach zu Einkünften nach § 20 EStG führen. Sie sind nach dem gesetzlichen Bild der persönlichkeitsbezogenen freiberuflichen Tätigkeit grundsätzlich getrennt zu beurteilen, auch wenn es zur Eingehung solcher Geschäfte im sachlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Praxis, so auch mit dem Ziel der Gewinnung eines Mandanten, gekommen ist. Eines Rückgriffs auf Standesrecht, soweit es überhaupt für die in § 18 Abs.1 EStG erwähnten Berufsgruppen besteht, bedarf es dazu nicht. Im Einzelfall kann sich allerdings ergeben, daß die Eingehung von "Geldgeschäften" als Hilfstätigkeit zur freiberuflichen Tätigkeit anzusehen ist; wie sich aus den angeführten Entscheidungen ergibt, kann dies selbst im Falle der Beteiligung an Kapitalgesellschaften und der Darlehensgewährung zutreffen. Zur Unterscheidung hat die Rechtsprechung in letzter Zeit darauf abgestellt, ob das "Geldgeschäft" ein eigenes wirtschaftliches Gewicht hat, und deswegen aus der freiberuflichen Tätigkeit auszuscheiden ist (vgl. BFH in BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517; Urteil vom 12.Januar 1984 IV R 89/81, nicht veröffentlicht --NV--).
4. Im Streitfall muß nach den Feststellungen des FG angenommen werden, daß der Kläger für die Zusage der Bürgschaft kein besonderes Entgelt erhalten hat und daß die Zusage auch nicht im Zusammenhang mit anderen auf die Erzielung von Einnahmen gerichteten Geschäften stand, die für sich gesehen zu Einkünften aus Kapitalvermögen oder Gewerbebetrieb führen würden. Der Bürgschaftserklärung kommt damit kein wirtschaftliches Eigengewicht im Sinne der Rechtsprechung des Senats zu, so daß der Abzug der entstandenen Aufwendungen als Betriebsausgaben nicht von vornherein ausgeschlossen ist; auch der Senat hat in früheren Entscheidungen einen derartigen Abzug nicht ausgeschlossen, wenn die Bürgschaftszusage in einem unmittelbaren und notwendigen Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit steht (Urteile vom 9.Dezember 1982 IV R 122/80, NV; vom 12.Januar 1984 IV R 89/81, NV).
Hierzu muß allerdings die Möglichkeit ausgeschlossen werden, daß persönlich-private Gründe für die Übernahme der Bürgschaft allein oder mitentscheidend waren. In der Regel wird für die Bürgschaftszusage eines Steuerberaters ein privater Anlaß bestehen. Eine betriebliche Veranlassung kann unter Umständen angenommen werden, wenn ein Mandant den Steuerberater auf Dauer mit der steuerlichen Beratung bzw. mit Buchführungsarbeiten beauftragt, dies aber von einer Bürgschaftszusage abhängig macht, und sich für den Steuerberater auch unter Berücksichtigung des Bürgschaftsrisikos ein betrieblicher Nutzen ergibt. Ein anderer Anlaß kann nur dann dem betrieblichen Bereich zugeordnet werden, wenn er in derselben Weise unverkennbar mit der beruflichen Tätigkeit des Beraters verbunden ist. Gelingt dieser Nachweis nicht, ist die Klage abzuweisen, weil der Kläger die Beweislast für die betriebliche Veranlassung von Ausgaben hat.
Fundstellen
Haufe-Index 62642 |
BFH/NV 1989, 50 |
BStBl II 1990, 17 |
BFHE 158, 254 |
BFHE 1990, 254 |
BB 1990, 118 |
BB 1990, 118-119 (LT1) |
DB 1989, 2459-2460 (LT) |
DStR 1989, 744 (K) |
HFR 1990, 16 (LT) |
WPg 1990, 141-142 (ST) |
StRK, R.42 (LT) |
FR 1990, 16 (KT) |
Information StW 1990, 91 (T) |
NJW 1990, 1380 |
NJW 1990, 1380-1381 (LT) |
DStZ/E 1989, 382 (K) |
SteuerBriefe 1990, 47 (LT) |
RWP 1989, 1188 SG 1.3 3127 (KT) |
ZAP, EN-Nr 510/89 (S) |
StBp 1989, 289 (K) |