Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigene Einkünfte des Kindes ‐ kein Verlustabzug
Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist ein Verlustabzug nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG §§ 10d, 32 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 2001, 511) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt Kindergeld für seine 1970 und 1974 geborenen Kinder, die sich in Ausbildung befanden. Beide Kinder erzielten im Jahr 1996 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus der Vermietung von Grundbesitz in Höhe von insgesamt 14 900 DM (Sohn) bzw. 24 621 DM (Tochter). Da sich im Vorjahr aufgewendete und in vollem Umfang als Werbungskosten abgezogene Erhaltungsaufwendungen für den Grundbesitz im Wege des Verlustvortrags gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkten, belief sich das zu versteuernde Einkommen der Kinder 1996 jeweils auf 0 DM.
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (Landesamt für Besoldung und Versorgung ―Familienkasse―) Kenntnis von den Einkünften der Kinder erlangt hatte, setzte er mit einem auf § 70 Abs. 2 EStG gestützten Bescheid vom 14. Oktober 1997 das Kindergeld mit Wirkung ab 1. Januar 1996 jeweils auf 0 DM fest, weil der Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 12 000 DM überschritten sei. Zugleich wurde das bis zum 31. Oktober 1997 gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 8 840 DM zurückgefordert. In der auf den Einspruch des Klägers erlassenen Einspruchsentscheidung führte die Familienkasse aus, auch für 1997 würden die Einkünfte der Kinder den Grenzbetrag überschreiten.
Mit der daraufhin erhobenen Klage brachte der Kläger vor, seine Kinder hätten 1996 kein zu versteuerndes Einkommen gehabt. Auf die steuertechnische Abwicklung könne es nicht ankommen. Während des Klageverfahrens half die Familienkasse der Klage insoweit teilweise ab, als das Kindergeld für den Sohn zum 1. September 1996 statt zum 1. Januar 1996 aufgehoben wurde. Der Änderungsbescheid vom 23. Oktober 1998 wurde zum Gegenstand des Verfahrens.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 511 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Er trägt vor, der Anspruch auf Kindergeld könne nicht davon abhängen, ob im Vorjahr angefallener Erhaltungsaufwand über den Verlustvortrag oder über § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) berücksichtigt werde. Für das Kindergeld komme es auf das wirtschaftliche Ergebnis an. Eine unterschiedliche Behandlung sei nicht gerechtfertigt und würde gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoßen. Hinzu komme, dass er, der Kläger, als Gläubiger des Kindergeldanspruchs keine Möglichkeit habe, die steuerliche Gestaltung hinsichtlich der Einkünfte des Kindes zu beeinflussen. Die Rechtsauffassung der Familienkasse verstoße auch gegen Art. 6 und 14 GG. Im Übrigen habe der Sohn ausweislich der Lohnsteuerkarte in der Zeit von Juni bis September 1996 einen Bruttoarbeitslohn von 2 106 DM gehabt, so dass er in diesen vier Monaten jeweils unter 750 DM verdient habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die angefochtenen Bescheide vom 14. Oktober 1997 und vom 23. Oktober 1998 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Urteilsgründe der Vorinstanz.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Dem Kläger stand für seine Tochter ab 1. Januar 1996 und für seinen Sohn ab 1. September 1996 kein Kindergeld zu. Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a i.V.m. Satz 2 EStG in der für 1996 und 1997 geltenden Fassung wird ein Kind vom 18. bis zum 27. Lebensjahr nur dann für das Kindergeld berücksichtigt, wenn es sich in einer Ausbildung befindet und eigene Einkünfte und Bezüge von nicht mehr als 12 000 DM im Kalenderjahr hat. Die Einkünfte beider Kinder des Klägers überschritten 1996 jedoch den Grenzbetrag.
a) Die Einkünfte gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind nicht, worauf die Rechtsansicht des Klägers hinausläuft, im Sinne des "Einkommens" (§ 2 Abs. 4 EStG) oder des "zu versteuernden Einkommens" (§ 2 Abs. 5 EStG) zu verstehen. Der Begriff der Einkünfte in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht vielmehr der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG sowie dem Begriff der Einkünfte i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 4 und des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG. Wegen der näheren Begründung auch hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Aspekte wird auf das Senatsurteil vom 21. Juli 2000 VI R 153/99 (BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566) Bezug genommen. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus nichtselbständiger Arbeit ―wie im Streitfall― sind danach der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Der Verlustabzug nach § 10d EStG betrifft demgegenüber nicht die Einkünfteermittlung, sondern ermöglicht es aus Gründen der Steuergerechtigkeit, den negativen Gesamtbetrag der Einkünfte eines Jahres mit positiven Ergebnissen früherer oder nachfolgender Jahre steuerwirksam zu saldieren. Die 1996 erzielten ―positiven― Einkünfte der Kinder des Klägers wurden somit zwar unter Durchbrechung der Abschnittsbesteuerung von der Besteuerung ausgenommen. Dies wirkt sich jedoch nicht bei den Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs aus.
b) Für seine entgegengesetzte Rechtsansicht kann der Kläger sich nicht darauf berufen, zu dem Verlustabzug sei es nur deshalb gekommen, weil die Kinder keinen Gebrauch von der Möglichkeit des § 82b EStDV gemacht hatten, größeren Erhaltungsaufwand bei Wohngebäuden auf mehrere Jahre zu verteilen. Bei entsprechender Gestaltung wären zwar im Streitjahr 1996 weitere Werbungskosten berücksichtigt worden und deshalb geringere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angefallen, weshalb der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG hätte unterschritten werden können. Der Vorinstanz ist jedoch darin beizutreten, dass bei der Beurteilung des Kindergeldanspruchs wie bei anderen steuerrechtlichen Würdigungen nur der tatsächlich verwirklichte, nicht aber ein fiktiver Sachverhalt zu berücksichtigen ist.
c) Soweit der Kläger vorbringt, sein Sohn habe nach der Lohnsteuerkarte in der Zeit von Juni bis September 1996 einen Bruttoarbeitslohn von 2 106 DM gehabt und somit in diesen vier Monaten jeweils unter 750 DM verdient, steht dies in Widerspruch zu den vom FG auf der Grundlage der Arbeitgeberbescheinigung vom 1. Juli 1998 getroffenen Feststellungen. An diese ist das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, zumal der Kläger ausdrücklich keine Verfahrensfehler rügt.
d) Da die Einkünfte der Kinder des Klägers im Jahre 1996 den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten, war die Familienkasse berechtigt, die Kindergeldfestsetzung aufzuheben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Rechtsgrundlage für die Aufhebung § 70 Abs. 2 EStG ist oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Familienkasse durfte auch das zuviel gezahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO 1977 zurückfordern.
2. Die Vorentscheidung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als sie die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum von Januar bis Oktober 1997 und die Rückforderung des in dieser Zeit gezahlten Kindergeldes bestätigt hat. Ob die Einkünfte der Kinder den Grenzbetrag überschritten haben, kann zwar erst nach Ablauf des jeweiligen Jahres festgestellt werden. Die Familienkasse hat aber in ihrer Einspruchsentscheidung ausgeführt, nach der fiktiven Einkunftsermittlung für 1997 würden die Einkünfte den Grenzbetrag überschreiten. Darin liegt eine zulässige Prognoseentscheidung, die angesichts der der Familienkasse vorliegenden Feststellungen des Verlustabzugs, welcher den Kindern des Klägers nach 1996 noch verbleibt, auch plausibel ist.
Fundstellen
Haufe-Index 671169 |
BFH/NV 2002, 22 |
BFH/NV 2002, 403 |
BStBl II 2002, 250 |
BFHE 196, 504 |
BFHE 2002, 504 |
BB 2002, 345 |
DB 2002, 405 |
DStRE 2002, 216 |
HFR 2002, 29 |
HFR 2002, 309 |
StE 2002, 78 |