Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für Übergangszeit zwischen Schulzeit und Zivildienst
Leitsatz (NV)
Ein Kind, das nach Beendigung der Schulzeit länger als vier Monate auf den Beginn des Zivildienstes wartet, kann für die Übergangszeit nicht berücksichtigt werden, sofern es nicht arbeitslos gemeldet ist.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der im März 1983 geborene Sohn (S) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beendete seine Schulausbildung am 31. Januar 2003. Mit Bescheid vom 3. April 2003 wurde S ab dem 1. Juli 2003 zum Zivildienst einberufen, obwohl er nach der Einverständniserklärung seiner Dienststelle den Zivildienst bereits im Mai 2003 hätte beginnen können. Das teilte die Klägerin dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagter) im April und Mai 2003 mit. S meldete sich am 29. April 2003 arbeitslos.
Der Beklagte hob die Festsetzung des Kindergeldes für S für die Monate Februar und März 2003 auf und forderte von der Klägerin das überzahlte Kindergeld zurück. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 271 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Sie meint, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei analog anzuwenden, wenn die Übergangszeit zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem gesetzlichen Wehr- oder Zivildienst ohne Verschulden des Kindes mehr als vier Monate dauere.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils des FG den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid des Beklagten in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Klägerin in den Monaten Februar und März 2003 keinen Anspruch auf Kindergeld für S hat.
1. Für den Anspruch auf Kindergeld werden u.a. Kinder i.S. des § 32 Abs. 1 EStG berücksichtigt; § 32 Abs. 3 bis 5 gilt entsprechend (§§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG). Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG sind nicht erfüllt.
a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2003 (im Folgenden: EStG) wird ein volljähriges Kind u.a. berücksichtigt, wenn es das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes liegt.
Im Streitfall dauerte die Übergangszeit zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn des gesetzlichen Zivildienstes von Februar bis Juni, also fünf Monate. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kommt bei Überschreiten der Übergangszeit eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht. Gegen diese Beschränkung bestehen auch dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Kind nicht mit einem Überschreiten der Übergangszeit von vier Monaten rechnen musste (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2003 VIII R 78/99, BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841, m.w.N., und vom 16. März 2004 VIII R 86/02, BFH/NV 2004, 1242).
b) Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG wird ein volljähriges Kind, das das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, auch dann berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. In Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, 92, BStBl II 1999, 701, 703). Der Vorbereitung dienen hierbei alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523, m.w.N.). Die Ableistung des Zivildienstes ist danach grundsätzlich keine Berufsausbildung, denn sie dient im Regelfall nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf. Etwas anderes ist im Streitfall weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
2. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ist entgegen der Auffassung der Klägerin mangels einer Regelungslücke auch nicht analog auf den Streitfall anzuwenden.
a) Bereits für die bis zum Veranlagungszeitraum 2001 geltende Gesetzesfassung, wonach die Übergangszeit zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt war, hat der Senat eine Regelungslücke verneint (Senatsurteile in BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841; vom 15. Juli 2003 VIII R 92/01, BFH/NV 2004, 173; in BFH/NV 2004, 1242).
b) Mit dem Zweiten Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 (BGBl I 2001, 2074) hat der Gesetzgeber die Übergangszeiten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes den Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gleichgestellt und in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ausdrücklich geregelt. Auf diese Weise wird ein Kind, das seine Ausbildung wegen Ableistung des Grundwehrdienstes unterbricht, für jeweils einen Übergangszeitraum von bis zu vier Monaten sowohl vor als auch nach diesem Dienst berücksichtigt (BTDrucks 14/6160, S. 11). Die Regelung bestätigt die frühere Verwaltungspraxis, wonach u.a. Zwangspausen von höchstens vier Monaten Dauer vor und nach der Ableistung des gesetzlichen Wehr- bzw. Zivildienstes wie Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten berücksichtigt wurden (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG-- Stand Mai 2000, 63.3.3 Abs. 3, BStBl I 2000, 636, 639, 664 und R 180a EStR 2001; vgl. auch Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 22. Aufl., § 32 Rn. 42). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Übergangszeiten zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes von mehr als vier Monaten Dauer planwidrig unberücksichtigt gelassen hat, sind nicht ersichtlich.
c) Gegen den Ausschluss der Begünstigung bestehen angesichts des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen auch dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Kind zunächst davon ausgehen durfte, den gesetzlichen Wehr- oder Zivildienst innerhalb von vier Monaten beginnen zu können (vgl. Senatsurteil in BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1257801 |
BFH/NV 2005, 198 |