Entscheidungsstichwort (Thema)
Wasserlieferung für Trinkwasserspender unterliegt vollem Umsatzsteuersatz
Leitsatz (amtlich)
Die Lieferung von Trinkwasser in verschlossenen 22,5 l-Behältnissen zum menschlichen Konsum in Betrieben unterliegt dem Regelsteuersatz.
Normenkette
UStG 1993 § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1; UStG 1999 § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1; UStG 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Anl. Nr. 34; UStG 1999 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Anl. Nr. 34
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist, ob die Lieferung von Wasser durch die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) in den Jahren 1995 bis 1999 (Streitjahre) mit dem Regelsteuersatz oder mit dem ermäßigten Steuersatz der Umsatzsteuer unterliegt.
Die Klägerin betreibt den Handel mit Getränkeautomaten und Instantgetränken. Außerdem verkauft und vermietet sie unter der Bezeichnung "A-System" Spender-Geräte, denen an einem Hahn mit Hilfe von Wegwerfbechern Trinkwasser entnommen werden kann. Der Wasservorrat dazu befindet sich in einer auf das Gerät aufgesetzten und austauschbaren 22,5 l-Gallone aus Kunststoff, die die Klägerin ebenfalls vertreibt. Das Wasser wird von der Klägerin ausschließlich aus bestimmten Gebieten bezogen, gesäubert, gefiltert und in die Gallonen abgefüllt. In einem Gutachten durch ein akkreditiertes chemisch/biologisches Prüfungslabor hat sich die Klägerin bestätigen lassen, dass das in den Gallonen abgefüllte Wasser in Deutschland als Trinkwasser vermarktet werden darf. Abnehmer des Systems und der Nachfüllgallonen sind sowohl Kunden mit dem Recht zum Vorsteuerabzug als auch ohne (z.B. Möbelhäuser, Ärzte etc.). Für die Lieferung der Wassergallonen wendete die Klägerin den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 v.H. an, während sie für den Verkauf bzw. die Vermietung der Spender-Geräte den Regelsteuersatz von 15 v.H. bzw. 16 v.H. in Rechnung stellte.
Demgegenüber stellte sich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) auf den Standpunkt, die Lieferung des Trinkwassers unterliege dem vollen Steuersatz. Er erließ dementsprechend geänderte bzw. erstmals Umsatzsteuerjahresbescheide 1995 bis 1997, Vorauszahlungsbescheide für das 1. Quartal 1998, die Monate April bis Dezember 1998, Januar und Februar 1999 sowie einen Umsatzsteuer-Sondervorauszahlungsbescheid 1999. Der Einspruch der Klägerin hiergegen blieb erfolglos.
Im Laufe des Klageverfahrens erließ das FA die Umsatzsteuer-Jahresbescheide 1998 und 1999 (1998: Bescheid vom 8. August 2000; 1999: Bescheid vom 2. November 2000), die auf die Anträge der Klägerin gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Umsatzsteuer unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes fest (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1015).
Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, die Lieferung des Wassers in den 22,5 l-Gallonen unterliege dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 34 des Anhangs des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG), weil es sich nicht um Trinkwasser handele, das in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird. Zwar enthalte das UStG keine Definition der Begriffe "Verbraucher" und "Fertigpackungen"; da die Einschränkung der Steuerermäßigung für Wasser aber bezwecke, eine gleichmäßige Besteuerung aller Erfrischungsgetränke sicherzustellen, müssten die Begriffe "Verbraucher" und "Fertigpackungen" so ausgelegt werden, wie sie im Zusammenhang mit Erfrischungsgetränken verwendet werden, die nicht unter die Steuerermäßigungen fielen, wie z.B. Mineral- und Tafelwasser. § 7 Abs. 1 der Mineral- und Tafelwasserverordnung (MTVO) vom 1. August 1984 (BGBl I 1984, 1036) verweise nur auf den Verbraucherbegriff des § 6 Abs. 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) und damit auf Verbraucher, an die Mineralwässer zur persönlichen Verwendung oder zur Verwendung im eigenen Haushalt abgegeben werden; der Verbraucherbegriff des § 6 Abs. 2 LMBG --gewerbliche Bezieher zum Verbrauch in ihrer Betriebsstätte-- werde mit dieser Verweisung ausgeschlossen. Im Übrigen erfüllten Großbehältnisse nicht die Voraussetzungen einer Fertigpackung i.S. des § 7 Abs. 1 MTVO, weil zur Abnahme durch Letztabnehmer nach § 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 6a der Fertigpackungsverordnung (FPackV) für Mineralwasser in einem Füllmengenbereich von 0,005 bis 10 l nur Nennfüllmengen bis 2,0 l in den Verkehr gebracht werden dürften. Wegen der beabsichtigten Gleichbehandlung von Wasser mit anderen Erfrischungsgetränken sei diese Auslegung der Begriffe in Nr. 34 des Anhangs zum UStG geboten. Nicht jede Form der Kontingentierung von Wasser führe zum Verlust der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 34 des Anhangs zum UStG.
Hiergegen wendet sich die Revision des FA; es führt insbesondere aus, der Begriff des "Verbrauchers" dürfe nicht mit dem des "Letztabnehmers" gleichgesetzt werden; auch gewerbliche Abnehmer von Wasser könnten dessen Verbraucher sein. Weiterhin sei die FPackV nicht einschlägig, weil diese nach § 31 Abs. 1 FPackV nur auf Fertigpackungen von bis zu 10 l anzuwenden sei. Letztlich dürfe der Verbraucherbegriff auch nicht aus der MTVO ausgelegt werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO); die Lieferung von Wasser in 22,5 l-Gallonen unterliegt nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG (Zolltarif Unterpos. 2201 9000) dem allgemeinen Steuersatz.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die Lieferung von Wasser, ausgenommen Trinkwasser, einschließlich Quellwasser und Tafelwasser, das in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird.
a) Diese Vorschrift beruht auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 i.V.m. Nr. 29 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967, wonach für Wasser generell der ermäßigte Steuersatz galt; auf der Ermächtigungsgrundlage des § 26 Abs. 1 UStG 1967 wurde die Steuerermäßigung für Wasser nach § 2 der Dritten Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vom 28. Dezember 1967 dahin gehend eingeschränkt, dass mineralarmes Wasser i.S. des § 3 der Verordnung über Tafelwässer vom 12. November 1934 (RGBl I, 1183), geändert durch die Zweite Verordnung über Tafelwässer vom 11. Februar 1938 (RGBl I, 199) nicht als Wasser der Nummer 29 der Anlage 1 des Gesetzes galt. Gesetzgeberischer Zweck der Einschränkung war, eine gleichmäßige Besteuerung aller Erfrischungsgetränke sicherzustellen (vgl. Schlienkamp, Dritte und Vierte Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes, Betriebsberater --BB-- 1968, Beilage 2, S. 3).
Auch die um die Ausnahme des Wasserdampfes ergänzte Fassung des § 26 UStDV 1980 in ihrer ursprünglichen Fassung vom 21. Dezember 1979 enthält dieselbe Einschränkung für mineralarmes Wasser. Erst die auf Grund Art. 1 Nr. 5 der Fünften Verordnung zur Änderung der UStDV geänderte Fassung der UStDV 1980 vom 19. Dezember 1985 enthielt erstmals die später in Nr. 34 der Anlage 1 zum UStG verwendete Formulierung: "Als Wasser (…) gelten nicht: 1. Trinkwasser einschließlich Quellwasser und Tafelwasser, das in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird, …".
Der Grund für diese Änderung war die Ersetzung der Verordnung über Tafelwässer durch die MTVO vom 1. August 1984 (BGBl I 1984, 1036), die nach § 1 MTVO für das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von natürlichem Mineralwasser, von Quellwasser und Tafelwasser sowie von sonstigem in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen abgefüllten Trinkwasser gilt; § 26 UStDV musste deshalb an die neue Rechtslage angepasst werden (vgl. Schlienkamp in Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1986, S. 31, 33 unter Nr. 5). Die für die Streitjahre geltende Fassung des UStG und der Nr. 34 der Anlage 1 hierzu beruht auf der Neufassung der Anlage zur Anpassung an den Gemeinsamen Zolltarif durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Änderung des UStG und der UStDV vom 7. März 1988 (BGBl I 1988, 204) und gilt seit dem 1. Januar 1988.
Da die gesetzliche Regelung seit jeher auf die Tafelwasserverordnung bzw. die MTVO Bezug nimmt und der heute maßgebliche Gesetzeswortlaut mit der neuen Rechtslage nach der MTVO begründet wurde, hat das FG den Begriff "in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen" zu Recht anhand der MTVO ausgelegt.
b) Entgegen der Auffassung des FG lässt sich aus der MTVO aber eine Verengung des Verbraucherbegriffes für Tafelwasser und insbesondere hier in Rede stehendes Trinkwasser auf den "Endverbraucher" --und die damit zusammenhängenden Packungsgrößen-- nicht begründen. Denn die in § 7 Abs. 1 MTVO ("Abfüllung und Verpackung") enthaltene Verweisung auf "Verbraucher, an die Mineralwässer zur persönlichen Verwendung oder zur Verwendung im eigenen Haushalt abgegeben werden" (§ 6 Abs. 1 LMBG) gilt nur für natürliches Mineralwasser (das ohnehin dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegt). Die für Tafelwasser (§§ 12 und 13 MTVO) und Trinkwasser (§ 18 MTVO) einschlägigen Vorschriften der MTVO enthalten diese einschränkende Verweisung jedoch nicht und beziehen sich deshalb nach allgemeinen Auslegungsregeln auch auf Verbraucher i.S. des § 6 Abs. 2 LMBG, d.h. gewerbliche Bezieher zum gewerblichen Verbrauch; für diese lassen sich aber Einschränkungen hinsichtlich der Packungsgröße weder aus dem allgemeinen Verständnis, noch aus der FPackV herleiten. Es bleibt daher für Tafelwasser und Trinkwasser bei der volumenmäßig nicht eingeschränkten Definition der Fertigpackung in § 6 Abs. 1 des Eichgesetzes ("Fertigpackungen im Sinne dieses Gesetzes sind Erzeugnisse in Verpackungen beliebiger Art, die in Abwesenheit des Käufers abgepackt und verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann").
c) Da die Formulierung in Nr. 34 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG "ausgenommen Trinkwasser, einschließlich Quellwasser und Tafelwasser, das in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird" der MTVO entstammt und sich hieraus keine volumenmäßige Beschränkung der Fertigpackung ergibt, fällt das von der Klägerin in 22,5 l-Gallonen gelieferte Trinkwasser nicht unter die Steuerermäßigung für Wasser; denn das FG hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es sich bei den mit Trinkwasser gefüllten Gallonen um Fertigpackungen handelt. Sie sind aus den o.g. Gründen auch zur Abgabe an den "Verbraucher" bestimmt.
Fundstellen
Haufe-Index 1628845 |
BFH/NV 2007, 171 |
BStBl II 2007, 146 |
BFHE 2008, 307 |
BFHE 215, 307 |
BB 2006, 2802 |
DB 2007, 150 |
DStRE 2007, 312 |
DStZ 2007, 47 |
HFR 2007, 156 |
UR 2007, 25 |