Leitsatz (amtlich)
Ist ein durch die Einspruchsentscheidung bestätigter Steuerbescheid in vollem Umfang angefochten, so enthält die Bezeichnung des angefochtenen Steuerbescheids zugleich die Bezeichnung des Streitgegenstandes.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger hat bei dem beklagten FA Klage eingereicht gegen dessen Einspruchsentscheidung "in der Grunderwerbsteuersache aus der Zwangsversteigerung des Anwesens ...". Die Klageschrift enthielt keine weiteren Ausführungen; die in dieser angekündigte Begründung wurde nicht nachgereicht. Die mit Fristsetzung verbundene Aufforderung des Senatsvorsitzenden des FG, die Klage hinsichtlich des Streitgegenstandes und des Antrags zu ergänzen, blieb unbeantwortet. Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die auf Verletzung der FGO gestützte (§ 118 Abs. 1 Satz 1, § 120 FGO) Revision des Klägers ist begründet.
Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO, den das FG nicht für gewahrt erachtet, muß die Klage den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand, bei Anfechtungsklagen auch den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die Verletzung einer dieser Mußvorschriften stellt die Zulässigkeit der Klage in Frage, die Verletzung der Sollvorschrift dagegen auch dann nicht, wenn die Klage nicht innerhalb der gemäß § 65 Abs. 2 FGO vom Vorsitzenden gesetzten Frist ergänzt worden ist. Davon ist auch das FG ausgegangen. Denn es hat die Klage nur wegen fehlender Bezeichnung des Streitgegenstandes, nicht aber auch wegen unterlassener Antragstellung abgewiesen.
Kläger und Beklagter waren in der Klageschrift als solche namentlich bezeichnet. Welcher Steuerbescheid und welche diesen bestätigende Einspruchsentscheidung angefochten waren, ergab sich aus der Angabe des Klägers in Verbindung mit den dem FG vorliegenden FA-Akten eindeutig. Davon ist bereits der Vorsitzende des FG in seiner gemäß § 65 Abs. 2 FGO erlassenen Verfügung ausgegangen; er hat insoweit keine ergänzende Angabe verlangt. Auch das angefochtene Urteil hat diesen Punkt nicht beanstandet.
Entgegen der Ansicht des FG war mit diesen Merkmalen auch der Streitgegenstand bezeichnet. Denn Gegenstand der Anfechtungsklage war der durch die Einspruchsentscheidung bestätigte Steuerbescheid (§ 44 Abs. 2 FGO). Da die Einspruchsentscheidung über die volle Höhe der festgesetzten Steuer ergangen und mit der Klage der Umfang der Anfechtung nicht beschränkt worden war, ist zwangsläufiger Streitgegenstand die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids im ganzen.
Das Ergebnis, daß bei unbeschränkter Anfechtung eines Steuerbescheids der Streitgegenstand durch die Bezeichnung des angefochtenen Steuerbescheids erschöpfend gekennzeichnet ist, ist offenbar, wenn man den Beschluß des Großen Senats Gr. S. 1/66 vom 17. Juli 1967 (BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344) zugrunde legt. Denn nach dem Erkenntnis des Großen Senats ist Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer (den Steuermeßbetrag) festsetzenden Steuerbescheids (Steuermeßbescheids). Demnach kann bei unbeschränkter, aber auch bei beschränkter Anfechtung der Streitgegenstand nicht zweifelhaft sein. Da zwar die Steuerfestsetzung nicht erhöht, wohl aber der Fehlansatz eines steuerbegründenden Rechnungspostens durch Ansatz eines vom FA nicht berücksichtigten steuererhöhenden Postens oder durch Streichen eines vom FA zu Unrecht angesetzten steuermindernden Postens ausgeglichen werden kann, erwächst bei unbeschränkter Anfechtung die Entscheidung über die festgesetzte Steuer im ganzen, bei beschränkter Anfechtung die Entscheidung über die Differenz zwischen dem festgesetzten und dem zugestandenen Betrage in Rechtskraft (§ 110 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Dem kann entgegengehalten werden, § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO verlange bei Anfechtungsklagen ausdrücklich neben der Bezeichnung des Streitgegenstands "auch" die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts oder der angefochtenen Entscheidung; beide Begriffe könnten also nicht auf das gleiche hinauslaufen. Indessen schreibt der vergleichbare § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Klage (und damit auch für die Anfechtungsklage) zwingend nur die Bezeichnung des Klägers, des Beklagten und des Streitgegenstandes vor. Da auch für die nach der VwGO erhobenen Anfechtungsklagen die sichere Kenntnis des angefochtenen Aktes unabdingbar ist, muß dieser also durch den dort verwendeten Begriff des Streitgegenstandes hinreichend gekennzeichnet sein. Eine davon abweichende selbständige Aussage hat die doppelte Anforderung des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nur dann, wenn man annimmt, daß für die FGO der Gegenstand der Anfechtung (§ 44 Abs. 2 FGO) und der Gegenstand des Streites (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) einer Anfechtungsklage nicht das gleiche seien.
Würde demnach das - von den ziffernmäßigen Anträgen abweichende - Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) zu einer gegenständlichen Beschränkung des Streitgegenstandes führen, wäre allerdings bei nur beschränkter Anfechtung des Streitgegenstandes (§ 65 Abs. 1 Satz 1, § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO) dieser nicht mehr allein durch die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes gekennzeichnet. Denn dem Kläger stünde es dann frei, die festgesetzte Steuer nur hinsichtlich einzelner Elemente der Besteuerungsgrundlage anzugreifen. Für den vorliegenden Fall, in dem der ganze Steuerbescheid angefochten ist, würde aber auch diese Auffassung zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn mit dem ganzen Steuerbescheid wären alle dem Kläger lästigen Besteuerungsgrundlagen angegriffen.
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht deshalb als im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO), weil mangels einer Klagebegründung nicht ausdrücklich gesagt war, der Kläger sei durch den angefochtenen Steuerbescheid in seinen Rechten verletzt (§ 40 Abs. 2 FGO). Denn diese Rechtsbehauptung wird schon durch die Anfechtungsklage als solche impliziert, da der angefochtene Bescheid durch Festsetzung einer Steuerschuld (§ 210 Abs. 1, § 211 Abs. 1 Satz 1 AO) dem Kläger eine Last auferlegte, und in dem gerichtlichen Verfahren (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) nicht die Rechtswidrigkeit, sondern die Rechtmäßigkeit dieser Belastung des Nachweises bedarf (Art. 2 Abs. 1 GG). Darum verlangt § 65 FGO auch nicht, daß eine solche Rechtsbehauptung in der Klage ausdrücklich aufgestellt werde, wie überhaupt die Parteien in der Tatsacheninstanz (anders für die Revision; § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) nur zu tatsächlichem Vortrag (§ 76 Abs. 1 Satz 3 FGO), aber nicht zu Rechtsausführungen verpflichtet sind. Dem berechtigten Interesse des FG, daß die Parteien wenigstens in tatsächlicher Hinsicht mitwirken, wäre aber nicht dadurch geholfen, daß der Klageschrift der den Streitgegenstand bezeichnende Satz beigefügt würde: "Streitgegenstand ist die mit dieser Klage bestrittene Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids; dieser verletzt den Kläger durch unrichtige Festsetzung der Steuerschuld in seinen Rechten." Äußerstenfalls bleiben die Mittel des § 80 Abs. 1 FGO.
Demnach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 69312 |
BStBl II 1971, 112 |
BFHE 1971, 429 |