Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgeltungsbereich der Aufwandsentschädigung für Gerichtsvollzieher und Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG
Leitsatz (NV)
Legt ein Finanzgericht landesrechtliche Vorschriften über die Aufwandsentschädigung der Gerichtsvollzieher abweichend von der Auffassung der Verwaltung dahin aus, daß nur Aufwendungen für die Unterhaltung und nicht für die Einrichtung des Büros abgegolten werden, so besteht besonderer Anlaß zu der Prüfung der Voraussetzung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG, ob die Aufwandsentschädigung nicht den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigt.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 12, § 3c
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Gerichtsvollzieher. Er erwarb im Streitjahr 1987 eine Computeranlage. Er machte die auf die Nutzungsdauer verteilten Anschaffungskosten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die Aufwendungen mit der Begründung nicht an, daß mit der steuerfrei geleisteten Entschädigung für beruflichen Aufwand auch die Aufwendungen für die Anschaffung von Gegenständen der Büroeinrichtung abgegolten seien.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte aus: Nach § 1 der Landesverordnung zur Abgeltung der Bürokosten der Gerichtsvollzieher vom 13. Mai 1977 (im folgenden: Landesverordnung, Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein 1977, 168) stehe den im Außendienst beschäftigten Gerichtsvollziehern zur Abgeltung des ihnen durch die Verpflichtung ,,zur Einrichtung und Unterhaltung" eines Büros entstehenden Aufwands eine Entschädigung zu. Diese umfasse nach § 2 der Landesverordnung die erhobenen Schreibgebühren und einen Anteil der vom Gerichtsvollzieher für die Erledigung des Auftrags vereinnahmten Gebühren. Nach § 5 der Landesverordnung werde die Entschädigung i. S. des § 2 in Höhe von 30 v. H. als Aufwandsentschädigung gezahlt. Es handelte sich dabei um eine steuerfreie Aufwandsentschädigung i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit ihr seien ,,alle Kosten für die Unterhaltung des Büros mit Ausnahme der Kosten für die Beschäftigung einer Bürokraft abgegolten". Da nach dem klaren Wortlaut des § 5 der Landesverordnung durch die Aufwandsentschädigung lediglich die Kosten für die ,,Unterhaltung" des Büros gezahlt würden, seien die streitigen Kosten für die Büroeinrichtung nicht erfaßt. Auch in der Gerichtsvollzieherverordnung werde sprachlich deutlich ein Unterschied zwischen Unterhaltung und Einrichtung des Büros gemacht. Nach den §§ 46 und 47 der Gerichtsvollzieherverordnung könne der Gerichtsvollzieher für die ,,Einrichtung" seines Geschäftszimmers einen Gehaltsvorschuß erhalten. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichneten die Begriffe ,,Einrichtung" und ,,Unterhaltung" ebenfalls unterschiedliche Sachverhalte. Deshalb würden mit der steuerfreien Aufwandsentschädigung i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG lediglich die Kosten für die Unterhaltung des Büros und nicht für die Einrichtung erfaßt. Der Senat folge damit auch der Auffassung des FG Nürnberg (Urteil vom 10. Januar 1989 I 321/87, Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung 1989, 126).
Zur Begründung seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA eine Verletzung der §§ 3 c, 3 Nr. 12 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 6 und 7 sowie § 7 Abs. 1 EStG geltend und trägt vor: Bei zutreffender Anwendung der vorgenannten Vorschriften hätte das FG der Klage nicht stattgegeben und nicht neben der steuerfreien Aufwandsentschädigung Werbungskosten anerkennen dürfen. Die Auslegung des § 5 der Landesverordnung durch das FG, daß durch die steuerfreie Aufwandsentschädigung lediglich die laufenden Kosten abgegolten seien, stoße auf Bedenken. Denn letztlich unterhalte der Gerichtsvollzieher mit den angeschafften Gegenständen sein Büro. Es sei entgegen der Auffassung des FG nicht anzunehmen, daß der Verordnungsgeber der Landesverordnung bei Schaffung der §§ 1 und 5 eine strikte Trennung zwischen der Anschaffung von Einrichtungsgegenständen und laufenden Ausgaben habe vornehmen wollen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Rechtsauffassung des FG, daß die Aufwandsentschädigung gemäß § 5 der Landesverordnung nicht für solche Gegenstände gezahlt wird, die der Einrichtung des Büros dienen, und daß mithin § 3 c EStG dem geltend gemachten Werbungskostenabzug nicht entgegensteht, kann revisionsrechtlich nicht beanstandet werden. Der Senat hat zwar Bedenken gegen die Richtigkeit der Auslegung des § 5 der Landesverordnung durch das FG. Er ist jedoch nicht befugt, die Vorschriften der Landesverordnung selbst auszulegen. Soweit das FG Gegenstand und Inhalt, also auch die Zweckbestimmung der in der Landesverordnung geregelten Aufwandsentschädigung festgestellt hat, ist der Senat hieran gemäß § 155 FGO i. V. m. § 562 der Zivilprozeßordnung wie an tatsächliche Feststellungen des FG gebunden. Denn es handelt sich um die Auslegung von Landesrecht, auf dessen Verletzung die Revision nicht gestützt werden kann (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Einwände des FA gegen die Auslegung des § 5 der Landesverordnung durch das FG können daher keine Beachtung finden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Juni 1989 VI R 154/86, BFHE 157, 530, BStBl II 1990, 121, 123, und VI R 27/88, BFHE 157, 535, BStBl II 1990, 123, 125, m. w. N.).
2. Das Urteil ist revisionsrechtlich aber insofern zu beanstanden, als das FG die geltend gemachten Werbungskosten abgezogen hat, ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob bei seinem Verständnis des Abgeltungsbereichs der Aufwandsentschädigung nach § 5 der Landesverordnung noch die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit gegeben sind.
Das FG geht in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon aus, daß die dem Kläger gemäß § 5 der Landesverordnung gezahlte Aufwandsentschädigung steuerfrei belassen worden ist. Es hat die Steuerfreiheit aus § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG abgeleitet. Dies setzt voraus, daß die Aufwandsentschädigung nicht - wie Satz 1 des § 3 Nr. 12 EStG es erfordert - im Haushaltsplan ausgewiesen ist. Die Steuerfreiheit einer Aufwandsentschädigung nach Satz 2 des § 3 Nr. 12 EStG ist aber dann nicht gegeben, wenn die Aufwandsentschädigung den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigt. Zwischen der Frage, ob eine Aufwandsentschädigung den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigt, und der Frage, wofür eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird, besteht ein direkter Zusammenhang. Wird der Abgeltungsbereich einer Aufwandsentschädigung eng ausgelegt, so besteht eher die Möglichkeit, daß die Aufwandsentschädigung den Aufwand übersteigt, als bei der Annahme eines weiten Abgeltungsbereichs. Nachdem das FG abweichend von der Meinung der Verwaltung einen engen Abgeltungsbereich der Aufwandsentschädigung gemäß § 5 der Landesverordnung angenommen und damit insbesondere auch die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf Einrichtungsgegenstände aus dem Abgeltungsbereich der Aufwandsentschädigung herausgenommen hat und - in Konsequenz davon - entsprechend auch die anteiligen auf ein sich im eigenen Haus des Gerichtsvollziehers befindliches Büro entfallenden AfA behandelt werden müßten, stellt sich in erhöhtem Maße die Frage, ob die Aufwandsentschädigung den Aufwand übersteigt. Das FG wird deshalb den Beteiligten im zweiten Rechtsgang Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu dieser Frage zu geben haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß sich die Prüfung nicht darauf zu erstrecken hat, welche Aufwendungen einem einzelnen Steuerpflichtigen in einem einzelnen Jahr tatsächlich erwachsen sind, sondern darauf, ob Personen in gleicher dienstlicher Stellung im Durchschnitt der Jahre Aufwendungen in etwa der Höhe der Aufwandsentschädigung erwachsen (vgl. Urteil in BFHE 157, 530, BStBl II 1990, 121, 123, m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 418079 |
BFH/NV 1992, 243 |