Leitsatz (amtlich)
1. Versorgungsleistungen, die eine Personengesellschaft an die Witwe eines verstorbenen Gesellschafters aufgrund des Gesellschaftsvertrags als Vergütung für die Tätigkeit dieses Gesellschafters als Geschäftsführer zahlt, sind bei der Ermittlung des Gesamtgewinns der Personengesellschaft als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn die Witwe nicht Gesellschafterin (Mitunternehmerin) ist; § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG ist auf diese Versorgungsleistungen nicht anwendbar, weil diese zwar Vergütungen für eine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft sind, aber nicht von einem Gesellschafter (Mitunternehmer) bezogen werden.
2. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags sind diese Versorgungsleistungen dem Gewinn der Personengesellschaft nicht gemäß § 8 Nr. 2 GewStG hinzuzurechnen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 2; GewStG § 8 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betreibt ein ... werk. Ihr Bilanzstichtag ist der 30. Juni.
Gesellschafter der Klägerin waren bis 1976 A und B als Komplementäre sowie C und D als Kommanditisten.
Die persönlich haftenden Gesellschafter A und B waren zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt und verpflichtet. Sie erhielten dafür eine über Unkosten zu verbuchende Tätigkeitsvergütung. Im Gesellschaftsvertrag war außerdem bestimmt, daß die Geschäftsführer im Falle dauernder Erkrankung pensioniert werden und dann 75 % ihrer bisherigen Gehalts- und Tantiemebezüge erhalten, und daß im Falle ihres Todes die Witwe 50 % der früheren Gesamtbezüge erhält.
Der Gesellschafter A ist am 12. Januar 1976 verstorben. Er wurde von seiner Witwe (im folgenden Frau A, der Beigeladenen zu 1) und seinen drei Kindern (dem oben erwähnten Kommanditisten C und den Beigeladenen zu 2 und 3) zu je 1/4 beerbt. Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin war für den Fall des Todes des A vorgesehen, daß die Gesellschaft mit den Erben des A fortgesetzt wird. Im Rahmen eines Teilerbauseinandersetzungsvertrags vom 17. Februar 1976 einigten sich die Beteiligten dahin, daß der im Erbwege auf Frau A übergegangene Bruchteil des Gesellschaftsanteils des A von C übernommen wird. Die Beigeladenen zu 2 und 3 sind zum 30. Juni 1977 aus der Klägerin ausgeschieden.
Im Wirtschaftsjahr 1976/77 zahlte die Klägerin aufgrund der im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Pensionszusage an Frau A Witwenbezüge von insgesamt 43 105 DM. Die Klägerin verbuchte diese Leistungen als Unkosten und zog sie bei der Ermittlung ihres Gewinns für das Streitjahr 1977 als Betriebsausgaben ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber bei der gesonderten Feststellung des Gewinns der Klägerin für 1977 die Auffassung, daß die Witwenbezüge der Frau A den gesondert festzustellenden Gewinn der Klägerin nicht als Betriebsausgaben mindern könnten, sondern als nachträgliche Vergütungen für die Tätigkeit des verstorbenen Gesellschafter-Geschäftsführers A im Dienste der Klägerin gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Form eines Gewinnvorabs der Frau A in die gesonderte Gewinnfeststellung der Klägerin einzubeziehen seien.
Den Einspruch der Klägerin wies das FA zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hob der Senat mit Urteil vom 21. Januar 1982 IV R 9/81 die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zurück; der Senat hielt es für erforderlich, Frau A sowie die zum 30. Juni 1977 aus der KG ausgeschiedenen Kommanditisten gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beizuladen.
Im zweiten Rechtsgang wies das FG - nach vorausgegangener Beiladung der Frau A und der ausgeschiedenen Kommanditisten - die Klage erneut ab. Das FG entschied, die an Frau A gezahlte Witwenrente sei keine betriebliche Versorgungsrente und deshalb auch keine Betriebsausgabe der Klägerin; es handele sich vielmehr um den nachträglich zugunsten eines Dritten - der Witwe - gezahlten Teil des gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gewinnanteils des verstorbenen Gesellschafter-Geschäftsführers A.
Mit der Revision beantragt die Klägerin sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Zahlungen an Frau A als Betriebsausgaben anzuerkennen und dabei zu berücksichtigen, daß die Zahlungen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht nach § 8 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzuzurechnen sind, so daß sich mit der Anerkennung der Zahlungen als Betriebsausgaben die Gewerbesteuerrückstellung entsprechend mindert. Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung sind aufzuheben; der Gewinnfeststellungsbescheid ist teilweise aufzuheben und dem FA gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFG-EntlG) aufzugeben, den Gewinn der Klägerin neu festzustellen und zu verteilen.
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb u. a. "die Gewinnanteile der Gesellschafter ... einer Kommanditgesellschaft ... und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft ... bezogen hat".
a) Hierzu hat die Vorentscheidung ausgeführt: Erteile eine Personengesellschaft einem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Ruhegehaltszusage, so sei dies eine zusätzliche Vergütung für die Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft, die nicht den Gewinn der Gesellschaft, sondern nur die Gewinnanteile der übrigen Gesellschafter mindern könne. Dies gelte auch, soweit aus einer Pensionszusage Dritte (Hinterbliebene) begünstigt seien, die nicht Gesellschafter seien. Denn die Rechtsnatur eines Vertrags zugunsten Dritter bestimmt sich nach dem Verhältnis zwischen dem Versprechenden und dem Versprechensempfänger, im Streitfall also zwischen der Klägerin und dem Gesellschafter A. Demgemäß bilde der durch den Gesellschaftsvertrag begründete Pensionsanspruch der Frau A einen Teil des dem A als Gesellschafter-Geschäftsführer zugebilligten Vorweggewinns; er beruhe auf der früheren Tätigkeit des A im Dienste der Gesellschaft. Das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod ändere hieran nichts, weil dadurch die Rente ihren Charakter als Vergütung für die Tätigkeit des verstorbenen Gesellschafters als Geschäftsführer nicht verliere, ebenso wie umgekehrt die einem Arbeitnehmer erteilte Pensionszusage bei späterem Eintritt in die Gesellschaft nicht zu einer Vergütung für eine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft werde.
Diesen Ausführungen kann der Senat im Ergebnis nicht beipflichten.
Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erfaßt nach ihrem Wortlaut nur Vergütungen, "die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft" bezogen hat. Erforderlich ist danach, daß derjenige, der eine Vergütung bezieht, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Vergütung als Aufwand in der Handels- und Steuerbilanz der Gesellschaft in Erscheinung tritt, unmittelbar oder mittelbar (noch) Gesellschafter (Mitunternehmer) der Personengesellschaft ist. Der Vorentscheidung ist allerdings zuzugeben, daß die Zwecksetzung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG, so wie sich diese nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darstellt, rechtfertigen würde, die Vorschrift auch auf Vergütungen anzuwenden, die ein Nicht-Gesellschafter als Gesamtrechtsnachfolger eines Gesellschafters oder aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter als Gegenleistung für eine Tätigkeit des Gesellschafters im Dienste der Gesellschaft erhält. Denn wenn es einerseits der Zwecksetzung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG entspricht, die Vorschrift nicht anzuwenden auf Versorgungsbezüge, die der Gesellschafter einer Personengesellschaft bezieht, aber in einer Zeit erdient hat, in der er nur Arbeitnehmer der Personengesellschaft war (BFH-Urteil vom 8. Januar 1975 I R 142/72, BFHE 115, 37, BStBl II 1975, 437; vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Januar 1976 IV R 42/73, BFHE 118, 176, BStBl II 1976, 372) oder in der die Personengesellschaft noch die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft hatte (BFH-Urteile vom 22. Juni 1977 I R 8/75, BFHE 123, 127, BStBl II 1977, 798; vom 11. Dezember 1980 IV R 91/77, BFHE 132, 442, BStBl II 1981, 422), würde folgerichtig andererseits die Zwecksetzung der Norm erfordern, sie auf Versorgungsbezüge anzuwenden, die Entgelt für eine Tätigkeit eines Gesellschafters einer Personengesellschaft im Dienste der Gesellschaft sind, auch wenn derjenige, der die Bezüge erhält, seinerseits nicht Gesellschafter der Personengesellschaft ist. Gleichwohl ist es nicht zulässig, die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG allein wegen ihrer Zwecksetzung über ihren Wortlaut hinaus auch auf die von einem Nicht-Gesellschafter bezogenen Vergütungen für die Tätigkeit eines Gesellschafters im Dienste der Gesellschaft anzuwenden. Denn die Zwecksetzung der Norm ist in den Fällen nicht zu verwirklichen, in denen Versorgungsleistungen an die Witwe eines Gesellschafters erbracht werden, der durch Tod aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft in der Weise ausgeschieden ist, daß das Unternehmen von dem überlebenden Gesellschafter als Einzelunternehmen fortgeführt wird. Es erscheint dem Senat nicht möglich, in diesem Falle bei der Gewinnermittlung für das Einzelunternehmen die Versorgungsbezüge der Witwe als deren "Vorabgewinn" zu werten und demgemäß für den Einzelunternehmer und die Witwe einen Gesamtgewinn einheitlich und gesondert festzustellen. Wenn aber der Zweck der Norm ohnehin nicht voll zu realisieren ist, dann muß es auch in anderen Fällen bei einer wortgetreuen, hinter der Zwecksetzung der Norm zurückbleibenden Rechtsanwendung verbleiben (vgl. auch Jansen/Wrede, Renten, Raten, Dauernde Lasten, 7. Aufl., S. 164; anderer Ansicht Schmidt, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 15 Anm. 90).
Von diesem Gesetzesverständnis ist der Senat stillschweigend in seinem Urteil vom 18. Januar 1979 IV R 76/76 (BFHE 127, 171, BStBl II 1979, 403) ausgegangen.
b) Die bisherige Rechtsprechung des BFH nimmt allerdings an, daß eine Personengesellschaft für die Verpflichtung aus einer Versorgungszusage gegenüber einem Gesellschafter-Geschäftsführer zu Lasten ihres gesondert festzustellenden Gesamtgewinns auch insoweit keine Rückstellung bilden kann, als die Verpflichtung auf die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung zugunsten von Personen gerichtet ist, die nicht Gesellschafter sind (vgl. Urteile vom 21. Dezember 1972 IV R 53/72, BFHE 107, 564, BStBl II 1973, 298, und in BFHE 115, 37, 39, BStBl II 1975, 437).
Der Senat kann offenlassen, ob die Erkenntnis, daß auch die auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Versorgungsleistungen an einen Nicht-Gesellschafter den festzustellenden Gesamtgewinn einer Personengesellschaft mindern, folgerichtig dazu führen muß, daß bereits vor Eintritt des Versorgungsfalls für die Verpflichtung zu künftigen Leistungen gewinnmindernd Rückstellungen gebildet werden können, oder ob dem entgegensteht, daß nach dem BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 72/76 (BFHE 131, 303, BStBl II 1980, 741) für betriebliche Versorgungsrenten allgemein keine Rückstellungen gebildet werden dürfen. Denn im Streitfall ist nur über die laufenden Zahlungen zu befinden.
c) Die an Frau A gezahlten Bezüge mindern demnach den einheitlich festzustellenden Gewinn der Klägerin; sie sind aber in voller Höhe im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Frau A gemäß § 24 Nr. 2 EStG als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen.
2. Antragsgemäß ist der Gewinn der Klägerin um 43 105 DM niedriger festzustellen. Dieser Gewinnminderung ist jedoch eine anteilige Auflösung der Gewerbesteuerrückstellung gegenzurechnen. Zu Recht hat der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, daß die Zurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 2 GewStG auf die Zahlungen der Klägerin an Frau A nicht anwendbar ist. Zwar erfaßt § 8 Nr. 2 GewStG nach dem Urteil des Senats vom 12. Mai 1966 IV 80/62 (BFHE 86, 559, BStBl III 1966, 597) nicht nur betriebliche Veräußerungsrenten, sondern auch eine beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft vereinbarte betriebliche Versorgungsrente, und zwar unabhängig davon, ob der Gesellschaftsanteil des ausgeschiedenen Gesellschafters entgeltlich oder unentgeltlich auf einen anderen übergeht. Im Streitfall erhält Frau A aber eine bereits im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Vergütung für die Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes als Gesellschafter-Geschäftsführer; diese kann nicht wirtschaftlich mit dem Erwerb eines "Anteils am Betrieb" zusammenhängen, weil bei Abschluß des Gesellschaftsvertrags noch nicht vorhersehbar war, auf wen der Anteil des A nach dessen Tod übergehen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 74976 |
BStBl II 1984, 431 |
BFHE 1984, 549 |