Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen im Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe
Leitsatz (NV)
1. Wird der Betrieb einer Personengesellschaft aufgegeben, so ist in den Aufgabegewinn (§ 16 Abs. 3 EStG) auch der Gewinn einzubeziehen, den die Gesellschafter aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe erzielten.
2. Grundstücke eines Gesellschafters sind nur dann notwendiges Sonder-Betriebsvermögen, wenn sie der Personengesellschaft unmittelbar für betriebliche Zwecke dienen.
3. Grundstücke eines Gesellschafters können zu gewillkürtem Sonder-Betriebsvermögen gemacht werden, wenn sie objektiv geeignet sind, dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen, sie für diesen Zweck bestimmt sind und dies auch buchmäßig deutlich gemacht wird.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) sind die Erben des 1972 verstorbenen Ziegeleibesitzers H. Dieser unterhielt zunächst gemeinsam mit dem Gesellschafter E ein Ton- und Ziegelwerk in der Rechtsform der OHG. Zum 31. Dezember 1960 schied E aus der Gesellschaft aus. Zuvor verkaufte die OHG im September 1960 Teile ihres Grundbesitzes an H und E; H und E wurden als neue Eigentümer im Grundbuch eingetragen. H führte in der Folge das Werk als Einzelunternehmer weiter. Zum 1. Januar 1964 nahm er die Klägerinnen zu 2 bis 5 als Kommanditistinnen in das Unternehmen auf; nach seinem Tode im Jahre 1972 wurde die Klägerin zu 1 Komplementärin der KG.
Im März 1971 hatte H für 6,9 Mio DM Grundstücke an X veräußert. Im Zusammenhang damit stellte die KG ihren Betrieb ein. Sie widmete sich später nur noch der Vermögensverwaltung; 1979 wurde sie im Handelsregister gelöscht.
Nach einer Betriebsprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) davon aus, daß der Betrieb der KG im Jahre 1971 aufgegeben worden sei; bei Ermittlung des Aufgabegewinns im Gewinnfeststellungsbescheid 1971 erfaßte das FA auch den Gewinn aus der Grundstücksveräußerung. Demgegenüber machten die Klägerinnen geltend, daß ein Teil dieser Grundstücke aus dem Kaufvertrag des H mit der OHG stamme; sie seien bei ihm Privatvermögen geworden und geblieben. Nach erfolglosem Einspruch erhoben sie Klage zum Finanzgericht (FG). Dieses wies die Klage ab, nachdem es den früheren Steuerberater des E als Zeugen gehört hatte.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
Die Klägerinnen beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Aufgabegewinn um 3 609 400 DM niedriger festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Klägerinnen stützen ihre Revision vor allem darauf, daß das FG Beweisanträge zu Unrecht übergangen habe. Der Senat braucht hierauf im einzelnen nicht einzugehen. Er läßt insbesondere offen, ob das FG seinen Beweisbeschluß auf Vernehmung des Zeugen E wieder aufheben konnte, ob es hierzu vorab die Prozeßbeteiligten hören mußte und ob dies in ausreichender Weise geschehen ist, sowie ferner auch, ob ein Beweisantrag auf Vernehmung des E als Zeugen fortbestand und ob das FG diesen Antrag durch Aufhebung des Beweisbeschlusses übergehen durfte. Ebenso kann dahinstehen, ob die Klägerinnen weitere Beweisanträge auf Beiziehung von Akten sowie zur Vernehmung weiterer Zeugen gestellt haben und ob das FG auch diese Anträge übergehen durfte. Denn das FG hat der Würdigung seiner tatsächlichen Feststellungen einen unzutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt zugrundegelegt; es kann nicht ausgeschlossen werden, daß es bei anderer rechtlicher Würdigung zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre.
2. Im Streitfall ist entscheidungserheblich, welchen Umfang der anläßlich der Einstellung des Gewerbebetriebs der KG im Jahre 1971 realisierte Aufgabegewinn hatte (§ 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Hierbei sind auch die Gewinne aus der Veräußerung der der Gesellschaft zuzurechnenden Grundstücke zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um jene Grundstücke, die bei Beendigung der OHG am 31. Dezember 1960 in ihrem gesamthänderischen Betriebsvermögen standen, danach Bestandteil des Einzelunternehmens des H waren und alsdann in das Vermögen der KG übergingen. Hierbei hat keine Bedeutung, ob die Gesellschafter - wofür der vom FG wiedergegebene Sachvortrag der Klägerinnen spricht - aus Vereinfachungsgründen auf die grundbuchmäßige Übertragung der Grundstücke seitens H verzichtet haben und dieser die Grundstücke treuhänderisch für die KG hielt.
In die Gewinnfeststellung mußte darüber hinaus als Aufgabegewinn auch ein Gewinn einbezogen werden, den die Gesellschafter aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe erzielten (dazu Schmidt, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 16 Anm. 77). Das FG hat deshalb zutreffend darauf abgestellt, ob die seinerzeit von der OHG an H veräußerten Grundstücke Sonderbetriebsvermögen zu seiner Beteiligung an der KG geworden sind. Nach den Ausführungen des FG wäre dies zu verneinen, wenn H eine Entnahme getätigt hätte, weil er die Grundstücke nicht mehr für Zwecke des Unternehmens oder seiner Beteiligung nutzen wollte, und dies auch nach außen deutlich gemacht hätte. Das FG hat den Tatsachenstoff unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt gewürdigt. Ihm ist jedoch nicht zuzustimmen.
3. Im Streitfall sind die Grundstücke dem H nicht aufgrund seiner Gesellschafterstellung übertragen worden; vielmehr hat die OHG sie an ihn zu einem bestimmten Kaufpreis veräußert. Ein solches Veräußerungsgeschäft einer gewerblich tätigen Personengesellschaft kann auch nicht teilweise, nämlich insoweit als Entnahme angesehen werden, als der erwerbende Gesellschafter an der Gesellschaft und damit auch am Gesamthandsvermögen beteiligt ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Juli 1980 IV R 136/77, BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84; vom 5. November 1985 VIII R 257/80, BFHE 145, 58, BStBl II 1986, 53).
Die derart erlangten Grundstücke wären nur dann notwendiges Sonderbetriebsvermögen des H geworden, wenn sie der OHG oder später der KG weiterhin unmittelbar für betriebliche Zwecke gedient hätten (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1981 I R 62/77, BFHE 134, 264, BStBl II 1982, 107 m. w. N.). Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, konnte H die Grundstücke zu gewillkürtem Sonderbetriebsvermögen machen, wenn sie objektiv geeignet waren, dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen, er sie für diesen Zweck bestimmt und dies auch buchmäßig deutlich gemacht hatte (vgl. BFH-Urteile vom 19. März 1981 IV R 39/78, BFHE 133, 513, BStBl II 1981, 731; vom 6. Mai 1986 VIII R 160/85, BFHE 147, 313, BStBl II 1986, 838).
Hätte die OHG die Grundstücke zu einem unangemessenen niedrigen Entgelt veräußert, wäre in dem Minderbetrag eine Entnahme zu sehen gewesen, falls die erworbenen Grundstücke bei H Privatvermögen geworden wären (vgl. BFH-Urteil vom 6. August 1985 VIII R 280/81, BFHE 144, 386, BStBl II 1986, 17); dagegen wäre in diesem Fall eine Entnahme zu verneinen, wenn er die Grundstücke in der bezeichneten Weise zu notwendigem oder gewillkürtem Sonderbetriebsvermögen gemacht hätte.
4. Daß H Gründe hatte, den erworbenen Grundbesitz, obwohl er Privatvermögen sein konnte, zu gewillkürtem Betriebsvermögen zu machen, hat das FG nicht festgestellt. Dies entspricht in der Regel nicht den Interessen des Gesellschafters, weil dadurch ein Wertzuwachs des Grundbesitzes als Teil der gewerblichen Einkünfte versteuert werden müßte. Im Streitfall ergeben sich aus der vom FG zitierten Besprechungsnotiz vom 8. September 1960 Anhaltspunkte dafür, daß durch die Veräußerung der Grundstücke bestehende Preisstoppvorschriften ausgenutzt werden sollten; dies konnte aber nur Erfolg haben, wenn die Grundstücke Privatvermögen wurden. Mit dieser Absicht ist auch in anderen Fällen versucht worden, unter Ausnutzung der Preisbindungsvorschriften Grundstücke in das Privatvermögen zu überführen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 1970 IV 166/65, BFHE 99, 482, BStBl II 1970, 721). Es müßten besondere Gründe dafür vorliegen, daß H die Grundstücke gleichwohl zu gewillkürtem Sonderbetriebsvermögen machen wollte. Dies hätte auch buchmäßig deutlich gemacht werden müssen, indem H die Grundstücke mit ihrem Kaufpreis von 55 018 DM in eine Sonderbilanz aufnahm oder für ihre Aufnahme in die Bilanz der OHG oder KG sorgte. Hierüber hat das FG keine Feststellungen getroffen.
5. Läßt sich nicht feststellen, daß H gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen geschaffen hat, kann der für die übertragenen Grundstücke im Jahre 1971 erzielte Veräußerungserlös nur dann im Aufgabegewinn berücksichtigt werden, wenn sie die Eigenschaft von notwendigem Sonderbetriebsvermögen besaßen. Dies würde voraussetzen, daß sie für das Unternehmen der OHG, den späteren Einzelbetrieb und danach den Betrieb der KG benötigt wurden. Dies wäre auch ohne unmittelbare Nutzung für den laufenden Betrieb der Fall, wenn sie abbauwürdige Tonvorkommen enthielten, die für den weiteren Betrieb des Unternehmens erforderlich waren. Handelte es sich um ,,ausgeziegelte" Grundstücke, wäre dies nicht anzunehmen; andererseits ist nicht ohne weiteres verständlich, welches Interesse die X am Erwerb solcher Grundstücke für ihre Bauvorhaben gehabt haben sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 416136 |
BFH/NV 1989, 774 |