Leitsatz (amtlich)
Benutzt ein Einzelunternehmer einen dem unternehmerischen Bereich zugeordneten PKW zeitweilig privat, so liegt auch insoweit Eigenverbrauch nach § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 vor, als die Privatfahrten über Wegstrecken außerhalb des Erhebungsgebietes führen.
Orientierungssatz
Für den Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 richtet sich der Leistungsort danach, wo gemäß § 3a UStG 1980 der Ort einer entsprechenden, einem Dritten gegenüber bewirkten sonstigen Leistung läge.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 3a
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständiger Steuerberater. Er führt "als Unternehmensvermögen" einen PKW, der auch zu privat veranlaßten Fahrten benutzt wird.
Bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer 1980 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Hinblick auf private PKW-Nutzung für Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) ... DM als Bemessungsgrundlage an.
Demgegenüber vertritt der Kläger mit seiner --als Sprungklage erhobenen-- Klage die Ansicht, die Privatfahrten würden nur etwa zur Hälfte im Erhebungsgebiet, im übrigen aber im Ausland, namentlich in Frankreich, ausgeführt. Es würden Beförderungsleistungen entnommen. Der Ort der Beförderungsleistungen (§ 3a Abs.2 Nr.2 UStG 1980) sei deshalb nur zur Hälfte das Erhebungsgebiet, zur anderen Hälfte aber das Außengebiet. Der im Außengebiet stattfindende Eigenverbrauch sei nicht umsatzsteuerbar.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab und führte hierzu aus, die umstrittene Umsatzsteuerfestsetzung sei nicht rechtswidrig. Der Umsatzsteuer unterliege nach § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 der darin bestehende Eigenverbrauch im Erhebungsgebiet, daß der Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens eine sonstige Leistung (§ 3 Abs.9 UStG 1980) für Zwecke außerhalb seines Unternehmens ausführe. Dieser Tatbestand werde verwirklicht, wenn der Unternehmer einen PKW des Unternehmensvermögens für Privatfahrten verwende. Bei Privatfahrten würden keine Beförderungsleistungen erbracht. Deshalb erstrecke sich der Eigenverbrauch bei grenzüberschreitenden Fahrten nicht auf das Außengebiet. § 3a Abs.2 Nr.2 UStG 1980 sei in einem solchen Falle nicht anzuwenden. Der Eigenverbrauch bestehe in einem Zurverfügungstellen des PKW (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9.Februar 1961 V 66/58 U, BFHE 72, 475, BStBl III 1961, 173). Es liege ein mietähnlicher Vorgang vor. Die Vermietung von Beförderungsmitteln (§ 3a Abs.2 Nr.4 UStG 1980) werde nicht dort ausgeführt, wo das Beförderungsmittel genutzt werde, sondern an dem Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe (§ 3a Abs.1 UStG 1980). Dieser Ort liege im Streitfall im Erhebungsgebiet. Bei einer grenzüberschreitenden Privatfahrt liege Eigenverbrauch im Erhebungsgebiet auch insoweit vor, als Wegstrecken im Außengebiet befahren würden.
Mit der --vom BFH zugelassenen-- Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer im Umsatzsteuerbescheid 1980 vom 8.Juni 1982 auf ... DM herabzusetzen. Er rügt --sinngemäß-- Verletzung von § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b, § 3a Abs.2 Nr.2 und § 3 Abs.9 UStG 1980 und macht geltend, es sei schon zweifelhaft, ob in Fällen der privaten PKW-Nutzung durch nicht dem Beförderungsgewerbe angehörende Unternehmer die Voraussetzungen des Leistens im Rahmen des Unternehmens (§ 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980) gegeben seien. Werde dies bejaht, so sei der Zweck der Leistung das eigentliche Kriterium des Eigenverbrauchs. Vom Leistungszweck hänge es ab, ob eine Leistung Eigenverbrauch oder eine gewöhnliche Leistung darstelle. Das Umsatzsteuerrecht unterscheide zwischen einem Leistungszweck der außerhalb des Unternehmens liege, und einem solchen innerhalb. Damit dieses Kriterium seine Funktion erfüllen könne, sei die Vorstellung notwendig, daß es Leistungen im realen --weiteren-- Sinne (Hinweis auf: Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1982, 184) und Leistungen im engeren Sinne gegen Entgelt gebe. § 3 Abs.9 UStG 1980 umfasse nicht nur Leistungen gegen Entgelt, sondern Leistungen aller Art, die nicht in Lieferungen bestehen, also Leistungen im weiteren Sinne. Durch Entgeltlichkeit würden diese steuerpflichtig. Ohne Entgeltlichkeit seien sie nur dann steuerpflichtig, wenn der Zweck außerhalb des Unternehmens liege. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Leistung im weiteren Sinne durch Unentgeltlichkeit und durch einen außerhalb des Unternehmens liegenden Zweck zum Eigenverbrauch werde und ob dieser Eigenverbrauch innerhalb des Erhebungsgebietes stattfinde, sei logisch die Rangfolge vorgegeben, daß zuerst die reale Leistung (Leistung im weiteren Sinne) bestimmt werden müsse. Im realen Sinne --losgelöst vom möglichen Empfänger-- liege eine Beförderungsleistung mit dem PKW vor, die aufgrund des privaten Zwecks nicht gegen Entgelt ausgeführt werde. Daraus folge weiter, daß Eigenverbrauch vorliege.
Zugleich sei zu prüfen, ob die Leistung im weiteren Sinne im Erhebungsgebiet erbracht werde. Dies richte sich nach § 3a Abs.2 Nr.2 UStG 1980. Da der Eigenverbrauch in einer Beförderungsleistung bestehe, sei er, soweit im Außengebiet stattfindend, nicht steuerbar.
Beim Vorgehen nach einer anderen Rangfolge würde der wirkliche reale Charakter einer Leistung durch die Frage entschieden, wer der Nutznießer der Leistung sei. Dies würde zu der unhaltbaren und seltsamen Folge führen, daß die meisten --wenn nicht fast alle-- Eigenverbrauchstatbestände den Charakter einer Vermietung (Überlassung) hätten, da in fast allen Fällen des Eigenverbrauchs in Gestalt von sonstigen Leistungen auch Gegenstände des Unternehmens verwendet würden. So benutze er, der Kläger, als Steuerberater jetzt gerade seine Schreibmaschine, das Büro usw., und dies würde dazu führen, daß die kombinierten Leistungen aufgeteilt werden müßten in eine Überlassung und in eine andere Leistung. Dies wäre gerade das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber gewollt habe.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der angefochtene Umsatzsteuerbescheid nicht im Hinblick auf die Besteuerung des Eigenverbrauchs rechtswidrig ist.
1. Das FA durfte den Kläger wegen Eigenverbrauchs durch Verwendung des PKW für Privatfahren nach einer Bemessungsgrundlage von ... DM zur Umsatzsteuer heranziehen.
a) Gemäß § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 unterliegt der Umsatzsteuer u.a. ein in Eigenverbrauch im Erhebungsgebiet bestehender Umsatz. Eigenverbrauch ist u.a. gegeben, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens sonstige Leistungen der in § 3 Abs.9 UStG 1980 bezeichneten Art für Zwecke ausführt, die außerhalb des Unternehmens liegen. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 5.April 1984 V R 51/82, BFHE 140, 393, BStBl II 1984, 499), fällt hierunter insbesondere ein Sachverhalt des Inhalts, daß ein dem unternehmerischen Bereich zugeordnetes Kfz vom Unternehmer privat benutzt wird (zum Eigenverbrauch durch Entnahme von Gegenständen vgl. BFH- Urteil vom 3.November 1983 V R 4/73, BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169).
b) Nach den Feststellungen des FG sind die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 erfüllt.
aa) Der Kläger ist Unternehmer. Die in der Vorschrift näher bezeichnete Leistung hat sich im Rahmen seines Unternehmens abgespielt. Das FG hat festgestellt, daß der Kläger den PKW "als Unternehmensvermögen" führt. Hierunter ist zu verstehen, daß der Kläger das Kfz seinem unternehmerischen Bereich zugeordnet hatte (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18.Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350, unter I.1.a und b) und während des Streitjahres zugeordnet beließ. Wird ein dem unternehmerischen Bereich zugeordneter Gegenstand durch den Unternehmer zeitweilig privat genutzt, so wird die im Gesetz näher beschriebene Leistung kraft der Zuordnung des Gegenstandes zum unternehmerischen Bereich vom Unternehmer "im Rahmen seines Unternehmens" i.S. des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 bewirkt. In dieser Hinsicht gilt nichts anderes als in denjenigen Fällen, in denen der Unternehmer den Gegenstand nicht selbst privat (nichtunternehmerisch) nutzt, sondern die Nutzung einem Dritten überläßt.
bb) Die mit "sonstige Leistungen der in § 3 Abs.9 bezeichneten Art" umschriebene tatbestandsmäßige Voraussetzung des Eigenverbrauchs i.S. des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 ist dahin zu verstehen, daß hierunter Vorgänge fallen, die den sonstigen Leistungen (§ 3 Abs.9 UStG 1980) entsprechen, so daß nicht nur eine Überlassung der Nutzung an Dritte, sondern auch die private Nutzung durch den Unternehmer selbst erfaßt wird (vgl. Urteil in BFHE 140, 393, BStBl II 1984, 499).
cc) Die "sonstige Leistung der in § 3 Abs.9 bezeichneten Art" ist im vorliegenden Fall ferner für Zwecke ausgeführt worden, die außerhalb des Unternehmens liegen. Mit dem Begriff des Unternehmens knüpft das Gesetz an § 2 Abs.1 Satz 2 UStG 1980 an, wonach das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers umfaßt. Wird ein dem unternehmerischen Bereich zugeordneter PKW vom Unternehmer zeitweilig privat genutzt, so werden nicht Zwecke der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Unternehmers verfolgt, sondern solche (privaten) Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen.
dd) Der Eigenverbrauch hat schließlich im Erhebungsgebiet stattgefunden. Hierbei kann unentschieden bleiben, ob davon auszugehen ist, daß als Ort des Eigenverbrauchs immer derjenige Ort angesehen werden muß, an dem die dem Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.2 UStG 1980 entsprechende Wertabgabe stattfindet, nicht derjenige Ort, an dem es zur Verwertung der Wertabgabe kommt (vgl. Weiß, Steuerberater Kongreß-Report 1981, 131 ff., 141 f., und UR 1984, 57 f., 58), oder ob insoweit die Regelungen für Lieferungen und sonstige Leistungen (§§ 3, 3a UStG 1980) entsprechend anzuwenden sind (vgl. Abschn.7 Abs.2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1988). Auch in letzterem Fall wäre der Eigenverbrauch an dem im Erhebungsgebiet gelegenen Sitz des Klägers bewirkt. Für Eigenverbrauch nach § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 richtete sich der Leistungsort danach, wo gemäß § 3a UStG 1980 der Ort einer entsprechenden, einem Dritten gegenüber bewirkten sonstigen Leistung läge. Dies wäre bei der Überlassung eines Kfz zur privaten Nutzung durch den Unternehmer gemäß § 3a Abs.1 Satz 1 UStG 1980 der Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, mithin im vorliegenden Fall ein Ort im Erhebungsgebiet. Für eine Gleichsetzung mit Beförderungsleistungen bestände kein Anlaß, insbesondere nicht, wenn der vorliegende Fall einem Sachverhalt gegenübergestellt würde, in dem Eigenverbrauch durch PKW-Überlassung an einen Dritten stattfindet. Eine teilweise Leistungsbewirkung außerhalb des Erhebungsgebietes aufgrund des § 3a Abs.2 Nr.4 UStG 1980 in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung wäre nicht im Hinblick auf die teilweise Nutzung außerhalb des Erhebungsgebietes gerechtfertigt; denn die erörterte Leistung ist ihrem Wesen nach wie eine Vermietung von Beförderungsmitteln zu behandeln.
c) Daß die Bemessungsgrundlage unzutreffend ermittelt worden wäre (§ 10 Abs.4 Nr.2 UStG 1980), wird vom Kläger nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 62190 |
BFH/NV 1989, 8 |
BStBl II 1989, 163 |
BFHE 155, 215 |
BFHE 1989, 215 |
BB 1989, 346-347 (LT) |
DB 1989, 463 (LT) |
DStR 1989, 106 (KT) |
HFR 1989, 312 (LT) |