Entscheidungsstichwort (Thema)
Verteilung von Erhaltungsaufwendungen aus der Zeit vor Wegfall der Nutzungswertbesteuerung über den 31.12.1986 hinaus - Vertrauen auf Erhalt einer Steuervergünstigung
Leitsatz (amtlich)
Der Steuerpflichtige kann größere Erhaltungsaufwendungen i.S. des § 82b EStDV, die vor dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung (1.Januar 1987) enstanden sind, nicht auf Veranlagungszeiträume verteilen, die nach dem 31.Dezember 1986 beginnen. Die bis zu diesem Zeitpunkt nicht berücksichtigten Aufwendungen sind im Veranlagungszeitraum 1986 in einem Betrag abzuziehen.
Orientierungssatz
1. Die kleine Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 EStG ist auf den Abzug nach § 82b Abs. 1 EStDV auch nicht entsprechend anwendbar; die bis zum Ende der Nutzungswertbesteuerung nicht berücksichtigten Erhaltungsaufwendungen können in den Folgejahren auch nicht als sog. nachträgliche Werbungskosten (Definition, vgl. BFH-Rechtsprechung) abgezogen werden; auch steht dem Steuerpflichtigen kein Wahlrecht zu, ob er die Aufwendungen in einer Summe abziehen oder wie ursprünglich geplant weiter auf Veranlagungszeiträume nach Ende der Nutzungswertbesteuerung verteilen will (vgl. Literatur).
2. Das Vertrauen darauf, daß eine Steuervergünstigung für die Zukunft ungeschmälert erhalten bleibt, wird von Rechts wegen nicht geschützt (vgl. Literatur).
Normenkette
EStG 1987 § 21 Abs. 2 S. 1, § 52 Abs. 21; EStDV 1986 § 82b
Tatbestand
Streitig ist, ob Erhaltungsaufwand aus der Zeit vor Abschaffung der Nutzungswertbesteuerung nach § 82b der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV) auf Veranlagungszeiträume nach Abschaffung der Nutzungswertbesteuerung verteilt werden kann.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer eines selbstgenutzten Einfamilienhauses, für das er im Jahre 1985 Erhaltungsaufwendungen getragen hat, die zwischen den Beteiligten unstreitig sind. Während der Arbeiten zog er für etwa zwei Monate mit seiner Familie aus dem Haus aus. Im Einkommensteuerbescheid 1985 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) antragsgemäß ein Fünftel der Aufwendungen gemäß § 82b EStDV. Im Einkommensteuerbescheid 1986 setzte das FA den gesamten Restbetrag der Aufwendungen als Werbungskosten an. Über den dagegen eingelegten Einspruch, mit dem der Kläger auch für 1986 den Abzug von nur einem Fünftel der Aufwendungen begehrte, hat das FA bisher nicht entschieden. Für das Streitjahr 1987 lehnte das FA den vom Kläger beantragten Abzug eines weiteren Fünftels der Aufwendungen ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 82b EStDV.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO). Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht entschieden, daß der 1985 entstandene Erhaltungsaufwand nach § 82b EStDV nicht auf Veranlagungszeiträume nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung verteilt werden kann.
1. Nach § 82b EStDV kann ein Steuerpflichtiger größere Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die im Zeitpunkt der Leistung des Erhaltungsaufwands nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und überwiegend Wohnzwecken dienen, abweichend von § 11 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen. Nach Abs.2 der Vorschrift in der für das Streitjahr geltenden Fassung (vom 24.Juli 1986, BGBl I 1986, 1239, BStBl I 1986, 399) ist, wenn ein Gebäude während des Verteilungszeitraums veräußert oder in ein Betriebsvermögen eingebracht wird, der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwands im Jahr der Veräußerung oder der Überführung in das Betriebsvermögen als Werbungskosten abzusetzen.
Das Einkommensteuergesetz und die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung enthalten keine ausdrückliche Regelung, wie noch nicht berücksichtigte Erhaltungsaufwendungen gemäß § 82b EStDV nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ab 1.Januar 1987 (EStG 1987 vom 27.Februar 1987, BGBl I 1987, 657, BStBl I 1987, 274) zu behandeln sind. § 52 Abs.21 EStG 1987 bestimmt in Satz 1 lediglich, daß die Vorschriften über die Besteuerung des Nutzungswerts letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden sind; nach der sog. kleinen Übergangsregelung der Sätze 4-7 sind die dort genannten Aufwendungen wie Sonderausgaben abzuziehen. Aus einer entsprechenden Anwendung des § 82b Abs.2 EStDV in Verbindung mit einem Umkehrschluß aus § 52 Abs.21 Sätze 4-7 EStG 1987 ergibt sich aber, daß eine weitere Verteilung der Aufwendungen über den 31.Dezember 1986 hinaus nicht möglich ist. Vielmehr sind im letzten Jahr der Nutzungswertbesteuerung die bis dahin nicht abgezogenen Erhaltungsaufwendungen in einem Betrag zu berücksichtigen.
a) Der Wortlaut des § 82b Abs.1 EStDV könnte zwar dafür sprechen, die Aufwendungen nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung weiterhin entsprechend der ursprünglich getroffenen Wahl zu verteilen. Jedoch bestimmt § 82b Abs.2 EStDV, daß die durch die Verteilung erreichbare Steuervergünstigung nur solange gewährt werden kann, wie der Steuerpflichtige das betreffende Gebäude als privates Wohngebäude zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt. Dieser der Norm zugrundeliegende Grundsatz ist nach der für das Streitjahr maßgebenden Fassung der Vorschrift zwar nur für die Veräußerung des Grundstücks oder seine Einbringung in ein Betriebsvermögen ausdrücklich geregelt und nicht auch für den Fall des Ausscheidens aus der Nutzungswertbesteuerung. Die für Veranlagungszeiträume vor 1990 insoweit bestehende Regelungslücke ist aber durch entsprechende Anwendung des § 82b Abs.2 EStDV zu schließen (gl.A. Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 11.Aufl. 1992, § 10e Anm.3 e; Stephan in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 21 Rn.571 a; Blümich/Stuhrmann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 Anm.253; Meyer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1986, 394, 396 f.). Denn wenn das Gebäude aus der Nutzungswertbesteuerung ausscheidet und als Konsumgut behandelt wird, dient es --ebenso wie nach seiner Veräußerung oder Einbringung in ein Betriebsvermögen-- nicht mehr der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Dem hat der Verordnungsgeber inzwischen dadurch Rechnung getragen, daß nach § 82b Abs.2 Satz 2 EStDV 1990 der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwands immer dann in einer Summe abzusetzen ist, wenn das Gebäude nicht mehr zur Einkunftserzielung genutzt wird.
b) Für Veranlagungszeiträume nach 1986 können die Aufwendungen i.S. des § 82b EStDV --entgegen der Auffassung des Klägers-- auch nicht wie Sonderausgaben nach § 52 Abs.21 EStG 1987 abgezogen werden. Die sog. kleine Übergangsregelung des § 52 Abs.21 Sätze 4-7 EStG 1987 zählt diejenigen Steuervergünstigungen abschließend auf, die nach dem Auslaufen der Nutzungswertbesteuerung weiterhin zu gewähren sind. § 82b EStDV ist in dieser Aufzählung nicht enthalten.
Die kleine Übergangsregelung des § 52 Abs.21 EStG ist auf den Abzug nach § 82b Abs.1 EStDV auch nicht entsprechend anwendbar, weil sie insoweit nicht planwidrig unvollständig und somit nicht lückenhaft ist. Wie nach § 82b EStDV verteilte Erhaltungsaufwendungen zu behandeln sind, wenn die Nutzungswertbesteuerung endet, war im Rahmen der kleinen Übergangsregelung nicht regelungsbedürftig. Denn diese Frage ist bereits durch die sachnähere Vorschrift des § 82b Abs.2 EStDV (vor 1990 in entsprechender Anwendung; vgl. oben a) beantwortet. Darin unterscheiden sich Aufwendungen i.S. des § 82b EStDV von Schuldzinsen aus einem vorfinanzierten Bausparvertrag, für die der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) die kleine Übergangsregelung entsprechend angewandt hat (Urteil vom 18.Februar 1992 VIII R 94/90, BFHE 168, 512, BStBl II 1992, 1005). Gegen das Vorhandensein einer Lücke spricht im übrigen auch der Umstand, daß die Vorschrift des § 10d EStG die steuermindernde Wirkung der nach § 82b Abs.2 EStDV im letzten Jahr der Nutzungswertbesteuerung abgesetzten Aufwendungen auch dann sicherstellt, wenn die Aufwendungen das Einkommen dieses Jahres übersteigen.
c) Die bis zum Ende der Nutzungswertbesteuerung nicht berücksichtigten Erhaltungsaufwendungen i.S. des § 82b EStDV können in den Folgejahren auch nicht als sog. nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden (so aber M. Söffing, Deutsche Steuer- Zeitung --DStZ-- 1988, 171, 173). Als solche sind Ausgaben dann abziehbar, wenn sie erst nach Aufgabe der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit anfallen, aber noch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der früheren Einnahmeerzielung stehen (vgl. Senatsurteile vom 23.Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464, und IX R 17/85, BFHE 159, 491, BStBl II 1990, 465; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Anm.2 j, m.w.N). Daran fehlt es. Die Sondervorschrift des § 82b EStDV verlagert lediglich die steuerliche Auswirkung der zuvor angefallenen Werbungskosten in spätere Veranlagungszeiträume.
d) Dem Kläger steht --entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Schencking in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, Anhang 5 zu § 7a Anm.21 f.; Paus, DStZ 1987, 330, 332; ders., DStZ 1988, 273)-- auch kein Wahlrecht zu, ob er die Aufwendungen in einer Summe abziehen oder wie ursprünglich geplant weiter auf Veranlagungszeiträume nach dem Ende der Nutzungswertbesteuerung verteilen will. Das Gesetz sieht kein Wahlrecht vor. Ein solches läßt sich auch nicht --etwa im Sinne einer Billigkeitsregelung-- damit begründen, das Vertrauen des Steuerpflichtigen müsse geschützt werden, weil er seine Finanzierung auf Grund der ursprünglichen Rechtslage geplant und mit der Abschaffung der Nutzungswertbesteuerung nicht gerechnet habe. Das Vertrauen darauf, daß eine Steuervergünstigung für die Zukunft ungeschmälert erhalten bleibt, wird von Rechts wegen nicht geschützt (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 13.Aufl. 1991, S.36 f., m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß die Vorschrift des § 10d EStG die steuerliche Abziehbarkeit größerer Erhaltungsaufwendungen auch dann sicherstellt, wenn die restlichen Aufwendungen, die entsprechend § 82b Abs.2 EStDV im letzten Jahr der Nutzungswertbesteuerung in einer Summe abgezogen werden, das Einkommen dieses Jahres übersteigen.
2. Im Streitfall hat das FG nach diesen Grundsätzen dem Kläger zu Recht den Abzug eines Fünftels der 1985 entstandenen Erhaltungsaufwendungen für das Jahr 1987 versagt. Das selbstgenutzte Einfamilienhaus des Klägers schied nach § 52 Abs.21 Satz 1 EStG 1987 mit Wirkung ab 1987 aus der Nutzungswertbesteuerung aus.
Fundstellen
Haufe-Index 64347 |
BFH/NV 1993, 38 |
BStBl II 1993, 432 |
BFHE 170, 316 |
BFHE 1993, 316 |
BB 1993, 1000 (L) |
DB 1993, 1119-1121 (LT) |
DStR 1993, 942 (KT) |
DStZ 1993, 408 (KT) |
HFR 1993, 390 (KT) |
StE 1993, 266 (K) |