Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein kreiseigenes Gruppenwasserwerk, das die Gemeinden des Kreises mit Wasser beliefert, bewirkt keine mit dem Betriebe von Wasserwerken regelmäßig verbundenen Umsätze, wenn es die im Eigentum der Gemeinden stehenden Rohrnetze gegen Entgelt erweitert, erneuert und instand hält.
Normenkette
UStG § 4/5/a; UStDB § 31 Abs. 1; UStG § 12/2/1
Tatbestand
I. Bescheid
Die Gruppenwasserwerke des Bf. beliefern zahlreiche Landgemeinden mit Wasser, die es ihrerseits in eigenen Rohrleitungen an die Verbraucher weitergeben. Die Gruppenwasserwerke haben in den Jahren 1950 bis 1954 an den gemeindeeigenen Ortsnetzen im Auftrage der Gemeinden Erweiterungs-, Erneuerungs- und Instandhaltungsarbeiten zum Gesamtpreise von ...... DM ausgeführt. Streitig ist, ob es sich bei dem Legen und Unterhalten der Ortsnetze um Umsätze handelt, die mit dem Betriebe von Wasserwerken regelmäßig verbunden sind und auf die infolgedessen die Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 1 UStDB 1951 (ß 30 Abs. 1 UStDB 1938) anzuwenden ist. Der Bf. hat diese Umsätze als steuerfrei angesehen. Das Finanzamt hat auf Vorschlag der Betriebsprüfung die Steuerfreiheit verneint. Die Berufung hiergegen wurde von der Vorinstanz als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 (ß 30 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1938) sind die Wasserwerke der Gebietskörperschaften außer mit ihren Wasserlieferungen mit denjenigen Umsätzen umsatzsteuerfrei, die mit dem Betrieb von Wasserwerken regelmäßig verbunden sind. In § 31 (ß 30) Abs. 1 Satz 3 UStDB sind als Beispiele für solche Umsätze unter anderem das Legen und Unterhalten der Leitungen genannt. Popitz (Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl., S. 603) hatte schon den § 27 Satz 3 UStDB 1926 (RGBl I S. 323), der "die auf die Leitungen bezüglichen Installationsarbeiten" für steuerfrei erklärte, als auslegungsbedürftig angesehen und angenommen, daß Arbeiten an den hinter den Wohnungszählern befindlichen sogenannten Innenleitungen nicht darunter fallen. Der Reichsfinanzhof hat sich im Urteil I Aa 829/28 vom 23. April 1929 (RStBl S. 346), in dem die Körperschaftsteuerpflicht von Leitungsinstallationen durch Gas- und Elektrizitätswerke streitig war, dieser Ansicht mit der Begründung angeschlossen, die Installationen von Innenleitungen hätten mit der eigentlichen Aufgabe der Gas- und Elektrizitätswerke, nämlich der Versorgung der Bevölkerung mit Gas- und Elektrizität, nicht mehr zu tun als die in § 27 Satz 2 UStDB 1926 für steuerpflichtig erklärten Verkäufe von Beleuchtungs- und Heizkörpern. Es handele sich hierbei um Geschäfte, die ebensogut von privaten Unternehmern ausgeführt werden könnten. Seitdem ist es in der Verwaltungspraxis und im Schrifttum üblich geworden, zwischen Lieferungsleitungen und Verbrauchsleitungen zu unterscheiden und das Legen und Unterhalten er ersteren für steuerfrei, der letzteren für steuerpflichtig anzusehen. Hierbei wird offensichtlich von dem Hauptfall ausgegangen, daß die Gebietskörperschaft unmittelbar an den Verbraucher liefert, Verbraucher und Abnehmer also ein und dieselbe Person sind.
Ist - wie im Streitfalle - zwischen dem kreiseigenen Wasserwerk und den Verbrauchern eine zweite Gebietskörperschaft (Gemeinde) mit eigenem Ortsnetz eingeschaltet, so sind die Rohrleitungen des Ortsnetzes, die sich nur durch ihren Durchmesser von denen des Wasserwerks unterscheiden und wie diese der öffentlichen Wasserversorgung dienen, ihrem gegenständlichen Wesen und ihrem Zweck nach Lieferungsleitungen. Es wäre aber falsch, in diesen Fällen die Gewährung der Steuerfreiheit nur von der Wesensart und dem Zweck der Leitungen abhängig zu machen. Die Gründe, die Schrifttum und Rechtsprechung bewogen haben, das in § 31 (ß 30) Abs. 1 Satz 3 UStDB erwähnte Beispiel "Legen und Unterhalten von Leitungen" eng auszulegen, bestehen auch, wenn es sich um Lieferungsleitungen handelt, die sich aber im Eigentum nicht des Wasserwerks, sondern eines Zwischenlieferers befinden. Es kommt in diesen Fällen weniger auf den Unterschied zwischen Lieferungs- (Versorgungs-) und Verbrauchs- (= Verwendungs-) leitungen als auf die Unterscheidung zwischen Lieferer- und Abnehmerleitungen an. Auch wenn der Abnehmer des Wassers nicht Verbraucher, sondern Zweitlieferer ist, tritt das Wasserwerk beim Legen und Instandhalten der Abnehmerleitungen mit der der Umsatzsteuer unterliegenden privaten Wirtschaft in Wettbewerb. Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, werden solche Arbeiten in der Praxis oft von Tiefbauunternehmen im Zusammenwirken mit Montageunternehmen (oder auch von Firmen, die sich auf das Verlegen und Ausbessern von Rohren spezialisiert haben) übernommen. Wenn der Bf. hiergegen einwendet, daß auch beim Legen und Unterhalten der Liefererleitungen die Versorgungsbetriebe zum privaten Tiefbau- und Montagegewerbe in Wettbewerb stünden, ohne daß dies zu einer Einschränkung der Steuerbefreiung geführt habe, so übersieht er, daß es für die Forderung nach Schonung der privaten Wirtschaft etwas anderes ist, ob der Unternehmer Arbeiten an eigenen Einrichtungen oder im Auftrage der Abnehmer an deren Einrichtungen ausführt. Auch der Gesichtspunkt, daß es die eigentliche Aufgabe der Wasserwerke sei, die Bevölkerung mit Wasser zu versorgen, kann im Streitfalle zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn bei der Einschaltung gemeindlicher Zwischenlieferer mit eigenem Ortsnetz ist diese Aufgabe für das kreiseigene Wasserwerk mit der übergabe des Wassers an die Gemeinde am Ortszähler beendet.
Der Bf. weist in der Begründung der Rb. ferner darauf hin, daß das Legen und Instandhalten der Wasserleitung bis zum Zähler des Abnehmers als Nebenleistung zur steuerfreien Wasserlieferung schon nach allgemeinen Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts umsatzsteuerfrei sei. Er wirft die Frage auf, ob nicht der Verordnungsgeber durch das Hervorheben des Legens und Unterhaltens der Leitungen als Beispiel für steuerfreie Umsätze im Sinne des § 31 (ß 30) Abs. 1 Satz 1 UStDB eine Erweiterung der sich schon aus dem Gesetz in Verbindung mit allgemeinen Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts ergebenden Umsatzsteuerfreiheit gewollt habe, wie das hinsichtlich des Beispiels "Abgabe von Abdampf, Koks und Teer" unstreitig der Fall sei. Bejahendenfalls wäre dies nach Ansicht des Bf. ein weiterer Grund, seine Installations- und Reparaturarbeiten an den Wasserleitungen jenseits des Ortszählers bis zu den Wohnungszählern der Letztabnehmer (Verbraucher) von der Umsatzsteuer freizulassen. Hierzu ist zu sagen, daß der Verordnungsgeber durch das Aufführen von Beispielen für steuerfreie Umsätze im Sinne des Satzes 1 im Satz 3 des § 31 (ß 30) Abs. 1 UStDB den Umfang der gesetzlichen Steuerbefreiungen nach § 4 Ziff. 5 a UStG 1951 alter Fassung teils klarstellen, teils erweitern wollte. Der bloßen Klarstellung dient zweifellos das im § 31 (ß 30) Abs. 1 Satz 3 UStDB enthaltene Beispiel "Vermietung der Meßapparate", die als Nebenleistung zu den Umsätzen des § 4 Ziff. 5 UStG schon nach allgemeinen umsatzsteuerlichen Grundsätzen umsatzsteuerfrei ist. Dasselbe dürfte für das Beispiel "Legen und Instandhalten der Leitungen" gelten.
Der Reichsfinanzhof hat schon den § 27 UStDB 1926 dahin ausgelegt, daß unter den regelmäßig mit dem Betrieb von Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerken verbundenen Leistungen im Sinne dieser Vorschrift nur solche Umsätze zu verstehen seien, die diesen Werken eigentümlich sind, das heißt der besonderen Aufgabe entsprechen, die diese Werke im öffentlichen Interesse zu erfüllen haben (Urteil des Reichsfinanzhofs V A 741/28 vom 8. Februar 1929, RStBl S. 260, Slg. Bd. 24 S. 354). Auch aus dem Wortlaut des § 31 (ß 30) Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 (1938) ist zu schließen, daß diese Bestimmung eng auszulegen ist. Es ist dort nicht von Umsätzen die Rede, die bei Wasser - usw. - werken regelmäßig vorkommen. Die Umsätze müssen vielmehr mit dem Betriebe von Wasser- usw. - werken regelmäßig verbunden sein. Die Worte "Betrieb" und "verbunden" deuten, ebenso wie die in § 31 (ß 30) Abs. 1 UStDB aufgeführten Beispiele, darauf hin, daß die durch diese Bestimmung befreiten Umsätze in einer engen und notwendigen Beziehung zu der Hauptaufgabe der Werke, nämlich zur Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität und Wärme, stehen und diese fördern, wenn nicht gar technisch oder wirtschaftlich ermöglichen müssen. Das trifft aber auf Installations- und Reparaturarbeiten an Abnehmerleitungen, das heißt an Leitungen, die hinter dem Ort der Verschaffung der Verfügungsmacht liegen, nicht zu.
Die Vorschrift des § 31 (ß 30) UStDB, die nur auf die Gebietskörperschaften und Zweckverbände Anwendung findet, hat ebenso wie die unterschiedliche Regelung in § 4 Ziff. 5 UStG für die Versorgungsbetriebe der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft wegen der dadurch bedingten steuerlichen Benachteiligung der letzteren von jeher Bedenken ausgelöst (vgl. Popitz, a. a. O. S. 601/2). Der zweite Bundestag hatte in einer Entschließung vom 4. Juli 1957 (Bundesrats-Drucksache 317/57) die Bundesregierung aufgefordert, Untersuchungen darüber anzustellen, wie die Ungleichmäßigkeit in der Energiebesteuerung vermieden werden könne. Der Senat sieht in dieser Ungleichmäßigkeit einen weiteren Grund, den § 31 UStDB seinem Wortlaut und Zweck entsprechend eng auszulegen.
Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Urteil
Hinsichtlich des Tatbestandes wird auf den Bescheid verwiesen. Der Bf. hat in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Er hat dabei hervorgehoben, daß ein Sonderfall vorliege, weil der Kreis eine Gebietskörperschaft sei, die sich aus den beteiligten Gemeinden zusammensetze und mit den Einwohnern des Kreisgebietes in engem Kontakt stehe. Die Versorgung der Kreisangehörigen mit Wasser sei daher als gemeinsame Aufgabe des Kreises und der Gemeinden zu betrachten. Hierzu ist zu bemerken, daß das Umsatzsteuerrecht von den Begriffen "Lieferung" und "sonstige Leistung" ausgeht und daß Umsätze auch zwischen eng verbundenen Rechtssubjekten (z. B. zwischen Eheleuten oder zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern) stattfinden können. Es würde eine Verwischung der Grundbegriffe des Umsatzsteuerrechts bedeuten, wollte man den Versorgungsgedanken und den Gedanken der Funktionsteilung zwischen Kreis und Gemeinde dazu benutzen, den Anwendungsbereich des wirtschaftspolitisch stark umstrittenen und in verschiedener Hinsicht nicht unbedenklichen § 31 (ß 30) UStDB zum Nachteil der privaten Wirtschaft über Gebühr auszudehnen.
Es kann bei der Prüfung, ob Umsätze regelmäßig mit dem Betriebe von Wasserwerken verbunden sind, ferner nicht darauf abgestellt werden, ob es sich um ein Ortswasserwerk oder um ein Kreiswasserwerk handelt. Nur die den Wasserwerken als solchen eigentümlichen Leistungen fallen unter die Begünstigungsvorschrift des § 31 (ß 30) UStDB. Legen und Instandhalten von Abnehmerleitungen gehören jedenfalls nicht dazu. Verfehlt ist auch die Annahme des Bf., Landgemeinden hätten in der Regel keine Möglichkeit, hierbei das private Montagegewerbe in Anspruch zu nehmen; in dem mittleren und größeren Städten der näheren oder weiteren Umgebung sind zweifellos geeignete Firmen vorhanden. Der Bf. hat schließlich keine überzeugenden Gründe dafür vorgetragen, daß das in § 31 (ß 30) Abs. 1 Satz 3 UStDB erwähnte "Legen und Unterhalten der Leitungen" mehr sein soll als ein Beispiel für übliche Nebenleistungen der in Satz 1 a. a. O. erwähnten Werke. Allerdings hat das Beispiel keine große praktische Bedeutung, weil die genannte Tätigkeit überhaupt nur dann umsatzsteuerbar ist, wenn es sich um fremde (z. B. gemietete oder im Rahmen der Verbundwirtschaft benutzte) Liefererleitungen, d. h. Leitungen bis zum ersten Abnehmerzähler handelt.
Soweit der Bf. behauptet, das Eigentum an den Ortswasserleitungen sei erst auf Grund eines Kreistagsbeschlusses vom 23. März 1950 in das Eigentum der Gemeinden übergegangen, und sich auf Nebenabreden in Ausführungsverträgen zu diesem Beschluß beruft, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das in der Rechtsbeschwerdeinstanz nach § 288 AO nicht mehr berücksichtigt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 409637 |
BStBl III 1960, 181 |
BFHE 1960, 488 |
BFHE 70, 485 |