Leitsatz (amtlich)
Die Steuerpflicht nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG bestellt im Falle der Konvertierung von Orderschuldverschreibungen in Inhaberschuldverschreibungen nicht, wenn die neue Anleihe nur dazu bestimmt ist, die durch alte Anleihe bewirkte Kapitalgewährung aufrechtzuerhalten.
Normenkette
KVStG 1934 § 11 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 Nrn. 1-2; KVStG 1922 § 25 Abs. 1 Buchst. a, § 27 Abs. 1 S. 1, § 32; KVStDV 1959 § 39
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte hatte eine zu 8 v. H. verzinsliche Anleihe über 30 000 000 DM (Anleihe I) aufgenommen. Über diese Anleihe waren durch Indossament übertragbare und unter sich gleichberechtigte Teilschuldverschreibungen über 5 000 DM, 1 000 DM, 500 DM und 200 DM ausgestellt. Die Laufzeit der Anleihe betrug 20 Jahre. Die Anleihe war durch jährliche Auslosungen zum Nennwert zu tilgen. Die erste Rückzahlungsrate war am 1. Juli 1962 fällig, die letzte am 1. Juli 1976. Die Klägerin war berechtigt, die Teilschuldverschreibungen erstmals zum 1. Juli 1962 zu kündigen. Für die Gläubiger waren die Forderungen aus den Teilschuldverschreibungen grundsätzlich unkündbar. Zur Sicherung aller Forderungen aus den Teilschuldverschreibungen war an Grundstücken und an einem grundstücksgleichen Recht der Klägerin eine Gesamtsicherungshypothek eingetragen worden. Die diesen Vorgang betreffende Wertpapiersteuerfestsetzung ist unanfechtbar geworden.
Zeitlich danach nahm die Klägerin eine zu 6 v. H. zu verzinsende Anleihe über 50 000 000 DM (Anleihe II) auf. Diese Anleihe war in Höhe von 30 000 000 DM zur Konvertierung der Anleihe I bestimmt. Die über die Anleihe II ausgestellten Teilschuldverschreibungen lauteten auf den Inhaber. Die Stückelung entsprach der der Schuldverschreibungen über die Anleihe I. Die erste Rückzahlungsrate der Anleihe II war im Jahre 1968, die letzte spätestens im Jahre 1982 fällig; jedoch sollte die Schuldnerin berechtigt sein, die jeweils noch nicht getilgten Schuldverschreibungen mit einer Frist von drei Monaten zu einem Zinstermin, frühestens jedoch zum 1. April 1968 zur Rückzahlung zum Nennwert zu kündigen. Die Gläubiger waren grundsätzlich nicht berechtigt, ihre Forderungen zu kündigen. Die Forderungen aus den Teilschuldverschreibungen der Anleihe II sind durch erststellige, untereinander gleichwertige Gesamtgrundschulden an Grundstücken der Klägerin gesichert.
Zum 1. Juli 1962 kündigte die Klägerin die Teilschuldverschreibungen aus der Anleihe I zur Rückzahlung zum Nennwert. Die Klägerin bot den Inhabern der gekündigten Teilschuldverschreibungen aus der Anleihe I den Umtausch in Schuldverschreibungen der Anleihe II zum Vorzugskurs von 99 v. H. an. Die Differenz zwischen diesem Vorzugskurs und dem Rückzahlungskurs der Schuldverschreibungen aus der alten Anleihe sollte in Höhe von 3 DM für je 100 DM Nennwert umgetauschter Teilschuldverschreibungen bar vergütet werden. Die an Order lautenden Schuldverschreibungen der alten Anleihe sollten zum Zwecke des Umtauschs mit Blankoindossament versehen werden.
Schuldverschreibungen aus der Anleihe II im Nennwert von X DM (81 v. H. des Werts der zum Tausch vorgesehenen Papiere) wurden durch Umtausch von Inhabern der Schuldverschreibungen aus der Anleihe I erworben. Der Beklagte hat – auf Anweisung der obersten Landesfinanzbehörde – den Erwerb der neuen Schuldverschreibungen im Wege des Tauschs der Wertpapiersteuer unterworfen.
Auf die Sprungberufung hob das Finanzgericht (FG) die Steuerfestsetzung auf und stellte die Klägerin von der Steuer frei.
Mit der seit 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde beantragt das beklagte Finanzamt (FA), das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung (Klage) zurückzuweisen. Der Beklagte rügt, das FG habe sachliches Recht unrichtig angewandt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 unterliegt der Wertpapiersteuer der Erwerb verzinslicher Forderungsrechte gegen einen inländischen Schuldner durch den ersten Erwerber, wenn die Forderungsrechte in Schuldverschreibungen verbrieft sind. Im Streitfall sind die Voraussetzungen, an die das Gesetz die Steuerpflicht knüpft, nicht erfüllt; es fehlt am Ersterwerb verzinslicher Forderungsrechte, die in Schuldverschreibungen verbrieft sind.
I.
Es ist nicht entscheidungserheblich, ob – wie der Beklagte meint – der in § 32 KVStG vom 8. April 1922, RGBl I 354 (KVStG 1922), aufgestellte Grundsatz der Steuerfreiheit eines Wertpapiertauschs oder ob – wie die Klägerin meint – § 32 KVStG 1922 sachlich zu dem Zeitpunkt noch galt, der für den Eintritt einer Steuerpflicht maßgebend war.
1. § 25 Abs. 1 Buchst. a KVStG 1922 unterwarf u. a. auf den Inhaber lautende oder durch Indossament übertragbare verzinsliche Schuldverschreibungen der Wertpapiersteuer. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes entstand die Steuerschuld bei Schuldverschreibungen inländischer Schuldner, sobald die Urkunden erstmalig ausgegeben, veräußert, verpfändet oder zum Gegenstand eines anderen Geschäftes unter Lebenden gemacht wurden oder sobald Zahlungen darauf geleistet wurden.
Im Gegensatz zum KVStG 1922 knüpft § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 die Steuerpflicht (und die Entstehung der Steuerschuld, § 3 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes – StAnpG –) an den ersten Erwerb verzinslicher Forderungsrechte, die in Schuldverschreibungen verbrieft sind; nicht der Erwerb von Schuldverschreibungen, sondern der Erwerb der in ihnen verkörperten verzinslichen Forderungsrechte löst die Steuerpflicht aus.
Aus diesem Grund ist eine Befreiungsvorschrift wie § 32 KVStG 1922, die den bloßen Umtausch von Wertpapieren – ohne Veränderung des ursprünglichen Rechtsverhältnisses – von der Steuer befreit, für das KVStG 1934 nicht denkbar (vgl. amtliche Begründung zum KVStG 1934 zu § 11, RStBl 1934, 1470). Da § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG den Erwerb der Forderungsrechte und nicht den von Urkunden, die Forderungsrechte Verbriefen, der Steuer unterwirft, bestand kein Anlaß, den Umtausch solcher Urkunden von der Steuer zu befreien. Im Falle eines Umtausches von Schuldverschreibungen besteht allenfalls die Möglichkeit, die Steuerpflicht aus § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 mit der Begründung zu verneinen, es fehle am Ersterwerb in Schuldverschreibungen verbriefter verzinslicher Forderungsrechte. Dann handelt es sich aber nicht um eine Steuerbefreiung; es fehlt vielmehr an den Voraussetzungen für die Steuerpflicht.
2. Den Parteien ist jedoch zuzugeben, daß die Ergebnisse der Auslegung des § 32 KVStG 1922 und diesem entsprechender früherer Vorschriften bei der Prüfung der Frage berücksichtigt werden können, ob beim Umtausch von Schuldverschreibungen im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KVStG 1934 das für die Steuerpflicht nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 wesentliche Tatbestandsmerkmal des Erwerbs verzinslicher Forderungsrechte durch den ersten Erwerber erfüllt ist. Denn die Gründe, die zur Steuerbefreiung nach Maßgabe des § 32 KVStG 1922 geführt haben, sind im Grundsatz auch für die Prüfung der Frage erheblich, ob beim Umtausch der erwähnten Schuldverschreibungen erneut Steuerpflicht auf Grund § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG eintritt. Trotz der Verschiedenheit der Anknüpfungsmerkmale für die Steuerpflicht in §§ 25 Abs. 1 Buchst. a Nrn. 1 und 2, 27 Abs. 1 KVStG 1922 einerseits und in §§ 11 Abs. 1 Nr. 1, 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 KVStG 1934 andererseits ist die Punktion der Wertpapiersteuer, die Kapitalbeschaffung mit Mitteln des Kapitalmarkts zu erfassen, gleichgeblieben. Der Senat verbleibt Insoweit im Ergebnis bei der bisherigen Rechtsprechung zum KVStG 1934 (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH – II 108/41 vom 22. Oktober 1942, Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Bd. 52 S. 212 – RFH 52, 212 –, RStBl 1943, 37; Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – II 203/58 U vom 29. April 1959, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 69 S. 376 – BFH 69, 376 –, BStBl III 1959, 401; II 106/57 U vom 23. November 1961, BFH 74, 462, BStBl III 1962, 173).
II.
Werden neu ausgegebene Schuldverschreibungen zwecks Konvertierung gegen früher ausgegebene getauscht, so verliert nach den Regeln des bürgerlichen Rechts der bisherige Eigentümer der alten Schuldverschreibungen das in ihr verbriefte Recht und erlangt mit dem Erwerb des Eigentums an der neuen Schuldverschreibung das durch sie verkörperte Forderungsrecht. Für die Frage, ob der Erwerb verzinslicher Forderungsrechte im Wege der Konvertierung ein Erwerb im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG ist, kommt es jedoch nicht darauf an, ob sich der Gläubiger nach bürgerlichem Recht durch den Tausch eines durch die hingegebene Urkunde verbrieften Rechtes begibt und ein neues Recht erwirbt (vgl. schon Urteile des RFH II A 594/31 vom 19. Juli 1933, RFH 34, 86, RStBl 1933, 1095; II 108/41, a.a.O.). Entscheidend ist allein, ob im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 – nach dem Zweck des Gesetzes – in Fällen der vorliegenden Art von einem Ersterwerb verzinslicher Forderungsrechte gesprochen werden kann (vgl. Radtke, Probleme der Kapitalverkehrsteuer, Diss. Köln, S. 55 ff.). Diese Frage ist zu verneinen.
Der mögliche Wortsinn des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG würde es im Streitfall erlauben, die Steuerpflicht zu bejahen. Gläubiger der in den alten Schuldverschreibungen verbrieften verzinslichen Forderungsrechte haben auf Grund des Umtausches verzinsliche Forderungsrechte (die durch die neuen Schuldverschreibungen verbrieft wurden) als Ersterwerber erhalten. Der Zweck der Vorschrift gebietet es jedoch, den Wortlaut einengend zu interpretieren. Dabei kommt es nicht auf den Begriff des Ersterwerbs an; entscheidend ist, worauf sich der Ersterwerb zu beziehen hat. Daher können alle anderen Fälle, in denen sich das KVStG auf den Ersterwerb bezieht (§ 2 Nr. 1, § 22 KVStG), hier außer Betracht bleiben.
Die Wertpapiersteuer war eine Art der Kapitalverkehrsteuer (§ 1 Nr. 2 KVStG i. d. F. vor Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes vom 25. März 1965, BGBl I, 147, BStBl I 103). Diese Tatsache reicht indessen für die Ermittlung des Zweckes des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG nicht aus. Im Gesetzeswortlaut kommt die Zielrichtung dieser Vorschrift nur mittelbar zum Ausdruck; das Gesetz knüpft die Steuerpflicht an einen Rechtsvorgang. Der Erwerb in Schuldverschreibungen verbriefter verzinslicher Forderungsrechte durch den ersten Erwerber dient der Kapitalbeschaffung durch den Schuldner der durch die Schuldverschreibungen verkörperten Forderungen. Im Einklang mit diesem Schluß aus dem Gesetzestext wurde für das KVStG 1922 und das KVStG 1934 trotz unterschiedlicher Anknüpfungsmerkmale für die Steuerpflicht allgemein die Auffassung vertreten, durch die Wertpapiersteuer solle die Kapitalzusammenballung oder Kapitalbildung außerhalb des Bereiches des Gesellschaftsteuerrechts erfaßt werden (vgl. Urteile des RFH II A 548/30 vom 12. Januar 1932, RFH 30, 274, 277; II A 11/32 vom 9. November 1932, RFH 32, 94, RStBl 1933, 63; vgl. auch Keßler, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, 2. Aufl., § 25 Anm. 2; Weinbach-Rüdel, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, 4. Aufl., § 1 Anm. 1 b; Boruttau-Schadeck, Kapitalverkehrsteuer – 2. Auflage –, Abschn. 1 und 46, S. 59, 156; Brönner, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 1 Rd.-Ziff. 1, § 11 Rd.-Ziff. 1; Kinnebrock, Kapitalverkehrsteuergesetz, 3. Aufl., § 1 Anm. I und II 2; Veiel, Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, Vorbemerkungen vor § 11, Anm. a).
Diese Zweckbestimmung muß bei der Auslegung des in § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG enthaltenen Merkmals „Erwerb verzinslicher Forderungsrechte … durch den ersten Erwerber” berücksichtigt werden. Die Auslegung nach dem Zweck des Gesetzes rechtfertigt es, einen Erwerb in diesem Sinne zu verneinen, wenn bei dem Umtausch früher ausgegebener gegen neue Schuldverschreibungen bürgerlich-rechtlich die alten Forderungen erlöschen und neue begründet werden, jedoch wirtschaftlich gesehen eine erneute Kapitalbeschaffung durch den Anleiheschuldner nicht herbeigeführt wird. Es fehlt an einer Kapitalbewegung (vgl. BFH-Urteil II 106/57 U, a.a.O.), wenn das zivilrechtlich neu begründete Recht nach dem Willen des Gläubigers und des Schuldners nur dazu bestimmt ist, die bereits bewirkte Kapitalgewährung an den Schuldner – wenn auch mit einer zivilrechtlichen Modifizierung des Schuldner-Gläubigerverhältnisses – aufrechtzuerhalten (vgl. hierzu den Erlaß des Reichsministers der Finanzen – RdF – vom 13. November 1938, RStBl 1938, 1033, 1035, Nr. 6 Buchst. b). Diese Rechtsauffassung entspricht der Rechtsprechung zu den Reichsstempelgesetzen und zu § 32 KVStG 1922 (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 45 S. 87 – RGZ 45, 87 –; RFH-Urteile II A 230/21 vom 30. Juni 1921, RFH 6, 148, RStBl 1922, 29; II A 594/31, a.a.O.). Sie stimmt auch mit der Auffassung überein, daß dieselbe Kapitalzusammenballung nicht mehrmals zur Steuer herangezogen werden kann (vgl. RFH-Urteil II A 11/32, a.a.O., für das Verhältnis Wertpapiersteuer zur Gesellschaftsteuer; BFH-Urteil II 106/57 U, a. a. O., für den Fall der Konvertierung von Schuldverschreibungen unter Hinweis auf Rechtsprechung zur Gesellschaftsteuer).
III.
Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin die Anleihe I vor Beginn der Tilgung auf den frühest möglichen Kündigungstermin gekündigt hat und daß sie den Gläubigern der gekündigten Anleihe gleichzeitig den Umtausch ihrer Stücke in Teilschuldverschreibungen der niedriger verzinslichen Anleihe II angeboten hat. Die Klägerin hat von vornherein beabsichtigt, die Anleihe II in Höhe von 3/5 des Anleihebetrages zur Konvertierung der gesamten Anleihe I zu verwenden. Dementsprechend hat das die Anleihe II vermittelnde Bankenkonsortium nur die nicht zum Umtausch bestimmten Schuldverschreibungen fest übernommen, hingegen die Übernahme der für den Umtausch bestimmten, jedoch nicht getauschten Papiere nur in Aussicht gestellt und diese erst nach Abschluß der Umtauschaktion übernommen. Der Klägerin ist es gelungen, ihre Absicht in Höhe von 81 v. H. des Betrages der zum Umtausch bestimmten Schuldverschreibungen zu verwirklichen.
1. Diese mit der Revision nicht beanstandeten Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) rechtfertigen den vom FG gezogenen Schluß, daß die Anleihe II in Höhe von 3/5 des Gesamtbetrages dieser Anleihe von vornherein lediglich zum Umtausch bestimmt, in dieser Hinsicht eine erneute Kapitalbeschaffung nicht beabsichtigt war. Hierauf hat es keinen Einfluß, daß die Klägerin mit der Möglichkeit rechnen mußte, daß ein Teil der Gläubiger der Anleihe I keinen Gebrauch von dem Umtauschangebot machen würde. Diese Gläubiger wurden wegen ihrer Forderung befriedigt; soweit infolgedessen Schuldverschreibungen aus der Anleihe I nicht getauscht und in entsprechender Höhe Papiere aus der Anleihe II nachträglich von dem Bankenkonsortium fest übernommen wurden, ist die Steuerpflicht des Erwerbs von Forderungsrechten nicht streitig.
In dem Umfange, in dem die Gläubiger der Anleihe I von dem Umtauschangebot Gebrauch gemacht und demgemäß die in den Schuldverschreibungen der Anleihe II verbrieften Forderungen erworben haben, liegt ein Erwerb im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 nicht vor, weil die mittels der Anleihe I aufgebrachten Geldmittel insoweit der Klägerin nach dem Willen der Beteiligten verbleiben sollten und auch verblieben, also neues Kapital nicht angeschafft wurde. Die Kündigung der Anleihe I, die gleichzeitig mit dem Umtauschangebot erging, schließt diese Rechtsfolge nicht aus (vgl. RFH-Urteil II A 594/31, a.a.O.). Schließlich ist dem FG auch darin zu folgen, daß einige Abweichungen der Bedingungen für die Anleihe II von denen der früheren Anleihe nichts daran zu ändern vermögen, daß durch den Umtausch der Schuldverschreibungen nur eine bereits früher erfolgte Kapitalgewährung aufrechterhalten werden sollte.
2. Dies gilt ersichtlich für die Verringerung des Zinsfußes (vgl. RFH-Urteil II A 594/31, a.a.O.; Nr. 6 Buchst. b des RdF-Erlasses vom 13. November 1938, a. a. O.). Unschädlich ist es auch, daß den umtauschenden Gläubigern eine Barvergütung gewährt wurde (RFH-Urteil II A 594/31, a. a. O.; Radtke, a. a. O., S. 65); soweit der Senat im Urteil II 203/58 U, a. a. O., den Umstand als nicht unbeachtlich angesehen hat, daß die Anleihegläubiger beim Tausch eine Barvergütung erhalten haben, hält er an der dort vertretenen Ansicht nicht fest. Es ist nicht erkennbar, welchen Einfluß eine Ausgleichszahlung haben soll, die geleistet wird, um einen Anreiz zum Tausch zu bieten. Auf die wirtschaftliche Nämlichkeit der durch die neuen Schuldverschreibungen verbrieften Forderungen wirkt sich die Gewährung eines Bonus nicht aus.
a) Unerheblich ist auch der Umstand, daß die Teilschuldverschreibungen aus der Anleihe I an Order lauteten, während es sich bei den Schuldverschreibungen aus der Anleihe II um Inhaberpapiere handelte (Radtke, a.a.O., S. 63 f.). Das FG hat festgestellt, daß die zum Umtausch angemeldeten Schuldverschreibungen der Anleihe I auf Grund des Umtauschangebotes der Klägerin mit Blankoindossament zu versehen waren. Die Vorinstanz hat mit Recht darauf hingewiesen, daß Orderschuldverschreibungen, die mit Blankoindossament versehen sind, im Handelsverkehr Inhaberschuldverschreibungen gleichstehen; auch blanko indossierte Schuldverschreibungen können nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen werden. Hiervon abgesehen ist die Ansicht des Beklagten unrichtig, beide Arten von Schuldverschreibungen seien in § 12 KVStG 1934 als Besteuerungsobjekte gesondert aufgeführt. Diese Vorschrift enthält nur eine Legaldefinition des in Teil II des KVStG verwandten Begriffes Schuldverschreibungen. Steuergegenstand ist nicht die Schuldverschreibung, sondern der Ersterwerb verzinslicher Forderungsrechte gegen einen inländischen Schuldner, wenn diese Rechte in Schuldverschreibungen verbrieft sind.
b) Es ist ferner nicht wesentlich, daß für die Anleihe II andere dingliche Sicherheiten als für die Anleihe I bestellt waren (vgl. auch RFH-Urteil II A 594/31, a. a. O., allerdings für den Fall der Konversion von Hypothekenpfandbriefen). Die für eine Forderung bestehende Sicherheit mag sich auf den Wert der Forderung und auf ihre Verkehrsgängigkeit auswirken. Außer der Tatsache, daß sie der Forderung den Charakter einer gesicherten Forderung verleiht, hat das Bestehen einer Sicherheit keinen Einfluß auf deren rechtlichen oder wirtschaftlichen Charakter. Wird eine Sicherheit gegen eine andere (wenigstens gleichwertige) Sicherheit ausgetauscht, so berührt dies die gesicherte Forderung in ihrem Wesen nicht.
c) Auch die Tatsache, daß die eingetauschten Schuldverschreibungen der Anleihe II eine um 5¾ Jahre längere Laufzeit als die alten Schuldverschreibungen hatten, ändert nichts daran, daß mit Hilfe des Umtausches eine neue Kapitalbeschaffung nicht bewirkt wurde. Die Kündigung der Anleihe I, das gleichzeitige Angebot, die Stücke dieser Anleihe in solche der Anleihe II (mit anderen Rückzahlungsbedingungen) umzutauschen und die Annahme dieses Angebotes sowie der Vollzug des Tausches lösten zwar die Rechtsfolge aus, daß die Gläubiger ihres alten Forderungsrechtes verlustig gingen und dagegen ein neues erwarben. Der wirtschaftliche Erfolg dieses Verfahrens bestand aber nicht in der Rückzahlung der Anleihe I und der Inanspruchnahme neuer Mittel mit Hilfe der Anleihe II. Nach dem Willen der Schuldnerin und der tauschenden Gläubiger sollten die der Schuldnerin im Zusammenhang mit der Anleihe I zugeflossenen Geldmittel ihr weiterhin verbleiben. Der Umstand, daß sich die Konvertierung rechtlich in der Form vollzieht, daß die Stücke der früheren Anleihe aus dem Verkehr gezogen werden, die in ihnen verbrieften Forderungsrechte erlöschen und die Gläubiger die Stücke der neuen Anleihe erhalten, die neue Forderungsrechte verbriefen, ändert nichts daran, daß wirtschaftlich gesehen eine Geldbewegung nicht stattfand. Der Umtausch der Rechte verbriefenden Papiere hatte lediglich den Zweck, die Bedingungen, zu denen Geld gegeben und später zurückgezahlt werden sollte, neu zu regeln.
d) Der Beklagte räumt ein, daß die erwähnten Gesichtspunkte im einzelnen nicht gravierend seien, er meint aber, sie rundeten das Gesamtbild der Verhältnisse ab, wonach im vorliegenden Fall von einer Fortsetzung des ursprünglichen Rechtsverhältnisses (entsprechend § 32 KVStG 1922) nicht die Rede sein könne. Es ist nicht erforderlich, hierzu näher Stellung zu nehmen. Soweit in den vorstehenden Ausführungen einzelne Gesichtspunkte als unschädlich oder unerheblich bezeichnet wurden, können sie nicht Grundlage für eine Beurteilung auf Grund eines Gesamtbildes sein. Die verbleibenden Gesichtspunkte sind auch in ihrer Zusammenfassung nicht so wesentlich, daß sie das gewonnene Bild beeinträchtigen könnten. Der Hinweis auf das Sparprämiengesetz (SparPG), wo auch im Falle des Umtausches eines Wertpapiers ein begünstigter Ersterwerb in Betracht komme, liegt neben der Sache. Der Beklagte hat nicht beachtet, daß der Zweck des § 11 KVStG verschieden von dem ist, der mit dem SparPG verfolgt wird; ein Vergleich ist daher ausgeschlossen.
3. Schließlich geht der Hinweis auf § 39 KVStDV 1959 fehl. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung, die erstmals durch Art. 1 Nr. 22 der Verordnung zur Änderung der Kapitalverkehrsteuer-Durchführungsverordnung vom 23. Dezember 1959 (BGBl I 801, BStBl I 1960, 2) als § 88 KVStDV in den Vierten Teil der KVStDV aufgenommen wurde und vorher als § 74 KVStDV 1955 nur für die Börsenumsatzsteuer galt, durch eine Ermächtigung gedeckt ist, die den Erfordernissen des Art. 80 des Grundgesetzes entspricht (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 18 S. 52, 61 ff.). Die Antwort auf die Frage, ob ein Ersterwerb im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG vorlag, ist unabhängig davon, ob die Schuldverschreibungen der Anleihe I und die aus der Anleihe II Wertpapiere gleicher Gattung waren. Ein Zusammenhang zwischen dem Begriff des Ersterwerbs durch Schuldverschreibungen verbriefter Forderungsrechte im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG und dem Begriff der Wertpapiere gleicher Gattung ist nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 600712 |
BFHE 1969, 338 |