Entscheidungsstichwort (Thema)
Zolltarifliche Einordnung von getrockneten Fruchtwürfeln
Leitsatz (NV)
Früchte, mit Zucker haltbar gemacht, sind nur Erzeugnisse, die in durchtränkter und abgetropfter, glasierter oder kandierter Form vorliegen. Eine Beschaffenheit ,,wie" kandierte Fruchtwürfel rechtfertigt nicht die Zuweisung zu Pos. 2006 KN, sondern führt zur Einordnung in die (Auffang-)Position 2008.
Normenkette
KN Pos. 2006, 2008, Zusätzliche Anm. 3 zu Kap. 20
Tatbestand
Die Klägerin beantragte bei der beklagten Oberfinanzdirektion (OFD) verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) über getrocknete und gewürfelte Ananas bzw. Papaya, angabegemäß ohne Zusatz von Zucker und hergestellt durch Einlegen - Dippen - in 60-75 ø C warmen arteigenen Fruchtsaft (Konzentration 30 %; Verweildauer 8-12 Stunden) sowie anschließendes Trocknen. Mit den der Klägerin erteilten vZTA Nr. . . . wies die OFD die Waren als ,,Früchte, mit Zucker haltbar gemacht", mit einem Zuckergehalt von 77 Gewichtshundertteilen, der Unterposition 2006 0039 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zu. Sie stellte dazu fest, die Analyse habe nicht bestätigt, daß die Früchte lediglich in Saftkonzentrat getaucht worden seien; die Erzeugnisse wiesen ein - zu hohes - Zucker / Asche-Verhältnis auf (Ananas 127; Papaya 111) und seien nach ihrer äußeren Beschaffenheit - Fruchtwürfel mit an der Oberfläche auskristallisiertem Zucker - kandierten Fruchtwürfeln vergleichbar. Die Einsprüche der Klägerin wurden zurückgewiesen, u. a. mit der Begründung, das vorliegende, auch gutachtlich bestätigte Zucker / Asche-Verhältnis zeige, daß die Erzeugnisse, abgesehen von einer geringen Anreicherung des Fruchtanteils durch arteigenen Fruchtsaft, einer Haltbarmachung durch nicht fruchteigenen Zucker unterworfen worden seien. Eine Einreihung in die Auffangposition 2008 KN - Früchte, . . . in anderer Weise zubereitet oder haltbar gemacht . . . - scheide damit aus.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin ausführt, in dem Prozeß der Haltbarmachung würden die enthäuteten, grob zerkleinerten und blanchierten Früchte in eine Lösung gelegt, die teils aus arteigenem Fruchtsaft, teils aus Zucker bestehe (Stabilisierung durch osmotische Entwässerung nach P), danach abgetropft und warmluftgetrocknet, zerkleinert, abermals getrocknet und ggf. in Zucker gewälzt. Infolge des Wasserentzugs durch Einlegen in die (höher gezuckerte) Fruchtsaft / Zucker-Lösung steige der Zuckergehalt der Früchte im Verhältnis des Wasserentzugs. Das sei jedoch keine Folge der Zuführung nicht fruchteigenen Zuckers. Der festgestellte höhere Zuckergehalt sei vielmehr überwiegend frucheigener Zucker. Bei Waren der Position 2006 würde nicht Wasser aus der Frucht entzogen, sondern umgekehrt das Wasser der Frucht mit Zucker aus der umgebenden Flüssigkeit angereichert. Die vorliegenden Erzeugnisse seien demgegenüber in die Position 2008 KN einzureihen, weil sie nicht durch Zusatz von Fremdzucker, sondern in einem besonderen Verfahren (einschließlich Trocknung) haltbar gemacht würden und weil die Fruchtstruktur im Verfahren der osmotischen Entwässerung im wesentlichen erhalten bleibe. Die so gewonnenen Waren behielten, anders als etwa kandierte Früchte, weitgehend ihren natürlichen Geschmack.
Die OFD verweist insbesondere darauf, daß infolge der Vorbehandlung der Früchte deren Zellen und Zellwände großenteils zerstört worden seien, mit der Folge, daß sowohl der Zucker des Fruchtsaftes als auch der zugesetzte Zucker in die Früchte habe eindringen können. Bei der hier vorliegenden Zuckerkonzentration sei eine Haltbarkeit erreicht. Unerheblich sei, auf welche Art und Weise diese Zuckerkonzentration erzielt worden sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist nach ihrem Wortlaut auf Feststellung gerichtet. Als Feststellungsklage wäre sie unzulässig (§ 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Senat versteht das Klagebegehren jedoch dahin, daß die Klägerin die Aufhebung der beiden vZTA (,,entgegen") und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung sowie die Verpflichtung der OFD erreichen möchte, neue vZTA mit Zuweisung der Waren in Position 2008 zu erteilen. Ein entsprechender Verpflichtungsantrag ist jedenfalls dann möglich, wenn bereits im Verwaltungsverfahren Zolltarifauskünfte mit Zuordnung der zu tarifierenden Ware zu einer bestimmten Tarifstelle begehrt worden sind (Senat, Urteil vom 12. August 1986 VII K 14/85, BFHE 147, 557, m. w. N.). Auch diese Voraussetzung hält der Senat für erfüllt. Wie sich aus der von der Klägerin gewählten - wenn auch unzutreffenden - Warenansprache (,,ohne Zusatz von Zucker") ergibt, erstrebte die Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren eine Einreihung in Kapitel 20, jedoch nicht in Position 2006 (mit Zucker . . .), somit eine Zuordnung zu der Auffangposition 2008.
2. Die hiernach erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist begründet. Die Waren gehören, obwohl entgegen den ursprünglichen Angaben der Klägerin nicht lediglich mit Fruchtsaft gesüßt, vielmehr, wie von ihr im Klageverfahren eingeräumt, mit einer auch aus Zucker bestehenden Lösung versetzt, nicht zu Position 2006, sondern zu Position 2008. Dementsprechend ist antragsgemäß zu erkennen.
a) Es kann dahinstehen, ob die Erzeugnisse im allgemeinen Sinne als ,,mit Zucker" versetzt anzusehen sind. Offenbleiben kann auch, ob die Haltbarmachung bereits durch die Zuckerung bewirkt worden ist (so die OFD) oder erst durch die anschließende Trocknung (so - zuletzt - die Klägerin). Auch wenn davon ausgegangen wird, daß die Waren aufgrund ihrer speziellen, nicht der üblichen Herstellungsweise (zu diesen Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu Position 2006 Rz. 01.0) entsprechenden Behandlung durch ,,osmotische Entwässerung" gezuckert und dadurch haltbar gemacht worden sind, handelt es sich bei ihnen nicht um mit Zucker haltbar gemachte Erzeugnisse i. S. der Position 2006.
Zu beachten ist, daß der zolltarifliche Begriff ,,mit Zucker haltbar gemacht" gesetzlich definiert ist. Nach der im Wortlaut der Position 2006 enthaltenen Legaldefinition (Klammerzusatz) müssen aufgrund ihrer Zuckerung haltbar gemachte Früchte usw. in einer bestimmten Beschaffenheitsform vorliegen: sie müssen nämlich entweder ,,durchtränkt und abgetropft" (französisch: égouttés; englisch: drained) oder ,,glasiert" oder ,,kandiert" sein. Keine dieser drei abschließend aufgeführten Beschaffenheitsformen ist hier gegeben. Um ,,glasierte" Waren (hierzu ErlHS, a. a. O., Rz. 04.0) handelt es sich von vornherein nicht. Die Früchte liegen auch nicht in durchtränkter / abgetropfter Form vor, denn sie sind fest, nicht klebrig, wie durchtränkte und abgetropfte Erzeugnisse (ErlHS, a. a. O., Rz. 03.0). ,,Kandiert" sind sie ebenfalls nicht, denn es ist nicht dargetan, daß sie mittels Durchtränkens mit Saccharosesirup in der Weise hergestellt worden sind, daß ,,dieser" (der Sirup) beim Trocknen an der Oberfläche oder im Inneren Kristalle ausgebildet hätte (vgl. ErlHS, a. a. O., Rz. 05.0). Im übrigen hat die Klägerin substantiiert vorgetragen, daß kandierte Früchte einen wesentlich höheren Fremdzuckergehalt aufweisen als die vorliegenden Erzeugnisse. Die OFD ist dem nicht entgegengetreten. Sie hat lediglich ausgeführt, nach ihrer äußeren Beschaffenheit seien die Waren kandierten Fruchtwürfeln ,,gleichzusetzen". Das rechtfertigt es indessen nicht, sie als ,,kandiert" i. S. der Position 2006 anzusehen.
Es mag allerdings naheliegen, Waren der vorliegenden Art zolltariflich wie die in Position 2006 erfaßten Früchte zu behandeln. Eine solche Entscheidung müßte jedoch der Tarifgesetzgeber treffen (vgl. auch Senatsbeschluß vom 26. Februar 1991 VII K 7/90, BFH/NV 1991, 854 - Fruchtaufstriche - mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -). Für die zolltarifliche Beurteilung maßgebend ist allein der geltende Zolltarif.
Die angefochtenen vZTA sind hiernach nicht zutreffend. Sie können keinen Bestand haben.
b) Da die Position 2006 ausscheidet, können die Waren nur in die Position 2008 eingereiht werden, die als Auffangposition alle anderweit weder genannten noch inbegriffenen Früchte erfaßt, die in ,,anderer Weise" zubereitet oder haltbar gemacht worden sind (EuGH, Urteil vom 18. April 1991 Rs. C-324/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1991, 562 - Aprikosenpüree - zu der der Position 2008 entsprechenden früheren Zolltarifnr. 20.06; ErlHS zu Position 2008 Rz. 01.0), hier anders als in Position 2006 vorgesehen (Beschaffenheit mit Zucker haltbar gemachter Früchte). Die Unterposition 2008 50, die die Klägerin für anwendbar zu halten scheint (,,Unterposition 05.0"), kommt freilich nicht in Betracht, denn hier sind nur ,,Aprikosen" erfaßt (darunter ,,Dessert-Aprikosen, durch Zuckerung und - wie die vorliegenden Erzeugnisse - Trocknung hergestellt; Tarifavis in ErlHS, a. a. O., Rz. 17.0). Zutreffend sind vielmehr die Unterpositionen für Ananas und ,,andere" Früchte, jeweils ohne Zusatz von Alkohol, aber mit Zusatz von Zucker (vgl. Zusätzliche Anmerkung 3 zu Kapitel 20). Da die Einreihung in die zutreffenden Unterpositionen von der nicht bekannten Art der unmittelbaren Umschließungen abhängt, kann die OFD lediglich verpflichtet werden, neue Auskünfte mit Zuordnung zu der jeweils maßgebenden Untergliederung der Position 2008 zu erteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 418304 |
BFH/NV 1992, 849 |