Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine nachträglichen Anschaffungskosten bei Darlehen für mittelbare Beteiligung
Leitsatz (NV)
Die Gewährung von Darlehen an eine Gesellschaft, an welcher der Anteilseigner nur mittelbar beteiligt ist, führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der (unmittelbaren) wesentlichen Beteiligung.
Normenkette
EStG § 17; HGB § 255 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr 1995 mit seiner Ehefrau zusammen und im Streitjahr 1996 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger hielt 100 % am Stammkapital der E1-GmbH. Die E1-GmbH war ihrerseits zu 100 % an der E2-GmbH beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 5. Juni 1997 wurde die Übertragung des Vermögens der E2-GmbH durch Verschmelzung auf die E1-GmbH vereinbart. Bis zur wirksamen Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister sollte die E2-GmbH ihren Geschäftsbetrieb an die E1-GmbH verpachten. Am 9. September 1997 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der E2-GmbH eröffnet, am 6. Oktober 1997 fiel die E1-GmbH in die Gesamtvollstreckung. Die Verschmelzung wurde nicht in das Handelsregister eingetragen.
Der Kläger machte für das Jahr 1997 einen Verlust nach § 17 des Einkommensteuergesetzes in der für das Jahr 1997 geltenden Fassung (EStG) aus seiner Beteiligung an der E1-GmbH in Höhe von 3 176 526 DM geltend; darin waren u.a. Darlehen in Höhe von 480 000 DM enthalten, die der Kläger der E2-GmbH gewährt hatte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte nur einen Verlust nach § 17 EStG in Höhe von 581 301 DM und ermittelte für das Jahr 1997 einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 247 914 DM. Die übrigen Aufwendungen erkannte das FA nicht an, da sie nicht im Zusammenhang mit der Beteiligung an der E1-GmbH stünden bzw. nicht nachgewiesen seien. Das FA änderte daher die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre und gewährte Verlustrückträge in Höhe von 95 351 DM (1995) und in Höhe von 152 563 DM (1996). Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Mit Bescheid jeweils vom 1. September 2005 änderte das FA die Steuerfestsetzungen und erhöhte die Verlustvorträge auf 181 889 DM (1995) und auf 291 025 DM (1996). Den Einspruch wies es am 2. September 2005 zurück.
Während des Klageverfahrens ergingen erneut geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre; die Änderungen berührten nicht die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1295 veröffentlichten Gründen ab.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre dahin gehend zu ändern, dass ein weiterer Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997 in Höhe von 2 095 137,78 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Entscheidung des FG ist zwar insoweit zutreffend, als ein Verlust der Gesellschafterdarlehen des Klägers zugunsten der E2-GmbH nicht einen Auflösungsverlust des Klägers i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG aus seiner Beteiligung an der E1-GmbH erhöht. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen jedoch nicht seine Auffassung, auch die übrigen, vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen seien nicht bei der Ermittlung eines Auflösungsverlusts zu berücksichtigen. Das Fehlen ausreichender Feststellungen ist ein materieller Fehler, der auch ohne Rüge zur Aufhebung des FG-Urteils führt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. November 2004 III R 73/03, BFHE 207, 327, BStBl II 2005, 290, m.w.N.).
1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (BFH-Urteil vom 2. April 2008 IX R 76/06, BFHE 221, 7, BStBl II 2008, 706, m.w.N.).
Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (BFH-Urteil in BFHE 221, 7, BStBl II 2008, 706, m.w.N.).
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben; dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Dazu rechnen Finanzierungshilfen, z.B. durch Übernahme einer Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des § 32a Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt (§ 32a Abs. 1 und 3 GmbHG). Finanzierungsmaßnahmen zugunsten einer Gesellschaft, an welcher der Anteilseigner nur mittelbar beteiligt ist, führen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der (unmittelbaren) wesentlichen Beteiligung. Sie sind nicht durch das Gesellschaftsverhältnis mit der unmittelbaren Beteiligungsgesellschaft veranlasst (BFH-Urteil vom 4. März 2008 IX R 78/06, BFHE 220, 446, BStBl II 2008, 575, m.w.N.).
2. Nach diesen Maßstäben führt ein Verlust der Darlehen, die der Kläger der E2-GmbH gewährt hat, nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten für seine Beteiligung an der E1-GmbH. Die Gewährung der Darlehen an die E2-GmbH hat auch nicht zu verdeckten mittelbaren Einlagen (hierzu BFH-Urteil vom 9. September 1986 VIII R 159/85, BFHE 148, 246, BStBl II 1987, 257, m.w.N.) in die E1-GmbH geführt, da sie das bilanzierungsfähige Vermögen der E2-GmbH nicht vermehrt haben (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761, m.w.N.).
Nachträgliche Anschaffungskosten liegen auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer i.S. von § 32a Abs. 3 GmbHG ähnlichen Kreditierung eines Aufwendungsersatzanspruchs auf der Ebene der E1-GmbH vor (hierzu BFH-Urteil vom 4. März 2008 IX R 80/06, BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577), da der Kläger jedenfalls aufgrund der Gewährung der Darlehen an die E2-GmbH keinen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen die E1-GmbH erlangt hat. Denn die Darlehensverträge zwischen dem Kläger und der E2-GmbH regeln insoweit umfassend die Rechte und Pflichten des Klägers. Den Rückgriff auf Aufwendungsersatzansprüche verwehrt der Vorrang der vertraglichen Rechte gegenüber dem Ausgleich der aus der erbrachten Leistung resultierenden Vorteile Dritter, die außerhalb des Vertrags stehen. Wollen die Parteien eine Mithaftung des Dritten herbeiführen, haben sie die Möglichkeit, dies durch Vereinbarung mit ihm zu erreichen. Zweck des Instituts der Geschäftsführung ohne Auftrag ist es nicht, das Insolvenzrisiko der Parteien aufzufangen und auf Dritte zu verlagern (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 21. Oktober 2003X ZR 66/01, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2004, 81, m.w.N., zum Entgeltanspruch aus einem Werkvertrag).
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der steuerrechtlichen Behandlung des abgekürzten Zahlungs- oder Vertragswegs nichts anderes. Die Rechtsgrundsätze zum abgekürzten Zahlungs- oder Vertragsweg beantworten nur die --im Streitfall nicht entscheidungserhebliche-- Frage, ob Kosten, die ein Dritter im Interesse des Steuerpflichtigen leistet, dem Steuerpflichtigen als eigener Aufwand zurechenbar sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577, m.w.N.). Ebenso ist unerheblich, ob die Verpachtung des Betriebs der E2-GmbH an die E1-GmbH dazu geführt hat, dass die E1-GmbH nach § 25 Abs. 1, § 6 Abs. 1 HGB i.V.m. § 13 Abs. 3 GmbHG für alle im Betrieb des Geschäfts der E2-GmbH begründeten Verbindlichkeiten haftet. Denn dies würde nichts daran ändern, dass die der E2-GmbH gewährten Darlehen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis zur E1-GmbH veranlasst waren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 446, BStBl II 2008, 575).
3. Die tatsächlichen Feststellungen des FG ermöglichen keine abschließende Beurteilung, ob die übrigen, vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts aus der Beteiligung an der E1-GmbH zu berücksichtigen sind. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die vom FG im Tatbestand seines Urteils unter der Überschrift "Bürgschaften und Inanspruchnahme wegen Kontoüberziehung", "Ablösung Bürgschaften" und "Rechtsstreit X gegen Y" aufgelisteten Positionen lassen nicht erkennen, um was für Aufwendungen es sich konkret handelt und ob sie die E1-GmbH oder die E2-GmbH betreffen. Auch die Position "Stammkapital" lässt offen, welcher Gesellschaft sie zuzuordnen ist. Unklar ist ferner, welche Art von Aufwendung sich hinter der "fehlerhaften Einzahlung" verbirgt. Insoweit fehlt es an tatsächlichen Feststellungen des FG, die weder durch allgemeine Bezugnahmen auf die Prozessakten und Beiakten (BFH-Urteil vom 21. Januar 1981 I R 153/77, BFHE 133, 33, BStBl II 1981, 517, m.w.N.) noch durch die Verweisung auf die Einspruchsentscheidung ersetzt werden können (BFH-Urteil vom 24. Januar 1995 IX R 22/94, BFHE 176, 315, BStBl II 1995, 328, m.w.N.); § 105 Abs. 5 FGO bezieht sich nur auf die Entscheidungsgründe (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO), nicht aber auf den Tatbestand (§ 105 Abs. 2 Nr. 4 FGO).
Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangen, dass weitere Aufwendungen des Klägers als nachträgliche Anschaffungskosten für die Beteilung an der E1-GmbH oder als im Zusammenhang mit der Auflösung dieser GmbH persönlich getragene Kosten zu beurteilen sind, hat das FG weiter festzustellen, ob der Auflösungsverlust im Jahr 1997 entstanden ist und damit für die Streitjahre zu einem höheren Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG führt. Im Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH ist der Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 4 EStG regelmäßig erst mit Abschluss des Konkursverfahrens realisiert. Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Auflösungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation durch Konkurs liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des Verlustes wegen Vermögenslosigkeit der GmbH nicht mehr zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98, BFHE 191, 115, BStBl II 2000, 343, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2185910 |
BFH/NV 2009, 1416 |
HFR 2009, 1199 |