Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
§ 22 AO ist lex specialis gegenüber § 39 Abs. 3 BRRG. Vor Erteilung der Aussagegenehmigung nach § 39 Abs. 3 BRRG ist daher zu prüfen, ob der Aussagegenehmigung das Steuergeheimnis entgegensteht.
Das Steuergeheimnis ist nicht verletzt, wenn der Stpfl. der Preisgabe zustimmt. Das Steuergeheimnis ist auch im Interesse der öffentlichkeit geschaffen. Dieses Interesse geht aber nicht weiter, als es der Schutz des Stpfl. erfordert.
Normenkette
AO §§ 22, 412 Abs. 3; BRRG § 39 Abs. 1, 3; StPO § 54
Gründe
Da der Rechtsstreit nach übereinstimmender Erklärung der Parteien infolge des durch den Tod des Klägers veranlaßten Einstellungsbeschlusses des Oberlandesgerichts (OLG) vom 16. September 1966 in der Hauptsache erledigt ist, ist nach § 138 FGO nur noch nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist.
§ 54 der Strafprozeßordnung (StPO) verweist, wie schon erwähnt, für die Erteilung der Aussagegenehmigung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften. Für ... war im maßgebenden Zeitpunkt § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) maßgebend. Nach dieser Vorschrift darf die Genehmigung, als Zeuge auszusagen, nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würden. Aus dieser Fassung, insbesondere aus dem Worte "nur" könnte gefolgert werden, daß in dieser Vorschrift die Materie der Aussagegenehmigung erschöpfend geregelt ist, insbesondere weil ein Hinweis darauf fehlt, daß Vorschriften über Aussagebeschränkungen in anderen Gesetzen unberührt bleiben, etwa § 22 AO - Unverletzlichkeit des Steuergeheimnisses -, und das BRRG gegenüber der AO das jüngere Gesetz darstellt. Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Bundesministers der Finanzen, daß § 22 AO gegenüber § 39 BRRG eine Sonderbestimmung darstellt, die bei der Erteilung der Aussagegenehmigung primär zu beachten ist. Als lex specialis geht § 22 AO der jüngeren Vorschrift des § 39 BRRG vor (vgl. auch § 86 FGO).
Die Bestimmung, daß das Steuergeheimnis unverletzlich ist und nur in besonderen Fällen preisgegeben werden darf, dient dem Schutz des Steuerpflichtigen (Stpfl.) Sie dient auch der Allgemeinheit, aber nur in dem Sinne, daß sie es dem Stpfl. erleichtert, seine Verhältnisse der Steuerbehörde bekanntzugeben, weil er weiß, daß sie von den Behörden grundsätzlich nicht geoffenbart werden dürfen. Auf diese Weise dient das Steuergeheimnis mittelbar auch dem öffentlichen Wohle, weil es das Steueraufkommen fördert. Nur aus diesem Grunde ist der Behörde ein selbständiges Strafantragsrecht (§ 412 Abs. 3 AO) eingeräumt. Der Schutz des Steuergeheimnisses im öffentlichen Interesse kann also nicht weiterreichen als der Schutz des Steuergeheimnisses im Interesse des Stpfl. Es gibt kein Steuergeheimnis gegen den Willen des Stpfl. Daraus ergibt sich aber, daß bei Einwilligung des Stpfl. keine unbefugte Preisgabe des Steuergeheimnisses vorliegen kann (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Rdnr. 25 zu § 202). Der Einwand des Bundesministers der Finanzen, unter Verhältnissen des Stpfl. im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 1 AO sei auch der Name eines Denunzianten zu verstehen, weil dieser zufolge der Anzeige u. U. steuerliche Pflichten zu erfüllen habe und damit selbst Stpfl. würde, kann nicht gefolgt werden. Der Begriff des Stpfl. ist in § 97 Abs. 1 AO geregelt. Stpfl. ist danach, wer nach den Steuergesetzen eine Steuer als Steuerschuldner zu entrichten hat. Die Vorschriften für die Stpfl. gelten nach § 97 Abs. 2 AO sinngemäß für die, die nach den Steuergesetzen neben den Stpfl. oder an deren Stelle persönlich für die Steuer haften. Die weitergehende Definierung des Begriffs Stpfl. in der Verordnung zur Durchführung der §§ 402 und 413 AO vom 17. August 1940 (Reichsministerialblatt S. 209, RStBl S. 772) kann hier schon deswegen nicht in Betracht kommen, da nach dieser Verordnung Auskunftspersonen (§§ 175 ff. AO) nicht unter den Begriff des Stpfl. fallen, soweit es sich um Pflichten handelt, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Auskunftspersonen obliegen.
Ob der Name des Denunzianten unter den Begriff "Steuersache" im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 2 AO fällt, kann dahingestellt bleiben, da der Kläger die Preisgabe des Namens selbst fordert, insoweit also nach dem Obengesagten keine unbefugte Offenbarung vorliegt. Da im Streitfall sonach das Hindernis des § 22 AO wegfällt, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob ein zwingendes öffentliches Interesse die Preisgabe des Namens gebietet und ob ein solches vorliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 412572 |
BStBl III 1967, 572 |
BFHE 1967, 113 |
BFHE 89, 113 |