Leitsatz (amtlich)
Die besondere Körperschaftsteuerschuld des § 9 Abs. 3 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 373, BStBl I 1954, 575) kann bei der Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen der Obergesellschaft als Betriebsschuld abgezogen werden.
Normenkette
KStG 1955 § 9 Abs. 1, 3; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 60; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1
Tatbestand
Bei der vorläufigen Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Januar 1963 durch Bescheid vom 18. Dezember 1964 ließ das FA die für die Jahre 1959 bis 1962 geschuldete besondere Körperschaftsteuer nach § 9 Abs. 3 KStG (im folgenden: Nachsteuer) in Höhe von insgesamt 215 454 DM mit der Begründung nicht zum Abzug zu, daß diese Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Schachtelbeteiligungen ständen. Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das FG, dessen Urteil in EFG 1966, 500 veröffentlicht ist, war der Auffassung, daß die Nachsteuerschulden nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang im Sinne des § 62 Abs. 1 BewG zu den Schachtelbeteiligungen, sondern zu den aus diesen Schachtelbeteiligungen der Obergesellschaft zugeflossenen Gewinnanteilen und außerdem zu dem Entschluß der Obergesellschaft ständen, diese Gewinnanteile nicht weiter auszuschütten. Das FG folgerte das aus der gesetzlichen Regelung der Nachsteuer in § 9 Abs. 3 KStG und dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, wie er sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte ergebe. Die Nachsteuerschulden entständen durch die Vereinnahmung der Schachteldividende und den Entschluß der Obergesellschaft, diese Schachteldividende ganz oder zum Teil nicht weiter auszuschütten. Da die vereinnahmten Dividenden zum Betriebsvermögen der Obergesellschaft gehörten, sei der Abzug nach § 62 Abs. 1 BewG zulässig, ohne Rücksicht darauf, ob daneben noch ein mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Nachsteuer mit den Schachtelbeteiligungen bestehe.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 62 Abs. 1 BewG. Die Auffassung des FG, die Nachsteuer sei unmittelbar mit den Schachteldividenden und mit dem Entschluß der Obergesellschaft über ihre Verwendung verknüpft, treffe nicht zu. Denn es sei dem KStG entgegen der Auffassung des BFH in dem Urteil I 276/61 S vom 3. Juli 1963 (BFH 77, 394, BStBl III 1963, 464) nicht zu entnehmen, daß eine Nachsteuer insoweit nicht zu erheben sei, als eine weitere Ausschüttung erfolge. Bei der Entstehung der Nachsteuer und der Erhöhung der Steuerermäßigung für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen handele es sich um zwei selbständige Einwirkungen auf die gesamte Körperschaftsteuerbelastung, die für die Entscheidung des Rechtsstreites voneinander getrennt werden müßten. Einen Zusammenhang der vom FG angenommenen Art, daß ein Entschluß über die Verwendung der Schachteldividende die Entstehung der Nachsteuer verhindere und somit ein ursächlicher und unmittelbarer Zusammenhang zwischen beiden Tatbeständen vorliege, gebe es nicht. Diese Trennung habe auch materiell-rechtlich Bedeutung. Denn es ergäben sich Vor- und Nachteile, wenn für die Schachtelgesellschaft und die Obergesellschaft verschiedene Steuersätze anzuwenden seien, so wenn z. B. die Obergesellschaft eine personenbezogene Kapitalgesellschaft sei. Der aus § 9 Abs. 3 Satz 2 KStG weiter zu entwickelnde Weg, daß die Bemessungsgrundlage der Nachsteuer stets um die bei der Obergesellschaft weitergeleiteten Schachteldividenden zu mildern sei und ihr der ermäßigte Steuersatz nur für ihre um die vereinnahmten Schachteldividenden geminderten berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen gewährt werden könne, sei vom Gesetzgeber nicht beschritten worden. Deshalb gehe der Hinweis auf diese Vorschrift in dieser Allgemeinheit fehl. Außerdem sei diese Vorschrift für die Nachsteuerfestsetzung im vorliegenden Fall nicht anzuwenden gewesen. Aus dieser Betrachtung folge, daß ein ursächlicher Zusammenhang der Nachsteuer mit den Schachtelgewinnen in der vom FG angenommenen Art nicht bestehe. Es bleibe nur der Zusammenhang mit der Schachtelbeteiligung. Die Schachteldividenden hätten nur als Bemessungsgrundlage für die Nachsteuer gedient. Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt hat am 10. Januar 1969 einen endgültigen Bescheid über die Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1963 erlassen und eine Abschrift dieses Bescheides gemäß §§ 77 Abs. 3, 121 FGO zu den Akten übersandt. Es hat gleichzeitig mitgeteilt, daß die Klägerin keinen Antrag nach den §§ 68, 123 Satz 2 FGO stellen wolle, sondern nur den geänderten Bescheid hinsichtlich der Bewertung ihrer Ausgleichsforderung selbständig mit dem Einspruch angefochten habe. Das FA ist der Auffassung, daß trotzdem über die Revision sachlich entschieden werden könne. Auch die Klägerin hat sich dieser Auffassung des FA angeschlossen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Senat ist durch den nachträglichen Erlaß des endgültigen Einheitswertbescheides vom 10. Januar 1969 nicht gehindert, über die Revision sachlich zu entscheiden. Die Klägerin hat einen Antrag nach den §§ 68, 123 Satz 2 FGO nicht gestellt. Der IV. Senat hat zwar in dem Urteil IV R 110/67 vom 28. Mai 1968 (BFH 92, 322, BStBl II 1968, 541) die Auffassung vertreten, daß das Rechtsbehelfsverfahren gegen den ursprünglichen Bescheid in der Hauptsache erledigt sei, wenn ein Antrag nach § 68 FGO nicht rechtzeitig gestellt werde. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Auffassung in allen Fällen zutrifft. Denn der IV. Senat räumt selbst ein, daß etwas anderes gilt, wenn der Steuerpflichtige auch den zweiten Bescheid selbständig anficht. Das ist hier geschehen. Eine Aussetzung nach § 74 FGO, wie sie der II. Senat in dem Beschluß II S 54/66 vom 19. Oktober 1966 (BFH 86, 727, BStBl III 1966, 655) ausgesprochen hat, hält der Senat im vorliegenden Fall deswegen nicht für angebracht, weil das FA die Entscheidung über den Einspruch gegen den nach § 125 AO geänderten Bescheid ausgesetzt hat.
2. In sachlicher Hinsicht ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß die Frage, ob die Nachsteuerschuld als Betriebsschuld abgezogen werden kann, allein nach § 62 Abs. 1 BewG zu entscheiden ist. Es ist auch richtig, daß nach dieser Vorschrift solche Schulden oder Lasten als Betriebsschulden abgezogen werden können, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Daraus folgt, wie das FG mit Recht bemerkt, umgekehrt, daß solche Schulden und Lasten nicht abgezogen werden können, die weder mit der Gesamtheit noch mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einer Schuld und einem bestimmten Wirtschaftsgut besteht nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen ist, die dieses Wirtschaftsgut betreffen. Es ist zwar richtig, daß die Erhebung der Nachsteuer das Vorhandensein einer Schachtelbeteiligung voraussetzt. Die Nachsteuerschuld entsteht aber nicht auf Grund der Tatsache, daß die Obergesellschaft eine Schachtelbeteiligung im Sinne des § 60 BewG hat. Die Nachsteuerschuld wird vielmehr dadurch ausgelöst, daß in einem Veranlagungszeitraum aus dieser Schachtelbeteiligung der Obergesellschaft Gewinnanteile zugeflossen sind. In Veranlagungszeiträumen, in denen der Obergesellschaft keine Dividenden aus der Schachtelbeteiligung zufließen, kann trotz des Vorhandenseins der Schachtelbeteiligung keine Nachsteuer entstehen. Dagegen spricht es auch nicht, daß nach der in Abschn. 40 Abs. 3 KStR vertretenen Auffassung die Nachsteuer keine nach dem Einkommen bemessene Körperschaftsteuer, sondern eine Steuer besonderer Art auf eine Einnahme (Objektsteuer) ist. Denn auch eine solche Objektsteuer setzt für ihre Entstehung das Vorhandensein des Objekts, das sie besteuern soll, also die der Obergesellschaft zugeflossene Schachteldividende, voraus. Gerade durch die Ausgestaltung der Nachsteuer als eine von der Obergesellschaft zu zahlende Objektsteuer ist gegenüber dem vorher bestehenden Rechtszustand, nach dem die Ausschüttung von Dividenden, die bei der Schachtelgesellschaft das Schachtelprivileg genossen, zur Erhebung der vollen Körperschaftsteuer bei der Untergesellschaft führte, eine gewisse Verselbständigung der Nachsteuer eingetreten. Die Entstehung der Nachsteuerschuld ist jetzt in erster Linie auf die Erzielung von Einnahmen aus der Schachtelbeteiligung zurückzuführen. Für diese Einnahmen besteht jedoch keine bewertungsrechtliche Steuerbefreiung. Das gilt sowohl für die eingenommenen Beträge als auch für die mit diesen Beträgen angeschafften Gegenstände. Alle diese Wirtschaftsgüter werden im Betriebsvermögen der Obergesellschaft angesetzt. Mit diesem Teil des gewerblichen Betriebs stehen die Nachsteuerschulden, wie das FG richtig erkannt hat, auf jeden Fall in wirtschaftlichem Zusammenhang. Deshalb bedarf es keiner weiteren Prüfung der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob die Minderung der Nachsteuer nach § 9 Abs. 3 Satz 2 KStG, wie das FG im Anschluß an das BFH-Urteil I 276/61 S (a. a. O.) meint, Teil der in § 9 Abs. 3 KStG enthaltenen Gesamtregelung ist und deshalb die Entstehung der Nachsteuerschuld auch noch von einem Entschluß der Obergesellschaft abhängt, die erhaltene Dividende ganz oder teilweise nicht weiter auszuschütten oder ob, wie das FA meint, die Bemessung der Nachsteuer nach § 9 Abs. 3 Satz 1 KStG und die Minderung der Nachsteuer nach § 9 Abs. 3 Satz 2 KStG "zwei selbständige Einwirkungen auf die gesamte Körperschaftsteuerbelastung" sind. Denn allein der Umstand, daß zwischen den im Betriebsvermögen angesetzten zugeflossenen Dividendenbeträgen oder den mit diesen Beträgen angeschafften Wirtschaftsgütern und der Nachsteuerschuld ein wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung besteht, ist entscheidend dafür, daß die Nachsteuerschuld nach § 62 Abs. 1 BewG als Betriebsschuld abgezogen werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 68613 |
BStBl II 1969, 577 |
BFHE 1969, 280 |