Leitsatz (amtlich)
Gründen eine Produktionsgesellschaft und eine Gesellschaft, der der Vertrieb der Produkte jener Gesellschaft übertragen werden soll, eine GmbH und übertragen sie dieser GmbH das Marketing für die zu vertreibenden Erzeugnisse gegen Beteiligung an den Verkaufserlösen (Werbemarge), so handelt es sich insoweit auch dann nicht um Leistungen der Gesellschafter aus einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung, wenn die Werbemarge vor Gründung dieser GmbH durch eine Vereinbarung der beiden Gesellschafter festgelegt worden ist. Übersteigt die Werbemarge nicht das angemessene Maß, so liegt auch keine freiwillige Leistung vor.
Normenkette
KVStG 1959/1972 § 2 (Abs. 1) Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 2 (Abs. 1) Nr. 4, § 2 Nr. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist durch notariell beurkundeten Vertrag vom 6. Januar 1965 von A und B gegründet worden. An dem Stammkapital in Höhe von 500 000 DM beteiligten sich beide Gesellschafter je zur Hälfte. Das Stammkapital wurde später auf 2 Mio DM erhöht.
Gegenstand der Klägerin ist nach dem Gesellschaftsvertrag die Werbung, Absatzförderung und die Einführung von pharmazeutischen Spezialfabrikaten unter dem eingetragenen A-Warenzeichen. Die Klägerin darf darüber hinaus alle Geschäfte betreiben, die ihr dienlich sind oder sein können und gesetzlich zulässig sind, jedoch keinen Einzelhandel.
Bereits vor Gründung der Klägerin hatten sich die Gesellschafter über die Gründung der Klägerin und über den Vertrieb der A-Erzeugnisse in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) einschließlich Westberlins geeinigt. In einem privatschriftlichen Vertrag vom 9. Dezember 1964 wurde festgelegt, daß eine Gesellschaft gegründet werden sollte, die pharmazeutische Produkte der A in der Bundesrepublik vertreiben, für ihre Werbung und Förderung sorgen und alle Maßnahmen treffen sollte, die nicht gesetzlich verboten sind. Vereinbart wurde, daß B die in einer Anlage zum Vertrag aufgeführten Produkte bei A bestellen und die Preise bezahlen sollte. B hatte die gekauften Produkte zu den jeweils gültigen Großhandelskatalogpreisen zu inventarisieren, zu lagern, zu verteilen und zu verkaufen. Die verkauften Produkte sollten die Aufschrift tragen: ...
GmbH
Import und Vertrieb: B
Als Entgelt für den Vertrieb der Produkte sollten B 20 v. H. des Nettogroßhandelspreises verbleiben. Der nach Abzug dieser 20 v. H. und des von B zu zahlenden Einkaufspreises verbleibende Betrag sollte die Werbemarge der Klägerin darstellen und innerhalb von 30 Tagen nach Beendigung eines jeden Kalendermonats an sie gezahlt werden.
Bei einer Kapitalverkehrsteuerprüfung am 25. September 1973 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) fest, daß die Klägerin folgende Werbemargen in den Jahren 1968 bis 1972 erhalten hatte:
1968 2 047 900 DM Anmerkung:
1969 3 264 454 DM Die Zahlen
1970 3 312 829 DM sind geändert.
1971 4 103 852 DM
1972 4 615 698 DM
insgesamt 17 344 733 DM
Außerdem hatte die Klägerin in diesem Zeitraum noch Einnahmen aus der Werbung für andere Produkte und aus dem Verkauf von Waren.
Das FA hat die für A-Produkte gezahlten Werbemargen in Höhe von 17 344 733 DM unter Anwendung der sog. Zweckwillenstheorie als freiwillige Gesellschafterzuschüsse i. S. des § 2 (Abs. 1) Nr. 4 Buchst. a des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1959/1972 (KVStG 1959/1972) angesehen und nach dem Regelsteuersatz durch Steuerbescheid vom 22. Juli 1974 Gesellschaftsteuer in Höhe von 410 539,75 DM festgesetzt.
Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin mit ihrer Klage die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides beantragt und im wesentlichen geltend gemacht, daß keine freiwilligen Zuschüsse vorlägen, weil die Werbemargen Gegenleistung für die Leistungen seien, die sie, die Klägerin, erbracht habe.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Es hat die Auffassung vertreten, daß der Tatbestand des § 2 (Abs. 1) Nr. 2 KVStG 1959/1972 verwirktlicht worden sei. Die Zahlung der Werbemargen habe ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis, weil B die Zahlungen aufgrund des Vertrages vom 9. Dezember 1964 erbracht habe, um der Klägerin die Verwirklichung ihres Gesellschaftszweckes zu ermöglichen.
Entscheidungsgründe
Die von der Klägerin eingelegte Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der vorangegangenen Verwaltungsakte.
Entgegen der Auffassung des FG sind im vorliegenden Fall hinsichtlich der sog. Werbemargen die Voraussetzungen des § 2 (Abs. 1) Nr. 2 oder 4 KVStG 1959/1972 nicht erfüllt. Diese Leistungen sind weder aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung erbracht worden noch handelt es sich um freiwillige Leistungen.
Die Vereinbarung vom 9. Dezember 1964 über die Honorierung der Klägerin für ihre Marketing-Tätigkeit betraf nicht das Gesellschaftsverhältnis, sondern die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin. Dadurch, daß die Gesellschafter sich verpflichteten, an die Klägerin für deren Marketing-Tätigkeit bestimmte Teile der Verkaufserlöse abzuführen, legten sie die für diese Tätigkeit zu erbringende Gegenleistung fest. Damit verpflichteten sie auch die Klägerin (vgl. § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Gleichwohl entstand keine im Gesellschaftsverhältnis begründete Verpflichtung.
Der Senat hat zwar entschieden, daß der Begriff des Gesellschaftsverhältnisses nicht nur gesellschaftsrechtliche Verhältnisse meint, sondern z. B. auch die aus einer Ergebnisausschlußvereinbarung herrührenden Verpflichtungen der Muttergesellschaft zur Übernahme des Verlustes der Tochtergesellschaft (vgl. die Urteile vom 8. November 1967 II 176/61, BFHE 91, 172, BStBl II 1968, 213, und vom 8. März 1972 II R 2/71, BFHE 105, 508, BStBl II 1972, 676). Diese Auffassung ist 1969 im Kapitalverkehrsteuergesetz verankert worden (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1). Dies bedeutet aber nicht, daß die gesamten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren herrschenden Gesellschaftern in den Bereich des Gesellschaftsverhältnisses i. S. des § 2 (Abs. 1) Nr. 2 KVStG 1959/1972 gezogen werden. Auch bei Abhängigkeitsverhältnissen ist zwischen dem Gesellschaftsverhältnis und den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft im unternehmerischen Bereich zu unterscheiden. Wird eine Kapitalgesellschaft gegründet, so betrifft die Festlegung des Gesellschaftszweckes das Gesellschaftsverhältnis. Die unternehmerische Betätigung der Kapitalgesellschaft im Rahmen des festgelegten Gesellschaftszweckes ist hiervon jedoch zu unterscheiden. Das gilt auch insoweit, als die Kapitalgesellschaft im Rahmen ihrer unternehmerischen Betätigung gegenüber den Gesellschaftern oder für die Gesellschafter tätig wird. Verpflichtungen, die sich aus dieser unternehmerischen Betätigung ergeben, sind nicht im Gesellschaftsverhältnis begründet. Sie sind allenfalls auf das Gesellschaftsverhältnis ausgerichtet (vgl. das Urteil vom 11. Februar 1976 II R 76-78/67, BFHE 122, 545, 549, BStBl II 1977, 772).
Die Gründung der Klägerin und der Vertrag vom 9. Dezember 1964 bezweckten eine Aufteilung der unternehmerischen Aktivitäten zwischen A, B und der Klägerin. A war Hersteller pharmazeutischer Erzeugnisse, B übernahm die Aufgabe, diese Erzeugnisse zu importieren und an Großhändler zu verkaufen, die Klägerin hatte das gesamte Marketing zu besorgen und insbesondere auch Ärztebesucher zu beschäftigen, die für die Absatzförderung von besonderer Bedeutung waren. Die Entscheidung, das Marketing durch eine neugegründete Gesellschaft besorgen zu lassen, mag insoweit dem Gesellschaftsverhältnis zugerechnet werden, als sie Niederschlag in der Satzung der Klägerin gefunden hat. Die unternehmerische Betätigung einer Gesellschaft selbst gehört jedoch zur üblichen unternehmerischen Betätigung und muß auch gesellschaftsteuerrechtlich entsprechend beurteilt werden.
Ohne Bedeutung ist es in diesem Zusammenhang, wie die Rechtslage zu beurteilen gewesen wäre, wenn die Klägerin für ihre Tätigkeit im Rahmen des Vertriebes der A-Erzeugnisse kein Entgelt erhalten hätte. Die Klägerin wäre in diesem Falle nur dann lebensfähig gewesen, wenn die Gesellschafter die Verluste jeweils übernommen hätten. Ob sie hierzu kraft Konzernrechtes verpflichtet gewesen wären, kann hier offenbleiben, da es im vorliegenden Fall nicht um die Beurteilung übernommener Verluste, sondern um die Beurteilung der nach der Höhe des Umsatzes von A-Erzeugnissen ausgerichteten Werbemargen geht. Der vorliegende Fall ist deshalb auch nicht mit dem durch Urteil vom 6. Februar 1980 II R 37/76 (BFHE 130, 80, BStBl II 1980, 355) entschiedenen Fall vergleichbar. Dort ging es allein um die Beurteilung der Folgen, die sich aus einer Ergebnisübernahmevereinbarung ergaben.
Unter den hier vorliegenden Umständen könnte deshalb Gesellschaftsteuer nur dann entstanden sein, wenn die Werbemargen zum Teil als freiwillige Leistungen i. S. des § 2 (Abs. 1) Nr. 4 KVStG 1959/1972 zu beurteilen wären. Anhaltspunkte dafür, daß durch die Abmachungen vom 9. Dezember 1964 nicht nur die Gegenleistung für die unternehmerische Betätigung der Klägerin festgelegt werden sollte, sondern darüber hinaus Vereinbarungen über freiwillige Leistungen getroffen wurden, die der Ausstattung der Klägerin mit dem erforderlichen Kapital dienten, gibt es nicht. Die Werbemargen waren vielmehr leistungsbezogen, weil sie von der Höhe des Umsatzes abhingen und die Höhe des Umsatzes wiederum Erfolg oder Mißerfolg der unternehmerischen Betätigung der Klägerin auswies. Damit besteht der erforderliche Zusammenhang zwischen der Leistung der Klägerin und der Gegenleistung in Form der Werbemargen.
Fundstellen
Haufe-Index 73645 |
BStBl II 1980, 726 |
BFHE 1981, 240 |