Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Auch die übereignung unter Eigentumsvorbehalt begründet die Haftung nach § 116 Abs. 1 AO.
Normenkette
AO § 116 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die A- GmbH (Beschwerdegegnerin - Bgin. -) als Erwerberin des Bergbauunternehmens der Gewerkschaft N. nach § 116 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) für die im Betriebe dieses Unternehmens entstandene Kohlenabgabe haftet. Die Gewerkschaft betrieb den Kohlenbergbau auf dem früher ihr gehörenden, 1944 verkauften und von den jeweiligen Käufern, zuletzt von der B... AG wieder gepachteten Grubenfeld. Fast das gesamte Betriebsinventar des Unternehmens war durch Vertrag vom 30. November 1953 an die X-AG zur Sicherung von Ansprüchen übereignet worden. Im August oder September 1953 waren einige Gegenstände der Gewerkschaft, darunter ein Förderband und die Büroeinrichtung durch das Finanzamt gepfändet worden.
Die Bgin. pachtete mit Wirkung vom 1. Oktober 1954 das Grubenfeld von der B. ... AG. Durch Vertrag vom 30. Oktober 1954 erwarb sie von der X-AG die dieser sicherungshalber übereigneten Gegenstände unter Eigentumsvorbehalt. Außerdem erstand sie die vom Finanzamt gepfändeten Sachen. Im Laufe des Oktobers begann sie schon den Abbau von Steinkohle.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Für die Haftung der Bgin. aus § 116 Abs. 1 AO ist es rechtlich unerheblich, daß sie das Betriebsinventar unter Eigentumsvorbehalt der X-AG erworben hat. Nach bürgerlich-rechtlicher Auffassung hat die Bgin. dadurch aufschiebend bedingtes Eigentum erhalten. Es handelt sich dabei um ein dingliches Anwartschaftsrecht, das eine rechtlich gesicherte und geschützte Rechtsstellung begründet und in mancher Beziehung, z. B. hinsichtlich des Rechtsschutzes und der übertragung wie das Eigentum selbst behandelt wird (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 16. Auflage § 929 Anmerkung 6 b). Werden daher die wesentlichen Grundlagen eines Betriebes unter Eigentumsvorbehalt übereignet, so ist auch diese durch die Bezahlung des Kaufpreises bedingte übereignung als eine übereignung im Sinne des § 116 AO anzusehen. Diese Auffassung wird auch dem Sinne des § 116 Abs. 1 AO gerecht, die auf den Betrieb des Unternehmens sich gründenden Steuern durch das Unternehmen selbst als Haftungsgegenstand zu sichern. Der Senat wird in dieser Ansicht ferner dadurch bestärkt, daß anderenfalls der Erwerber mit einer säumigen Zahlung des vollen Kaufpreises den endgültigen Eigentumsübergang und damit seine Inanspruchnahme als Haftender beliebig verzögern könnte. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Feststellung, ob die Bgin. den Kaufpreis bereits bezahlt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 424081 |
BStBl III 1957, 309 |
BFHE 1958, 197 |
BFHE 65, 197 |