Leitsatz (amtlich)
Lehnt die Behörde die Erteilung einer Auskunft mit der Begründung ab, daß dadurch das Steuergeheimnis eines Dritten verletzt würde, so stellt dies einen Verwaltungsakt dar.
Normenkette
AO § 22
Gründe
Die Revision ist unbegründet.
Die auf die Erteilung von Auskünften gerichtete Klage war unzulässig, weil die Klägerin die ablehnende Verfügung des Hauptzollamts (HZA) vom 27. September 1972 nicht angefochten hat und weil deshalb kein Vorverfahren durchgeführt worden ist (§ 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Das aber war verfahrensrechtlich erforderlich, weil die ablehnende Verfügung des HZA einen Verwaltungsakt darstellt. Diesen hätte die Klägerin mit der Beschwerde anfechten müssen (§ 230 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung – AO –). Erst danach hätte sie in zulässiger Weise die Verurteilung des HZA zur Erteilung der bisher abgelehnten Auskunft im Wege der Verpflichtungsklage begehren können (§ 40 Abs. 1 FGO).
Die Frage, ob die Erteilung einer Auskunft oder die Ablehnung einer begehrten Auskunft einen Verwaltungsakt darstellt, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Einige Autoren vertreten die Auffassung, daß Auskünfte von Behörden, insbesondere wenn sie nur die Mitteilung ihres Wissens zum Inhalt haben, keine Verwaltungsakte sind (Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., § 40 FGO Anm. 55; Redeker/v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl., § 42 Anm. 53; Monreal, Auskünfte und Zusagen von Finanzbehörden, Schriften zum Steuerrecht, Bd. 2 – 1967 –, der darauf hinweist, daß die Tatsachenauskunft nicht einmal von den Autoren als Verwaltungsakt angesehen wird, die die übrigen Auskunftsarten als Verwaltungsakte ansehen, S. 43). Das soll auch für als unverbindlich bezeichnete Rechtsauskünfte gelten (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 2 Anm. 44 b Abs. 1 bis 5 AO und die dort angegebene Literatur und Rechtsprechung). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 1. Februar 1973 IV R 1/72 (BFHE 108, 517 [520], BStBl II 1973, 533) in einem Fall, in dem es im Rahmen einer vom BFH für unzulässig gehaltenen Feststellungsklage letztlich um die Auskunft zu einer Rechtsfrage ging, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH entschieden, daß solche Auskünfte keine Verwaltungsakte sind, weil sie keine auf Rechtsgestaltung gerichtete Handlung sind.
Im Streitfalle geht es nicht um eine Auskunft zu Rechtsfragen. Die Klägerin begehrt vielmehr Auskunft über die Höhe von Geldbeträgen, die in bestimmten Jahren von der Firma B auf ihre – der Klägerin – Rechnung als Eingangsabgaben bezahlt bzw. die ihr gutgeschrieben oder erstattet worden sind. Dabei handelt es sich um Tatsachen, die in das Wissen der Zollbehörden gestellt sind. Zu einer Auskunft dieser Art hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 25. Februar 1969 I C 65/67 (BVerwGE 31, 301 [3067] entschieden, daß die Frage, ob mit dem Antrag auf Erteilung einer Auskunft der Erlaß eines Verwaltungsaktes begehrt wird, nicht allgemein bejaht oder verneint werden kann. Es hat darauf abgestellt, ob die um Auskunft ersuchte Behörde prüfen müsse, ob die Erteilung der Auskunft mit der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben vereinbar sei oder ob eine solche Prüfung entfalle, weil eine Auskunftserteilung – wie bei einem Einwohnermeldeamt – zu den Aufgaben der Behörde gehöre. Diese Überlegungen seien, wie das BVerwG fortfährt, mangels gesetzlicher Regeln dem Ermessen der Behörde überlassen. Die Erteilung der Auskunft sei ebenso wie die Versagung das nach außen sichtbare Ergebnis dieses behördeninternen Vorgangs. Der rechtliche Schwerpunkt liege nicht in der Erteilung oder Versagung der Auskunft als solcher, sondern in der hierdurch zum Ausdruck gebrachten Ermessensentscheidung der Behörde. Das durch das Auskunftsbegehren entstandene Rechtsverhältnis zwischen dem Bürger und der Behörde werde somit durch eine ausdrückliche oder schlüssige Entscheidung über den Antrag hoheitlich geregelt. Die Entscheidung über das Auskunftsbegehren sei auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet.
Der Senat tritt diesen Rechtsausführungen bei. Für den Streitfall ergibt sich daraus, daß die Erteilung bzw. die Ablehnung der von der Klägerin begehrten Auskünfte Verwaltungsakte sind. Das HZA hat die Erteilung der begehrten Auskünfte mit der Begründung abgelehnt, daß über das Aufschubkonto ihrer bevollmächtigten Firma B (über das nach den Feststellungen des Finanzgerichts – FG – die Zahlungen der Eingangsabgaben abgewickelt worden sind) aus Gründen der Wahrung des Steuergeheimnisses keine Auskünfte erteilt werden könnten. Ähnlich wie in dem vom BVerwG entschiedenen Falle hat damit das HZA unter Abwägung der gegenseitigen Interessen in Ausübung seines Ermessens eine Entscheidung darüber getroffen, ob die Erfüllung des Auskunftsbegehrens mit seiner gesetzlichen Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses Dritten gegenüber vereinbar ist. Diese Ermessensentscheidung erfüllt die Wesensmerkmale eines Verwaltungsaktes. Als solcher ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme anzusehen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., 9. Aufl., § 40 FGO Anm. 4). Die Klage ist danach, da die Klägerin den ablehnenden Verwaltungsakt nicht mit der Beschwerde angefochten hat, unzulässig erhoben worden. Ob für sie, was das FG verneint hat, ein Rechtsschutzbedürfnis bestand, braucht nicht entschieden zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 514809 |
BFHE 1979, 358 |