Entscheidungsstichwort (Thema)
Erklärung nach § 68 FGO auch ohne Bevollmächtigten zulässig; Mietvertrag zwischen nahen Angehörigen
Leitsatz (NV)
1. Wird der angefochtene Steuerbescheid während des Revisionsverfahrens aus nicht im Streit befindlichen Gründen geändert, kann ein nicht gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vertretener Revisionsbeklagter den Antrag nach § 68 FGO persönlich stellen. Die Bestellung eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers ist hierfür nicht erforderlich.
2. Zu den Voraussetzungen der steuerlichen Berücksichtigung eines zwischen Eltern und Kindern in Zusammenhang mit der Übertragung des Grundstücks abgeschlossenen Mietvertrags.
Normenkette
AO § 42; FGO § 68; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; EStG § 9
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind miteinander verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Durch notariellen Vertrag vom 28. November 1983 erwarben sie von den Eltern des Klägers dessen Einfamilienhaus je zur Hälfte. Das Haus wurde von den Eltern bewohnt. Der vereinbarte Kaufpreis sollte wie folgt bezahlt werden:
- Übernahme von Belastungen,
- Tilgung des Restkaufpreises in monatlichen Raten von . . . DM, zahlbar jeweils monatlich im voraus bis zum 5. Werktag eines jeden Monats, erstmals für den Monat Dezember 1983, bis zur vollständigen Tilgung.
Nach Belehrung durch den Notar verzichteten die Beteiligten auf eine Sicherung dieser zinslosen Restkaufpreisschuld. Zeitgleich mit dem notariellen Kaufvertrag schloß der Kläger mit den Eltern einen Mietvertrag über das Einfamilienhaus; nach diesem Vertrag hatten die Eltern als bisherige Eigentümer und nunmehrige Mieter monatlich einen Betrag von . . . DM als Miete zu entrichten. Ab Dezember 1983 verrechneten die Beteiligten die Miete monatlich mit der Tilgungsrate für den Restkaufpreis.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1983 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß geltend, den sie aus Einnahmen für Dezember 1983 in Höhe von . . . DM sowie Werbungskosten für Schuldzinsen und Notarkosten und eine Absetzung für Abnutzung (AfA) errechneten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging bei der Veranlagung von einem unentgeltlichen Erwerb der Kläger aus, denn der Kaufvertrag und der Mietvertrag bedeuteten einen Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Schuldzinsen verrechnete das FA mit 1/12 des Grundbetrages (1,4 % des Einheitswertes).
Darüber hinaus berücksichtigte es AfA gemäß § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Die Eltern des Klägers hatten das Haus im Jahr 1977 erworben.
Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 6. April 1984 blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 1984).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 42 AO 1977.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. . .
2. Auf der Grundlage des vom FG festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die Kläger gemäß § 42 AO 1977 durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz umgangen haben. Ein Mißbrauch i. S. des § 42 AO 1977 liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. Urteile des BFH vom 18. Oktober 1990 IV R 36/90, BFHE 162, 321, BStBl II 1991, 205, und vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vgl. ferner Fischer in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 42 AO 1977 Rz. 176 f. - Stand März 1991 -).
Diese Beurteilung erfordert einen vollständig und umfassend ermittelten Sachverhalt. Im Streitfall fehlen Feststellungen zu den Einzelheiten des Mietverhältnisses, insbesondere zur Angemessenheit des Mietzinses, zur Dauer des Mietverhältnisses und zu den Nebenkosten.
3. Das FG hätte die zwischen den Eltern und den Klägern geschlossenen Verträge auch daraufhin prüfen müssen, ob sie einem Fremdvergleich standhalten.
Nach ständiger Rechtsprechung setzt die steuerliche Berücksichtigung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen voraus, daß jene ernsthaft gewollt sind, tatsächlich (wie vereinbart) durchgeführt werden und deren Inhalt angemessen und üblich ist (Beschluß des BFH vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160, unter C III 2, 3; BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 X R 152/87, BFH/NV 1990, 695). Im Streitfall bestehen Bedenken, ob diese Voraussetzungen vorliegen.
Nach den vom FG getroffenen Feststellungen ist dem Senat auch insoweit eine abschließende Beurteilung nicht möglich; dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen (vgl. den Schriftsatz des FA vom 28. April 1986).
4. Falls das FG zu dem Ergebnis kommen sollte, daß die Vereinbarungen hinsichtlich des ,,Restkaufpreises" und der Vermietung steuerlich nicht anzuerkennen sind, könnte die Übertragung des Grundstücks möglicherweise in Höhe der übernommenen Verbindlichkeiten als teilentgeltliches Rechtsgeschäft anzusehen sein. In diesem Fall könnten auf die auf den Erwerb des Gebäudes entfallenden Anschaffungskosten Absetzungen (ggf. auch nach § 7 b EStG) vorgenommen werden; hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Teils wäre die AfA der Rechtsvorgänger (möglicherweise auch die nach § 7 b EStG) anteilig fortzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 417918 |
BFH/NV 1992, 110 |