Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Schließen sich Kaufleute zu einer Gesellschaft zusammen, die den Bau und die Vermietung eines Bürogebäudes zum Gegenstand hat, so unterhält die Gesellschaft jedenfalls dann einen Gewerbebetrieb, wenn die meisten Gesellschafter selbst Mieter in diesem Gebäude sind.
Normenkette
EStG § 15; GewStG § 2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (im folgenden Gesellschaft genannt). Die Gesellschaft wurde 1922 im wesentlichen von Kaufleuten gegründet. Sie plante den Bau eines Bürohauses auf einem von der Stadt gemieteten Grundstück. Da die Kosten auf X Mark veranschlagt waren, wurden 100 Anteile zu je X : 100 Mark gebildet, von denen die Gesellschafter (meist Mieter in dem Bürohaus) einen oder mehrere übernahmen. Der Mietvertrag mit der Stadt wurde auf 30 Jahre geschlossen und später um 20 Jahre verlängert. Er enthielt die Verpflichtung, das Haus zu errichten, das bei Beendigung der Mietzeit unentgeltlich in das Eigentum der Stadt übergehen sollte. Ferner hatte die Gesellschaft das Gebäude zu erhalten, notfalls für eigene Rechnung zu erneuern und Versicherungsprämien, Wassergeld, Sielgeld und Schornsteinfegergebühren zu zahlen. Die Büroräume in dem Gebäude wurden zum Teil weiter vermietet.
Das Finanzamt (FA) zog die Gesellschaft seit 1924 zur Gewerbesteuer heran, weil es in der Vermietung der Büroräume eine gewerbliche Tätigkeit sah. Das geschah auch für das Streitjahr 1961.
Die Gesellschaft legte gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1961 Einspruch ein, der Erfolg hatte. Der Steuerausschuß des FA sah die Tätigkeit der Gesellschaft, die nur die Erhaltung und Nutzung des vorhandenen Vermögens bezwecke, nicht als gewerblich an und hob den Gewerbesteuermeßbescheid auf.
Dagegen wandte sich das FA mit der Berufung. Die Berufung blieb ohne Erfolg.
Mit seiner nunmehr als Revision zu behandelnden Rb. verfolgt das FA seine Auffassung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung, der Zurückweisung des Einspruchs und damit zur Wiederherstellung des Gewerbesteuermeßbescheides 1961.
Das FA nahm im Ergebnis mit Recht eine gewerbliche Tätigkeit der Gesellschaft an. Allerdings reicht die bisher von ihm gegebene Begründung besonders wegen der neueren Rechtsprechung des BFH zur Vermietung großer Bürohäuser nicht aus.
Der BFH ist in der schon vom Finanzgericht (FG) erwähnten Entscheidung I 53/60 S von der Auffassung des Reichsfinanzhofs - RFH - (Urteile VI 191/39 vom 17. Mai 1939, RStBl 1939, 887, und III 94/42 vom 6. August 1942, RStBl 1943, 21) abgegangen, daß grundsätzlich bei der Verwaltung von großen Büro- und Kontorhäusern ein gewerblicher Betrieb vorliege. In derselben Entscheidung ist auch ausgeführt, daß in der Vermietung und Verpachtung von Räumen nur dann eine gewerbliche Tätigkeit gesehen werden kann, wenn besondere Umstände vorliegen, z. B. ein sich aus der Natur des Objekts ergebender häufiger Wechsel der Mieter stattfindet oder ins Gewicht fallende, sonst nicht übliche Nebenleistungen erbracht werden. Der Größe des Objekts, der Zahl der Mieter und der büromäßigen Organisation ist keine besondere Bedeutung beizumessen. Auch in den Urteilen des Senats IV 136/61 S vom 12. März 1964 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 79 S. 366 - BFH 79, 366 -, BStBl III 1964, 364) IV 141/60 U vom 18. März 1964 (BGH 85, 373, BStBl III 1964, 367), IV 322/61 vom 18. März 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964 S. 295) und IV 193/62 vom 18. März 1964 (HFR 1964 S. 296), die sich mit der Errichtung von Häusern durch Architekten und Bauunternehmer zwecks späterer Vermietung befassen, ist ausführlich dargelegt, daß nicht schon die Ausnutzung einer besonderen günstigen Lage zur Erzielung von Gewinnen die Vermietung und Verpachtung zu einer gewerblichen Tätigkeit macht und daß die Größe des Objekts und der Einsatz von Arbeitskraft und Fremdkapital grundsätzlich keine Rolle spielen.
Das FG hielt sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Die Tätigkeit der Gesellschaft stellt aber aus einem anderen Grund einen Gewerbebetrieb dar.
Nach den vom FG getroffenen und für den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Tatsachenfeststellungen waren die meisten Gesellschafter selbst Mieter in dem geschaffenen Bürogebäude. Die Sachlage ist also keine andere als in dem Falle, daß ein Kaufmann oder mehrere von ihnen - jeder für sich - ein Betriebsgebäude errichten oder Stockwerkseigentum erwerben, um darin ihr Gewerbe auszuüben. Diese Räume hätte der einzelne Gesellschafter nicht aus seinem Betriebsvermögen aussondern und gewissermaßen im Wege der Vermietung und der Verpachtung an sich selbst nutzen können. Die die Beschaffung eigener Büroräume bezweckende Beteiligung kann deshalb nur als Betriebsvermögen dieser Gesellschafter behandelt werden. Diese Zweckbestimmung bei den meisten der Gesellschafter ist angesichts der in Fällen der vorliegenden Art ohne schwer bestimmbaren Grenze zwischen der Einkünfteerzielung aus Vermietung und Verpachtung und aus Gewerbebetrieb auch bei der Beurteilung des Charakters des Gesamtbetriebes der Gesellschaft von entscheidendem Gewicht. Nach dem Gesamtbild des Unternehmens zielte es nicht auf die Anlage und Nutzung von Vermögen, sondern auf den Einsatz des Vermögens zur Förderung der Gewerbebetriebe der meisten der Gesellschafter ab. Damit nahm die Gesellschaft selbst den Charakter eines gewerblichen, auf Gewinn gerichteten, nachhaltig betriebenen und im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmenden Unternehmens an.
Fundstellen
Haufe-Index 412259 |
BStBl III 1966, 625 |
BFHE 1966, 715 |
BFHE 86, 715 |