Leitsatz (amtlich)
1. Legt ein Steuerpflichtiger seine Anteile an einer umzuwandelnden Kapitalgesellschaft nach dem Umwandlungsstichtag in sein Betriebsvermögen ein, so wirkt dieser Vorgang auf den Umwandlungsstichtag zurück.
2. § 17 EStG ist nicht verfassungswidrig.
Normenkette
EStG 1955 §§ 17, 6 Abs. 1 Nr. 5; UmwStG § 2 Abs. 2, §§ 4, 12
Nachgehend
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) gründete im Jahre 1951 eine GmbH. Seit Juni 1954 war er der alleinige Gesellschafter dieser GmbH. Er behandelte die Geschäftsanteile zunächst als Privatvermögen und legte sie dann am 24. Oktober 1957 in das Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens ein. Die Einlage bewertete er mit dem unstreitigen Teilwert von 1 246 848 DM.
Am 29. Oktober 1957 beschloß die GmbH die Umwandlung nach dem Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (UmwG) - BGBl I 1956, 844, BStBl I 1957, 471 - durch Übertragung ihres Vermögens auf den alleinigen Gesellschafter, den Steuerpflichtigen. Der Umwandlung wurde die Umwandlungsbilanz zum 31. Dezember 1956 zugrunde gelegt, die ein Reinvermögen von 218 085 DM ergab. Der Steuerpflichtige stockte in seiner Bilanz die Buchwerte des übernommenen Vermögens nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über Steuererleichterungen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften (UmwStG) vom 11. Oktober 1957 - BGBl I 1957, 1713, BStBl I 1957, 468 - soweit auf, daß sie den Wert erreichten, mit dem die Anteile an der umgewandelten GmbH zu Buche standen, das war, wie oben ausgeführt, der Teilwert von 1 246 848 DM. Der Revisionskläger (FA) setzte dagegen in der Bilanz des Steuerpflichtigen die Anteile an der umgewandelten GmbH mit 200 000 DM an, da sie am Umwandlungsstichtag noch nicht Bestandteil des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen gewesen und daher nach § 4 Abs. 2 UmwStG mit den Anschaffungskosten zu bewerten seien. Dementsprechend ließ das FA den Ansatz der übernommenen Wirtschaftsgüter höchstens mit den Buchwerten zu. Das führte nach folgender Berechnung zu einem Umwandlungsgewinn der ersten Stufe.
Summe der Buchwerte
der übernommenen Wirtschaftsgüter 218 085 DM
Anschaffungskosten der Anteile 200 000 DM
Umwandlungsgewinn 18 085 DM
Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr 1956, die nach dem angefochtenen Bescheid 65 966 DM betrug, anderweit auf 63 461 DM fest. Dieser Betrag ergab sich zunächst aus unstreitigen Gewinnberichtigungen, ferner aus einer vom FA anerkannten Ermäßigung des Umwandlungsgewinns von 18 085 DM auf 3 085 DM, die auf der Erhöhung der Anschaffungskosten für die Anteile an der umgewandelten GmbH von 200 000 DM auf 215 000 DM beruhte. Nach Ansicht des FG ist auch dieser Umwandlungsgewinn von 3 085 DM nicht entstanden, weil der Steuerpflichtige die Einlage der Anteile an der umgewandelten GmbH zutreffend mit dem Teilwert bewertet habe und dann berechtigt gewesen sei, die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter auf den höheren Buchwert der Anteile aufzustocken.
Die Rechtsbeschwerde (Revision) des FA rügt unrichtige Anwendung der §§ 2, 4 Abs. 1 und 2 UmwStG und des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1955.
Das FA vertritt zunächst im Gegensatz zum FG die Auffassung, daß die Einlage der Anteile an der umgewandelten GmbH nicht auf den Umwandlungsstichtag zurückbezogen werden dürfe. Daher seien nach § 4 Abs. 2 UmwStG die Anschaffungskosten der Anteile mit der Summe der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter zu vergleichen, mit der Folge, daß diese, da sie höher als die Anschaffungskosten der Anteile seien, nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG maßgebend seien. Aber auch wenn man der Ansicht des FG folge und die Einlage der Anteile an der umgewandelten GmbH auf den Umwandlungsstichtag zurückwirken lasse, komme man zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach dem Urteil des BFH IV 26/62 S vom 21. Februar 1964 (BFH 78, 490, BStBl III 1964, 188) sei die Einlage einer wesentlichen Beteiligung entgegen dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1955 nicht mit dem Teilwert, sondern mit den Anschaffungskosten zu bewerten.
Das FA wies ursprünglich noch darauf hin, daß sich der Gewinn des Steuerpflichtigen im Streitjahr um 8 809 DM erhöhe, da eine im Jahre 1953 gebildete, bisher streitige, nunmehr aber anerkannte Exportförderungsrücklage aufzulösen sei. Diesen Punkt ließ das FA später im gegenwärtigen Verfahren fallen.
Das FA beantragte zunächst, die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 68 476 DM festzusetzen. Nunmehr stellt es den Antrag, die Einkommensteuer auf 63 925 DM festzusetzen.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt er, die Einlage der Anteile an der umgewandelten GmbH als Veräußerung anzusehen und den Unterschied zwischen dem Teilwert und den Anschaffungskosten nach §§ 17, 34 EStG zu besteuern.
Der Steuerpflichtige wendet sich in ausführlichen Darlegungen gegen das Urteil des BFH IV 26/62 S, a. a. O., und vertritt dazu die Auffassung, § 17 EStG sei verfassungswidrig.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
Der Senat folgt der Auffassung des FG, daß die Einlage der Anteile an der umgewandelten GmbH nach §§ 12, 2 Abs. 2 UmwStG auf den Umwandlungsstichtag vom 31. Dezember 1956 zurückzubeziehen ist. Wie der Senat in dem Urteil I 180/62 U vom 6. November 1963 (BFH 78, 547, BStBl III 1964, 209) näher ausgeführt hat, bewirkt § 2 Abs. 2 UmwStG nicht, daß die umgewandelte GmbH am Umwandlungsstichtag steuerlich erlischt. Die GmbH lebt vielmehr ebenso wie nach Handelsrecht weiter bis zur Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister (§§ 5, 9, 15, 24 UmwG). Daher bestehen auch die Geschäftsanteile an der GmbH fort und können vom Gesellschafter aus seinem Privatvermögen in sein Betriebsvermögen eingelegt werden. Dieser Vorgang muß dann nach §§ 12, 2 Abs. 2 UmwStG auf den Umwandlungsstichtag zurückbezogen werden. Sonst bliebe er ohne steuerrechtliche Wirkung, obwohl alle seine Voraussetzungen - rechtliches Vorhandensein der einlegenden Person, seines Betriebsvermögens und der Geschäftsanteile - im Zeitpunkt der Einlage erfüllt wären. Das widerspräche dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 UmwStG. Die Rückwirkung hat zur Folge, daß für die Ermittlung des Einkommens des übernehmenden Gesellschafters die §§ 12, 4, Abs. 1 UmwStG gelten.
Nach § 4 Abs. 1 UmwStG ist im Streitfall die Summe der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungskosten der Anteile an der umgewandelten GmbH zu vergleichen. Das folgt aus der zutreffenden Bewertung der Einlage. Maßgebend ist nach §§ 12, 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG der Wert, mit dem die Anteile nach den steuerlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung in einer Bilanz des Gesellschafters auf den Umwandlungsstichtag anzusetzen wären. Das wäre nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1955 der Teilwert. Der BFH hat aber durch Urteil IV 26/62 S, a. a. O., entschieden, daß eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG auch in der Zeit vom 1. Januar 1955 bis 23. Juli 1958 höchstens mit den Anschaffungskosten in ein Betriebsvermögen eingebracht werden kann. Die Bedenken, die der Steuerpflichtige gegen diese Entscheidung vorbringt, geben dem Senat keine Veranlassung, von ihr abzuweichen und zu diesem Zweck den Großen Senat anzurufen (§ 11 Abs. 3, § 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO).
Richtig ist, daß das BFH-Urteil IV 26/62 S., a. a. O., mit der Gültigkeit des § 17 EStG steht und fällt. Der Senat kann aber die Zweifel des Steuerpflichtigen an der Verfassungsmäßigkeit des § 17 EStG nicht teilen (Urteil I 35/64 vom 6. Oktober 1966, BFH 87, 102, BStBl III 1967, 45). Er folgt dabei der Auffassung, die der IV. Senat des BFH in seinem Urteil IV 204/62 U vom 27. August 1964 (BFH 80, 416, BStBl III 1964, 624) vertreten hat. Daß gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist, ferner, daß das FG Stuttgart durch Beschluß I 636/63 vom 21. Januar 1964 (EFG 1964, 439) die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 17 EStG, die es verneint hat, dem BVerfG vorgelegt hat, vermag die Ansicht des Senats nicht zu ändern (vgl. BFH-Urteil VII 79/65 S vom 23. November 1965, BFH 84, 219, BStBl III 1966, 79). Ebensowenig erscheinen dem Senat die im Schrifttum (Barth, Der Betrieb 1964 S. 455, S. 492, Der Betrieb 1965 S. 120; Wacke, Steuer und Wirtschaft 1964 Sp. 193; Wennrich, Wertpapier-Mitteilungen, IV 1964, S. 1306; Strickrodt, Finanz-Rundschau 1965 S. 536; Schulze, Deutsches Steuerrecht 1966 S. 501; Böttcher-Beinert, Der Betrieb 1964 S. 1458) für die Verfassungswidrigkeit des § 17 EStG vorgebrachten Gründe stichhaltig.
Ganz abgesehen davon, daß § 17 EStG nach Auffassung des Senats nicht systemwidrig ist, wäre eine Systemwidrigkeit nicht ohne weiteres gleichbedeutend mit Verfassungswidrigkeit. Das Grundgesetz weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die "Steuern vom Einkommen" zu (Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG), ohne den Gesetzgeber an ein vorgegebenes System der Einkommensteuer zu binden. Das Gesetz kann daher näher bestimmen, welches Einkommen der Einkommensteuer unterliegt. Es kann daher auch den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach Maßgabe des § 17 EStG der Einkommensteuer unterwerfen.
Auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) vermag der Senat in § 17 EStG nicht zu erblicken. Der Tatbestand der wesentlichen Beteiligung nach § 17 EStG unterscheidet sich gesellschaftsrechtlich, wirtschaftlich und soziologisch von dem einfachen Anteilsbesitz, so daß es keine Willkür bedeutet, wenn er auch steuerrechtlich anders behandelt wird.
Schließlich liegt in § 17 EStG auch kein verfassungsrechtlich unzulässiger Durchgriff durch die Rechtsform der juristischen Person. Das BVerfG-Urteil 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962 (BStBl I 1962, 500) will die in der Rechtsform der juristischen Person bestehende Kapitalgesellschaft vor einem unberechtigten Durchgriff auf die Verhältnisse der Gesellschafter schützen. In § 17 EStG geht es aber um die Besteuerung des Gesellschafters. Bei ihm einen Wertzuwachs anzunehmen, der besteuert wird, bedeutet keinen Durchgriff. Denn dieser Wertzuwachs vollzieht sich an seinen Anteilen. Er beruht nicht immer auf einem entsprechenden Wertzuwachs bei der Kapitalgesellschaft. Aber auch soweit dies der Fall ist, ist es kein Durchgriff, den Wertzuwachs dem Anteilseigner zuzurechnen. Denn der Anteil an einer Kapitalgesellschaft ist nach unserer Rechtsordnung ein selbständiger Vermögenswert, und zwar gerade wegen der scharfen Trennung zwischen der in der Rechtsform der juristischen Person bestehenden Gesellschaft und dem Gesellschafter, die das BVerfG in dem angeführten Urteil 1 BvR 845/58 hervorhebt.
Die Einlage der Anteile an der umgewandelten GmbH war somit mit den Anschaffungskosten von unstreitig 215 000 DM zu bewerten. Das ist der "Buchwert der Anteile" nach §§ 12, 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG. Die Summe der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter (§§ 12, 3 UmwStG) betrug 218 085 DM. Das ergibt nach §§ 12, 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG einen Umwandlungsgewinn von 3 085 DM. Da das Urteil des FG auf der rechtlich unzutreffenden Feststellung beruht, ein Umwandlungsgewinn sei nicht entstanden, ist es aufzuheben. Aber auch der angefochtene Steuerbescheid wird aufgehoben, da er nach dem Urteil des FG und nach dem Vorbringen der Parteien im Revisionsverfahren wegen unstreitiger Gewinnberichtigungen und der Ermäßigung des Umwandlungsgewinns von 18 085 DM auf 3 085 DM fehlerhaft ist. Das FA wird unter Beachtung dieses Urteils (§ 100 Abs. 1 FGO) einen neuen Steuerbescheid erlassen.
Für den Hilfsantrag des Steuerpflichtigen, die Einlage der Anteile an der umgewandelten GmbH in das Betriebsvermögen als Veräußerung nach §§ 17, 34 EStG zu besteuern, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Der Senat kann auch nicht anerkennen, daß das FA nach Treu und Glauben rechtlich verpflichtet sei, die Einlage als Veräußerung zu behandeln. Ob das FA dem Steuerpflichtigen durch eine Maßnahme der Billigkeit (§ 131 AO) entgegenkommen soll, hat der Senat nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 68357 |
BStBl II 1969, 67 |
BFHE 1969, 134 |