Leitsatz (amtlich)
Wertfortschreibung von Amts wegen auf den 1. Januar 1950 kann im Sonderwertfeststellungsverfahren nach § 3 der 9. AbgabenDV-LA nicht verlangt werden, wenn die Voraussetzungen für eine besondere Wertfortschreibung gemäß Art. IV § 3 des I. VBestG auf den 1. April 1949 vorgelegen haben.
I. VBestG vom 29. Dezember 1950 Art. IV § 3 (Verordnungsblatt für Berlin 1951 Teil I S. 26); 9.
Normenkette
9-AbgabenDV-LA 3
Tatbestand
Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien dem Senat jedoch zweckmäßig, gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung durch Vorbescheid zu erkennen. Es handelt sich um die Feststellung eines Sonderwerts gemäß der Verordnung über die Behandlung von Grundbesitz in Berlin (West) bei den Lastenausgleichsabgaben (9. AbgabenDV-LA) vom 28. Juni 1954 (Bundesgesetzblatt 1954 I S. 158, Bundessteuerblatt 1954 I S. 319) für das Grundstück der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf den 1. April 1949. Das Gebäude ist kriegszerstört. Im Juni 1948 wurde der Einheitswert zum 1. Januar 1946 auf 37.600 RM vorläufig fortgeschrieben. Hierbei wurde der gemeine Wert des Grund und Bodens angesetzt (942 qm zu je 40 RM). Ein Rechtsmittel gegen diesen Fortschreibungsbescheid wurde nicht eingelegt. Am 8. April 1951 beantragte die Bfin. die Gewährung eines Trümmerabschlags. Das Finanzamt nahm am 10. September 1951 eine besondere Wertfortschreibung auf den 1. April 1949 gemäß Art. IV § 3 des Ersten Gesetzes über die Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin - I. VBestG - vom 29. Dezember 1950 (Verordnungsblatt für Berlin 1951 Teil I S. 26 ff.) vor, wobei von dem zuletzt festgestellten Einheitswert ein Bodenwertabschlag und ein Trümmerabschlag von zusammen 15.825 DM vorgenommen wurden. Der neue Einheitswert betrug 21.800 DM. Gegen diesen Einheitswert legte die Bfin. am 15. November 1951 Einspruch ein, zog den Einspruch jedoch am 22. Januar 1952 zurück. Am 25. September 1954 beantragte die Bfin. schließlich die Feststellung des Sonderwerts für das Grundstück auf den 1. April 1949 gemäß der 9. AbgabenDV-LA. Der Wert von 40 DM je qm Grund und Boden sei zu hoch. Der Verkehrswert liege nach Auskunft des Senators für Bau- und Wohnungswesen, Preisstelle für Grundstücke, bei 20 - 22 DM je qm. Gegen den die Feststellung eines Sonderwerts ablehnenden Bescheid des Finanzamts hat die Bfin. Sprungberufung eingelegt, die jedoch mangels Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts als Einspruch behandelt wurde. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Berufung der Bfin. hatte keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist im wesentlichen, wie folgt, begründet: Keine der Voraussetzungen für die Feststellung eines Sonderwerts gemäß den §§ 2 bis 4 der 9. AbgabenDV-LA sei im Streitfall gegeben. § 2 a. a. O. entfalle, weil bereits eine besondere Wertfortschreibung nach Art. IV § 3 des I. VBestG vorgenommen worden sei. § 4 der 9. AbgabenDV-LA scheide aus, weil das Grundstück der Bfin. nicht in dem bezeichneten Schadensgebiet liege. § 3 a. a. O. schließlich greife ebenfalls nicht durch. Denn ein Einheitswert auf den 1. Januar 1950 sei bisher nicht festgestellt worden. Nachträgliche Feststellung eines solchen Einheitswerts von Amts wegen komme nicht in Betracht, da die Bfin. mit ihrer Antragstellung auf Wertfortschreibung grundlos lange Zeit gewartet und sich überdies der tatsächliche Zustand des Grundstücks in der Zeit vom 1. April 1949 bis 1. Januar 1950 nicht wesentlich geändert habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.). Es wird gerügt, daß das Verwaltungsgericht nicht geprüft habe, ob der nach Ansicht der Bfin. überhöhte Wehrbeitragswert des Grundstücks für die Bemessung des Bodenwerts zum 1. Januar 1935 mit 40 RM je qm ursächlich gewesen sei. Schließlich habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1950 von Amts wegen unterlassen, obwohl der Bodenwert bei den letzten vorangegangenen Einheitswertfeststellungen wesentlich zu hoch angesetzt worden sei.
Die Rb. hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, daß die Voraussetzungen der §§ 2, 4 der 9. AbgabenDV-LA hier nicht vorliegen. Die Ausführungen in der Rb. über die vom Verwaltungsgericht unterlassene Nachprüfung des Verhältnisses des Wehrbeitragswerts zu dem Wert des Grund und Bodens am 1. Januar 1935 sind abwegig. Fraglich kann nur sein, ob eine berichtigende Wertfortschreibung zum 1. Januar 1950 von Amts wegen vorzunehmen ist und damit die Grundlage für die Anwendung des § 3 der 9. AbgabenDV-LA geschaffen wird. Das Verwaltungsgericht ist der Ansicht, daß eine Fortschreibung von Amts wegen entfällt, weil die Bfin. mit ihrer Antragstellung auf Fortschreibung grundlos jahrelang gewartet habe. Die Bfin. dagegen verweist darauf, daß sie den Antrag auf Feststellung des Sonderwerts und in diesem Zusammenhang die Anregung zu einer Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1950 von Amts wegen bald nach Ergehen der 9. AbgabenDV-LA eingereicht habe, und daß somit von einem grundlos langen Warten bei ihr keine Rede sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Standpunkt des Verwaltungsgerichts insoweit zutreffend ist. Entscheidend ist jedenfalls, daß ein klar erkennbarer Bewertungsfehler, der allein eine Wertfortschreibung zwecks Fehlerberichtigung rechtfertigen könnte, im Streitfall nicht vorliegt. Maßgebend für die Bewertung des Grundstücks sind die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935. Eine lediglich anderweite Schätzung des Werts des Grund und Bodens reicht nicht aus, um die auf Grund der Bewertungsunterlagen des Finanzamts bzw. Katasteramts erfolgte Bewertung des Grund und Bodens nach dem gemeinen Wert vom 1. Januar 1935 als fehlerhaft anzusehen. Im übrigen spricht der Umstand, daß nach der unwiderlegt gebliebenen Mitteilung des Finanzamts vom 16. März 1955 der Stoppreis des Grund und Bodens vom Jahre 1936 je qm 40 RM betragen habe, dafür, daß die Bewertung mit 40 RM auch nach den Wertverhältnissen von 1935 nicht unrichtig gewesen ist. Auf die von der Bfin. angegebenen Verkehrswerte für Trümmergrundstücke in Berlin von nur 20 - 22 DM je qm kommt es nicht an.
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Vorbescheid vom 14. Juni 1957. Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat Anberaumung der mündlichen Verhandlung beantragt. Der Senator für Finanzen in Berlin ist dem Verfahren beigetreten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Bfin. ausgeführt: § 3 der Verordnung über die Behandlung von Grundbesitz in Berlin (West) bei Lastenausgleichsabgaben (9. AbgabenDV-LA) vom 28. Juni 1954 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 I S. 319) sei in Verbindung mit § 225a der Reichsabgabenordnung im Streitfall anwendbar. Darauf, ob bereits eine Wertfortschreibung zum 1. April 1949 vorgenommen worden sei, und ob der zum 1. Januar 1950 fortzuschreibende Einheitswert niedriger sei als der am 1. April 1949 maßgebliche Einheitswert, komme es nicht an. Jedenfalls stehe fest, daß der derzeitige Verkehrswert für das Grundstück der Bfin. nur 20 - 22 DM je qm betrage, gegenüber dem im Streitfall zugrunde gelegten Wert von 40 RM nach Wertverhältnissen 1935. Maßgebend aber seien für das Sonderwertverfahren die Verkehrswerte und nicht die Wertverhältnisse von 1935. Der Vertreter des Senators für Finanzen in Berlin hat grundsätzliche Ausführungen über Zweck und Bedeutung der 9. AbgabenDV-LA gemacht. Sie gipfeln darin, daß im Verfahren der Feststellung eines Sonderwerts keine überprüfung der rechtskräftig festgestellten Einheitswerte vorzunehmen sei. änderungen rechtskräftiger Einheitswerte könnten nur nach allgemeinen Grundsätzen erfolgen. Im Streitfall sei bereits auf den 1. April 1949 eine besondere Fortschreibung des Einheitswerts nach Art. IV § 3 des Ersten Gesetzes über die Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin - I. VBestG - vom 29. Dezember 1950 (Verordnungsblatt für Berlin 1951 Teil I S. 26) vorgenommen worden, und der auf den 1. April 1949 festgestellte besondere Einheitswert sei seit langer Zeit rechtskräftig. Es sei daher kein Grund vorhanden, daß nunmehr noch eine Fortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks auf den 1. Januar 1950 im Rahmen des Sonderwertverfahrens von Amts wegen vorgenommen werde.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Der Senat sieht keine Veranlassung, von der im Vorbescheid niedergelegten Rechtsauffassung abzugehen. Der Ansicht des Vertreters der Bfin., daß es im Rahmen der Feststellung eines Sonderwerts nicht auf die Wertverhältnisse von 1935, sondern auf die derzeitigen Verkehrswerte für Berliner Trümmergrundstücke ankomme, ist nicht zuzustimmen. Die 9. AbgabenDV-LA sollte die Schlechterstellung der Eigentümer des Berliner Grundbesitzes beim Lastenausgleich im Vergleich zu der für das Bundesgebiet bestehenden Rechtslage verhindern. Auch in dem für die Bundesrepublik geltenden Fortschreibungsgesetz vom 10. März 1949 (Steuer- und Zollblatt 1949 S. 109) ist jedoch an der Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse von 1935 festgehalten (ß 6 des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948). Dementsprechend ist auch in Art. IV § 2 Abs. 2 des I. VBestG angeordnet, daß die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen sind. Für die 9. AbgabenDV-LA kann nichts anderes gelten, zumal diese Verordnung in engstem Zusammenhang mit Art. IV des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 steht. Ebenso ist es unzutreffend, daß der Einheitswert für den 1. Januar 1950 nicht niedriger sein müsse, als der für den 1. April 1949 maßgebende Einheitswert. Zu der Frage, ob noch im Verfahren der Sonderwertfeststellung eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1950 von Amts wegen herbeigeführt werden kann, hat der Senat in seinem Urteil III 317/56 U vom 22. Februar 1957 (Slg. Bd. 64 S. 419, BStBl 1957 III S. 158) ausgeführt, daß eine Wertfortschreibung von Amts wegen zum 1. Januar 1950 für Berliner Grundstücke in Fällen, in denen die Feststellung eines Sonderwerts gemäß § 3 der 9. AbgabenDV-LA beantragt worden sei, jedenfalls dann nicht ohne besonderen Grund verweigert werden könne, wenn die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung auf einen früheren Zeitpunkt nicht gegeben gewesen seien. Hieran ist festzuhalten. Das genannte Urteil greift jedoch in Fällen nicht ein, wenn bereits gemäß Art. IV § 3 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 eine besondere Fortschreibung des Einheitswerts verlangt werden konnte oder sogar, wie im Streitfall geschehen, durchgeführt worden ist. Damit entfällt hier schon aus diesem Grunde die Wertfortschreibung von Amts wegen auf den 1. Januar 1950. Im übrigen war bereits im Vorbescheid dargelegt, daß auch von einem Bewertungsfehler bei der Wertfortschreibung auf den 1. April 1949 keine Rede sein kann.
Fundstellen
Haufe-Index 408902 |
BStBl III 1957, 455 |
BFHE 1958, 582 |
BFHE 65, 579 |