Leitsatz (amtlich)

Eine zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer abgeschlossene Vereinbarung über die Gewährung von vermögenswirksamen Leistungen i. S. des § 5 Abs. 1 2. VermBG, die unwirksam ist, weil der Arbeitgeber die vermögenswirksamen Leistungen nicht allen seinen Arbeitnehmern angeboten hat, kann nicht als Vertrag über die vermögenswirksame Anlage von Teilen des Arbeitslohnes i. S. des § 4 Abs. 1 2. VermBG behandelt werden.

 

Normenkette

2. VermBG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 14

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1967 die Zusammenveranlagung gewählt haben. Der Ehemann betreibt ein Großhandelsgeschäft. Im Streitjahr 1967 beschäftigte er vier bis sieben Arbeitnehmer, darunter -- im Rahmen eines Ehegattenarbeitsverhältnisses -- seine Ehefrau. Der Kläger zahlte im Streitjahr seiner Ehefrau und einem weiteren Arbeitnehmer über den vereinbarten Arbeitslohn hinaus 312 DM, die nach den Vorschriften des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes (2. VermBG) angelegt wurden. Seinen anderen Arbeitnehmern bot er diese zusätzliche Zahlung nicht an; er stellte ihnen lediglich anheim, gem. § 4 2. VermBG aus ihrem normalen Arbeitslohn vermögenswirksame Leistungen zu erbringen.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1967 behandelte der Beklagte und Revisionskläger (FA) den der Ehefrau zusätzlich gewährten Betrag von 312 DM nicht als steuerfreie vermögenswirksame Leistung, sondern als steuerpflichtigen Arbeitslohn, weil die gleichen zusätzlichen Leistungen nicht allen Arbeitnehmern angeboten worden waren (§ 5 Abs. 1 2. VermBG) und die Voraussetzungen des § 4 2. VermBG nicht erfüllt seien. Der Einspruch war erfolglos.

Das FG gab der Klage statt. Es sah in den streitigen 312 DM nach § 4 2. VermBG vermögenswirksam angelegten und demgemäß nach § 12 Abs. 1 2. VermBG steuerfreien Arbeitslohn und ermäßigte die vom FA festgesetzte Einkommensteuer um 70 DM. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 2. VermBG seien zwar nicht erfüllt, weil der Kläger als Arbeitgeber die freiwilligen Leistungen nicht allen seinen Arbeitnehmern angeboten habe. Die zusätzliche Leistung an die Klägerin sei aber deren Arbeitslohn. Es spiele dabei keine Rolle, ob es sich um tarifliche, freivertraglich vereinbarte oder zusätzliche, also außerordentliche Arbeitseinkünfte handele. Nach dem unstreitigen Sachvortrag sei Der Betrag von 312 DM auch nach den Bestimmungen des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes angelegt worden. Das sei nur möglich, wenn vorher eine entsprechende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin bestanden habe. Zwar spreche § 4 Abs. 1 2. VermBG von einem schriftlichen Verlangen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Das bedeute aber nicht, daß mündliche Vereinbarungen gleichen Inhalts unwirksam oder schädlich wären. § 4 2. VermBG wolle nur sicherstellen, daß der Arbeitgeber dem schriftlichen Verlangen des Arbeitnehmers in jedem Falle nachkommen müsse. Eine freiwillige Erfüllung der vermögenswirksamen Anlage seitens des Arbeitgebers stehe dem nicht entgegen. Die vermögenswirksame Anlage von 312 DM habe daher auch durch eine Vereinbarung ohne Einhaltung einer besonderen Form erfolgen können.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuer wie im Einkommensteuerbescheid festzusetzen. Es rügt Verletzung der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 2, 12 Abs. 1 2. VermBG und führt aus: Es sei richtig, daß die Kläger die steuerliche Vergünstigung nach §§ 3, 5 Abs. 1 2. VermBG nicht erreichen könnten. Sie könne aber auch nicht nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 2, 12 Abs. 1 2. VermBG gewährt werden, weil die Kläger diesen Weg eindeutig nicht beschritten hätten. Das Verlangen des Arbeitnehmers, einen Vertrag über die vermögenswirksame Anlage von Teilen des Arbeitslohnes abzuschließen, bedürfe der Schriftform (G\'e9rard-Kunze-Schäfer, Kommentar zum Sparprämiengesetz, Vermögensbildungsgesetz, 7. Aufl., 830, 7). Der Mangel der Form habe Nichtigkeit zur Folge (Schelp-Schmitt-Haase, Kommentar zum Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer, 2. Aufl., §§ 4, 11, S. 181). Da die Ehefrau im Jahre 1967 keine eindeutige schriftliche Erklärung gegenüber dem Kläger als ihrem Arbeitgeber abgegeben habe, habe eine steuerfreie vermögenswirksame Leistung i. S. des § 12 Abs. 1 2. VermBG nicht vorgelegen. Die notwendige Erklärung sei allenfalls im Einspruch am 12. Juni 1969 abgegeben worden. In Tz. 47 der Anlage A zur Einkommensteuererklärung seien die Worte "ausgenommen Leistungen i. S. des § 4 2. VermBG" nicht gestrichen und demnach sei der Antrag auf Gewährung der Steuerermäßigung nach § 14 2. VermBG gestellt worden. Es könne nicht angehen, den Vertrag über den ursprünglich und in der Steuererklärung als zusätzliche Leistung erklärten Betrag von 312 DM noch nach Ablauf des Jahres 1967 als Arbeitslohn, der nach § 4 Abs. 1 2. VermBG vom Arbeitnehmer vermögenswirksam angelegt worden sei, umzuwandeln.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Das FG geht zutreffend mit den Beteiligten davon aus, daß der vom Kläger der Ehefrau über den vereinbarten Arbeitslohn hinaus gezahlte Betrag von 312 DM nicht nach §§ 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 2. VermBG begünstigt ist, weil der Kläger diese zusätzliche Leistung nicht allen seinen Arbeitnehmern angeboten hatte. Es nimmt aber zu Unrecht an, daß dieser Betrag als nach § 4 Abs. 1 2. VermBG vermögenswirksam angelegt behandelt werden kann. § 4 Abs. 1 2. VermBG bestimmt, daß der Arbeitgeber auf schriftliches Verlangen des Arbeitnehmers einen Vertrag über die vermögenswirksame Anlage von Teilen des Arbeitslohns abzuschließen hat. Ob eine von beiden Vertragspartnern nur mündlich abgeschlossene Vereinbarung genügt, wie das FG meint, ist im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut bedenklich. Der Senat braucht diese Frage aber nicht zu entscheiden. Die Kläger wollten, wie sie nicht in Abrede stellen, in ihrem Verhältnis zueinander eine Vereinbarung i. S. des § 5 Abs. 1 2. VermBG treffen. Dieser Vertrag, der unwirksam war, weil der Kläger die vermögenswirksame Leistung nicht allen seinen Arbeitnehmern angeboten hatte, kann schon deshalb nicht in einen Vertrag nach § 4 Abs. 1 2. VermBG umgedeutet werden, weil § 5 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 2. VermBG selbständige und voneinander unabhängige Regelungen enthalten, die unterschiedliche steuerliche Folgen haben. Es ist daher nicht möglich, eine verunglückte Regelung nach § 5 Abs. 1 2. VermBG als eine Vereinbarung nach § 4 Abs. 1 2. VermBG zu behandeln.

Die Vereinbarung einer vermögenswirksamen Leistung nach § 5 Abs. 1 2. VermBG besteht darin, daß der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine über den normalen Arbeitslohn hinausgehende Leistung anbietet und diese für den Arbeitnehmer der Vorschrift des § 2 2. VermBG entsprechend anlegt. Um die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer eines Arbeitgebers sicherzustellen, ist für die Steuerfreiheit dieser Leistungen nach § 5 Abs. 1 2. VermBG jedoch Voraussetzung, daß sie allen Arbeitnehmern angeboten werden (vgl. hierzu amtliche Begründung zum 2. VermBG, Bundestagsdrucksache IV/2814, zu § 5). Liegen diese Voraussetzungen vor, ermäßigt sich auch die eigene Einkommensteuer des Arbeitgebers gem. § 14 Abs. 1 2. VermBG um 30 v. H. der Summe der den Arbeitnehmern zugewendeten Beträge, höchstens um 800 DM. Demgegenüber gibt § 4 Abs. 1 2. VermBG dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, seinen Arbeitgeber zu verpflichten, mit ihm einen Vertrag über die vermögenswirksame Anlage von Teilen seines normalen Arbeitslohns abzuschließen. Dadurch soll sichergestellt werden, daß ein Arbeitnehmer von den Begünstigungen des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes durch den Arbeitgeber nicht ausgeschlossen werden kann. Da der Arbeitgeber jedoch keine zusätzlichen Leistungen erbringt, es sich im Ergebnis vielmehr um eine Verfügung des Arbeitnehmers über seinen normalen Arbeitslohn handelt, kann der Arbeitgeber auch nicht die Steuerermäßigung des § 14 Abs. 1 2. VermBG erhalten (§ 14 Abs. 2 2. VermBG). Die Steuerbefreiung wird also nur dem Arbeitnehmer zuteil, weil nach § 12 Abs. 1 2. VermBG die vermögenswirksamen Leistungen nicht als steuerpflichtige Einnahmen gelten.

Daß die beiden Regelungen verschieden sind, daß § 4 Abs. 1 2. VermBG nämlich etwas anderes bestimmt als § 5 Abs. 1 des Gesetzes, ergibt sich auch aus dem vom Gesetz verfolgten Zweck. Wie ausgeführt, soll die in § 5 Abs. 1 2. VermBG enthaltene Regelung, daß die Vermögenswirksamen Leistungen allen Arbeitnehmern angeboten werden müssen, eine Zurücksetzung einzelner Arbeitnehmer verhindern. Würde man der Auffassung des FG folgen und den Betrag, den der Arbeitgeber nur einem oder einigen Arbeitnehmern zusätzlich als "vermögenswirksame" Leistung zuwenden wollte, als normalen Arbeitslohn behandeln, dann würde zwar der Arbeitgeber die Steuerermäßigung nach § 14 Abs. 1 2. VermBG verlieren, der begünstigte Arbeitnehmer würde aber, wenn dieser Betrag nach § 2 2. VermBG angelegt würde, doch so gestellt sein, als ob die Vereinbarung nach § 5 Abs. 1 2. VermBG für ihn wirksam wäre. Dem Arbeitgeber kann zwar nicht verwehrt werden, einzelnen -- vielleicht besonders verdienten -- Arbeitnehmern Sonderzuwendungen zu machen; diese sind dann aber steuerpflichtige Einnahmen des Arbeitnehmers. Der so begünstigte Arbeitnehmer, der dann die Vergünstigungen des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes in dem betreffenden Kalenderjahr möglicherweise nicht mehr in Anspruch nehmen kann, wird in der Regel wirtschaftlich besserstehen als derjenige Arbeitnehmer, der mit dem Arbeitgeber eine wirksame Vereinbarung nach § 4 Abs. 1 2. VermBG abgeschlossen hat. Denn während letzterer lediglich die auf den Betrag von 312 DM entfallenden Steuern und Sozialabgaben erspart und gegebenenfalls die auf diesen Betrag entfallende Prämie erhält, würde sich bei der Umdeutung einer nach § 5 2. VermBG i. V. m. § 2 2. VermBG beabsichtigten, aber mißglückten Vermögensbildung in eine solche nach § 4 2. VermBG für den Arbeitnehmer die zusätzliche Leistung nur um die auf diese Leistung entfallende Einkommensteuer, die im Streitfall 70 DM beträgt, und um etwaige Sozialabgaben mindern.

Da das FG zu Unrecht eine Umdeutung der verunglückten Vereinbarung nach § 5 Abs. 1 2. VermBG in eine solche nach § 4 Abs. 1 2. VermBG vorgenommen hat, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage ist abzuweisen; denn das FA hat den Betrag von 312 DM, den der Kläger seiner Ehefrau über das vereinbarte Arbeitsentgelt hinaus zugewendet hat, zu Recht als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71210

BStBl II 1975, 157

BFHE 1975, 151

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