Leitsatz (amtlich)
Die Grunderwerbsteuerbefreiung des § 9 GrEStG Hessen (= § 9 GrEStG 1940) steht demjenigen nicht zu, der im Zwangsversteigerungsverfahren nicht Beteiligter kraft eines Anspruchs mit Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück (§ 9 ZVG) sein kann. Der Umstand, daß die Einigung über die Bestellung eines Grundpfandrechts für den Eigentümer und den Rechtserwerber nach § 873 Abs. 2 BGB bindend geworden und gemäß § 878 BGB die Erklärung des Eigentümers durch spätere Verfügungsbeschränkung nicht unwirksam wird, rechtfertigt nicht die Gleichstellung des Rechtserwerbers mit einem Grundpfandgläubiger.
Normenkette
GrEStG Hessen § 9; GrEStG 1940 § 9; ZVG §§ 9, 37, 48, 66; BGB §§ 873, 878
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 28. Mai 1975 und Ergänzung hierzu vom 14. Juli 1975 ein Grundstück mit darauf errichtetem Eigenheim um 172 900 DM. Der Kaufpreis sollte u. a. durch Aufrechnung mit einer dem Kläger gegenüber der Verkäuferin zustehenden Forderung getilgt werden. In der Urkunde beantragte der Kläger Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 und 3 des Grunderwerbsteuergesetzes Hessen (GrEStG Hessen).
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) festgestellt hatte, daß eine dem Kläger eingeräumte Grundschuld über 33 000 DM erst am 25. Juli 1975 in das Grundbuch eingetragen worden war, setzte es gegen den Kläger mit Bescheid vom 9. Dezember 1975 Grunderwerbsteuer im Gesamtbetrag von 12 103 DM fest.
Die nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens erhobene Klage, mit der der Kläger die Aufhebung der Steuerfestsetzung begehrt, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die am 4. April 1975 gemäß § 873 Abs. 2 BGB eingetretene Bindung an die Einigung ersetze die Eintragung in das Grundbuch und habe ihm eine einem Grundpfandgläubiger vergleichbare Rechtsposition verschafft.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er rügt Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 9 Abs. 1 GrEStG Hessen wird die Steuer beim Erwerb eines mit einem Pfandrecht belasteten Grundstücks durch den Grundpfandgläubiger in der Zwangsvollstreckung zur Rettung seines Rechtes unter bestimmten näher bezeichneten Voraussetzungen nicht erhoben. Die Vorschrift gilt sinngemäß, wenn ein Grundpfandgläubiger zur Rettung seines Rechtes das mit dem Pfandrecht belastete Grundstück durch Kaufvertrag erwirbt (§ 9 Abs. 3 GrEStG Hessen). Grundpfandgläubiger im Sinne der zitierten Vorschriften ist u. a. ein Grundschuldgläubiger (§ 9 Abs. 5 Satz 1 GrEStG Hessen).
Zur Belastung eines Grundstückes mit einem Recht ist nach § 873 Abs. 1 BGB die Einigung des Berechtigten (Grundstückseigentümers) und des anderen Teils (Rechtserwerber) und die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch erforderlich. Da die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch erst nach Abschluß des gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Hessen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsgeschäftes erfolgte, war der Kläger zivilrechtlich im maßgebenden Zeitpunkt noch nicht Grundpfandgläubiger.
Nach § 878 BGB bewirkt eine nach § 873 Abs. 2 BGB eingetretene Bindung an die Einigung unter der Voraussetzung der Stellung des Eintragungsantrags beim Grundbuchamt, daß die von dem Berechtigten abgegebene Erklärung auch nicht durch spätere Verfügungsbeschränkungen unwirksam wird. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des § 878 BGB im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages erfüllt waren. Denn die sinngemäße Anwendung der Vorschrift des § 9 Abs. 1 GrEStG auf den Erwerb durch Kaufvertrag gebietet die Frage danach, ob der Kläger, hätte er im Falle der Zwangsversteigerung des Grundstückes das Meistgebot abgegeben, die Begünstigung aus § 9 Abs. 1 GrEStG Hessen für den Erwerb hätte in Anspruch nehmen können. Diese Frage ist zu verneinen. Im Hinblick auf die in § 9 Abs. 3 GrEStG Hessen angeordnete entsprechende Anwendung muß dabei die rechtliche Situation in bezug auf das entstehende Grundpfandrecht im Zeitpunkt der Abgabe des Meistgebotes (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG Hessen) einerseits und des Abschlusses des Kaufvertrages (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Hessen) andererseits verglichen werden. Kann derjenige, zu dessen Gunsten zwar § 878 BGB wirkt, der aber mangels Eintragung noch nicht Grundpfandgläubiger ist, bei Abgabe des Meistgebotes in dieser Situation die Befreiung aus § 9 Abs. 1 GrEStG Hessen nicht für den Erwerb in Anspruch nehmen, so kann auch derjenige, der in der nämlichen Situation einen Kaufvertrag abschließt, das Grundstück nicht steuerfrei erwerben. Unbeachtlich bleibt bei diesem Vergleich, ob die nachfolgende Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch noch erfolgen kann - also der Erwerber zu einem späteren Zeitpunkt noch Grundpfandgläubiger werden kann - oder nicht.
Hätte der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages das Meistgebot abgegeben, so wäre er nicht als Grundpfandgläubiger am Zwangsversteigerungsverfahren beteiligt gewesen (vgl. § 9 Nrn. 1 und 2, § 20 Abs. 1, §§ 22, 23 des Zwangsversteigerungsgesetzes - ZVG -). Damit aber hätte der Erwerb nicht nach § 9 Abs. 1 GrEStG Hessen von der Besteuerung ausgenommen werden können. Zwar steht die Beschlagnahme des Grundstückes (Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerkes) einem späteren wirksamen Erwerb des Grundpfandrechtes dann nicht entgegen, wenn der künftige Grundpfandgläubiger in diesem Zeitpunkt durch § 878 BGB in seiner Position geschützt war. Dieser Zeitpunkt ist aber für die Beteiligung am Zwangsversteigerungsverfahren als Grundpfandgläubiger nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, daß der zukünftige Grundpfandgläubiger bei einer derartigen Rechtslage nur dann als Grundpfandgläubiger am Zwangsversteigerungsverfahren beteiligt ist, wenn er im Zeitpunkt der letztmöglichen Anmeldung des Rechtes (§§ 37, 66 Abs. 2 ZVG) dieses als Grundpfandgläubiger anmelden könnte. Zu diesem Zeitpunkt aber kann er sein Beteiligungsrecht als Inhaber eines Anspruches mit dem Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück (vgl. § 9 Nr. 2 ZVG) - anders als derjenige, zu dessen Gunsten eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruches auf Eintragung eines Grundpfandrechtes eingetragen ist (§ 48 ZVG) - nicht geltend machen, wenn das Recht mangels Eintragung noch nicht entstanden ist. Er nimmt deshalb bei der Verteilung des Versteigerungserlöses nur nachrangig teil, und zwar in der Position eines Gläubigers, der kein Recht zur Befriedigung aus dem Grundstück hat (§ 37 Nr. 4, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZVG). Der Erwerb eines Grundstückes in der Zwangsversteigerung durch einen Gläubiger, dessen Forderung nicht durch ein Grundpfandrecht gesichert ist, ist aber nach § 9 Abs. 1 GrEStG Hessen nicht begünstigt.
Fundstellen
Haufe-Index 73393 |
BStBl II 1980, 130 |
BFHE 1980, 205 |