Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Gesellschafter einer Personengesellschaft können unterschiedliche Sonderabschreibung nach § 7 b EStG in Anspruch nehmen. Die Abschreibungsvergünstigung steht ihnen soweit zu, als sie an der Herstellung des Wohngebäudes beteiligt waren und an dem hergestellten Gebäude vermögensrechtlich beteiligt geblieben sind. Der Senat folgt insoweit nicht den Grundsätzen der Entscheidung I 159/57 U vom 14. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 75).
Normenkette
EStG §§ 7b, 15/2
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1958, ob die Vergünstigung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes 1958 (EStG) wegen Aufgabe der Identität der Kommanditgesellschaft zu versagen ist.
Die KG befaßt sich hauptsächlich mit der Errichtung von Wohngebäuden. Sie bestand bis zum 1. März 1958 aus dem persönlich haftenden Gesellschafter A. und dem Kommanditisten K. Beide Gesellschafter waren zur Hälfte am Gewinn und Verlust beteiligt. Da die KG in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, die zur Anordnung der Zwangsverwaltung führten, schied K. mit Wirkung vom 1. März 1958 aus. Im Vertrag vom selben Tage trat der Gesellschafter G. als Kommanditist mit einer Einlage von 10.000 DM ein. Er wurde mit 80 v. H. am Gewinn und Verlust beteiligt. Daraufhin schlossen die Gesellschafter A. und G. auf Drängen der Gläubiger einen sogenannten Treuhandvertrag, nach welchem A. von der Geschäftsführung auf 20 Jahre ausgeschlossen und G. durch übertragung der Einzelprokura zum Geschäftsführer bestellt wurden. Die Zwangsverwaltung wurde 1958 aufgehoben.
Die KG nahm in der Bilanz zum 31. Dezember 1958 für eine von ihr 1956 errichtete Wohnanlage die erhöhten Absetzungen für Wohngebäude nach § 7 b EStG in Höhe von 169.523 DM in Anspruch. Das Finanzamt versagte auf Grund des Ergebnisses einer 1962 durchgeführten Betriebsprüfung ab 1958 die Steuervergünstigung des § 7 b EStG, weil wegen tiefgreifenden Gesellschafterwechsels die wirtschaftliche Identität der KG nicht mehr gegeben sei. Es ließ nur die normale Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 EStG in Höhe von 16.430 DM zum Abzug zu.
Die Sprungberufung der KG hatte Erfolg. Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof durch die Entscheidung IV 25/64 vom 21. Januar 1965 das Urteil des Finanzgerichts auf, weil der ausgeschiedene Kommanditist K., der kein Rechtsmittel eingelegt hatte, nicht von Amts wegen zu dem Rechtsmittelverfahren der KG zugezogen worden war, und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurück.
Das Finanzgericht entschied auch im zweiten Rechtsgang unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 159/57 U vom 14. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 75, Slg. Bd. 66 S. 193), daß grundsätzlich die KG als Herstellerin des Wohngebäudes anzusehen sei. Das gelte entgegen den Ausführungen der Entscheidung I 159/57 U auch für den Fall, daß - wie hier - ein tiefgreifender Gesellschafterwechsel vorliege. Denn handelsrechtlich sei die Identität der KG nicht berührt worden; auch habe sich der Geschäftszweck nicht geändert.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt in seiner Rb. unrichtige Rechtsanwendung. Er führt aus, daß bei einem tiefgreifenden Gesellschafterwechsel die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft nicht mehr gegeben sei. Nach den Grundsätzen der Entscheidung I 159/57 U stünden der Gesellschaft deshalb vom 1. März 1958 an die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG nicht mehr zu.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.
Im Urteil I 159/57 U entschied der Bundesfinanzhof, daß eine Personengesellschaft, zu deren Betriebsvermögen von ihr errichtete Wohngebäude gehören, die Sonderabschreibung nach § 7 b EStG in der Regel auch dann in vollem Umfang in Anspruch nehmen dürfe, wenn nach Fertigstellung der Wohngebäude Gesellschafter ausschieden oder andere Gesellschafter einträten. Die Entscheidung beruht auf der Erwägung, daß als Hersteller der Wohngebäude nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern die als Eigentümerin im Grundbuch eingetragene Personengesellschaft selbst anzusehen sei. Sie läßt ausdrücklich die Frage offen, ob im Falle eines tiefgreifenden Gesellschafterwechsels unter Umständen die wirtschaftliche Identität der Personengesellschaft mit der Folge zu verneinen sei, daß der Personengesellschaft die Sonderabschreibung des § 7 b EStG in vollem Umfang versagt werden müßte.
Geht man davon aus, daß ein tiefgreifender Gesellschafterwechsel die Identität der Personengesellschaft verändert, so kann im Streitfall die KG die Abschreibungsvergünstigung des § 7 b EStG für die Zeit ab 1. März 1958 nicht in Anspruch nehmen. Denn daß bei der KG im Streitjahr ein tiefgreifender Gesellschafterwechsel eintrat, kann in übereinstimmung mit dem Finanzgericht unbedenklich angenommen werden. Der Senat kann sich jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht der in der Entscheidung I 159/57 U zum Ausdruck kommenden Auffassung, soweit diese die Sonderabschreibung nach § 7 b EStG betrifft, anschließen.
Es ist zwar in übereinstimmung mit der Entscheidung I 159/57 U davon auszugehen, daß die sogenannte Bilanzbündeltheorie, wonach jeder Gesellschafter als Inhaber des ganzen Betriebes der Personengesellschaft beschränkt durch die Rechte der Mitgesellschafter anzusehen ist, möglichst nicht zu einer Auflösung der Einheit der Personengesellschaft und zu einer überbetonung der Sonderbilanzen der einzelnen Gesellschafter führen darf und daß deshalb von Bilanzierungswahlrechten, die das Gesetz dem Kaufmann gewährt (z. B. bei AfA, Abschreibungen, Rückstellungen), grundsätzlich nur einheitlich Gebrauch gemacht werden kann. Es ist jedoch nicht gerechtfertigt, diese Grundsätze auch auf die Inanspruchnahme der Abschreibungsvergünstigung des § 7 b EStG anzuwenden. Eine Reihe von gewichtigen Gründen spricht dafür, dabei nicht auf die wirtschaftliche Einheit der Personengesellschaft, sondern auf die Verhältnisse der einzelnen Gesellschafter abzustellen.
Die Auffassung, daß als Hersteller des Wohngebäudes nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern stets die Personengesellschaft als solche anzusehen seien, läßt sich nicht folgerichtig durchführen, wenn man dem Sinn und Zweck der Abschreibungsvergünstigung gerecht werden will. Sie stützt sich darauf, daß eine Personengesellschaft handelsrechtlich eine Einheit darstellt und unter ihrer Firma Grundstücke erwerben kann (ß 124 HGB). Diese handelsrechtliche Einheit wird auch durch einen tiefgehenden Gesellschafterwechsel nicht berührt. Legte man diese zivilrechtliche Betrachtungsweise uneingeschränkt zugrunde, dann muß folgerichtig die Abschreibung nach § 7 b EStG auch dann gewährt werden, wenn nach der Errichtung des Wohngebäudes alle Gesellschafter wechseln. Dieses Ergebnis hält der Senat mit dem Sinn und Zweck des § 7 b EStG nicht für vereinbar. Denn die Abschreibungsvergünstigung kommt auf diese Weise auch solchen natürlichen Personen bei ihrer Einkommensteuerveranlagung zugute, die das Wohngebäude nicht hergestellt, sondern anteilig angeschafft haben.
Nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen sind Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen - das ist bei Personengesellschaften der Fall -, den Beteiligten so zuzurechnen, als wären sie nach Bruchteilen berechtigt (ß 11 Ziff. 5 StAnpG). Gesamthandsgemeinschaften und Bruchteilsgemeinschaften werden grundsätzlich gleichbehandelt. In dem Urteil VI 20/62 S vom 11. Januar 1963 (BStBl 1963 III S. 236, Slg. Bd. 76 S. 646) entschied der Bundesfinanzhof, daß die in einer Grundstücksgemeinschaft vereinigten Miteigentümer von dem in § 7 b EStG vorgesehenen Wahlrecht in verschiedener Weise Gebrauch machen können. In der Entscheidung ist ausgeführt, daß es dem Sinn und Zweck der Vergünstigung des § 7 b EStG entspricht, die Begünstigung für den Steuerpflichtigen, der ein Wohngebäude errichtet hat, in den Vordergrund zu stellen. Die Entscheidung läßt allerdings dahingestellt, ob eine unterschiedliche Wahl auch bei Personengesellschaften anerkannt werden könne, da Grundstücksgemeinschaften keine solchen Einheiten bildeten, wie Personengesellschaften des Handelsrechts. Eine grundsätzliche unterschiedliche Beurteilung erscheint dem Senat nicht gerechtfertigt.
Eine abweichende Beurteilung bei Personengesellschaften kann mit praktischen Erwägungen allein nicht begründet werden. In der Entscheidung I 159/57 U wurde hervorgehoben, daß der Gesichtspunkt der Durchführbarkeit der Steuergesetze bei der Auslegung nicht außer Betracht bleiben dürfe; eine Auflösung der Einheitsbilanz und eine überbetonung der Sonderbilanzen der einzelnen Gesellschafter würde das System der einheitlichen Gewinnfeststellung beeinträchtigen und mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden sein. Demgegenüber führte der VI. Senat in der Grundsatzentscheidung VI 20/62 S aus, daß Verschiedenheiten in der Ausübung des Wahlrechts nach § 7 b EStG nicht deshalb rechtlich ausgeschlossen werden könnten, weil sich dann die Gefahr der Unübersichtlichkeit ergebe. Die beteiligten Miteigentümer hätten dieser Gefahr in geeigneter Weise zu begegnen, z. B. durch Führung einer entsprechenden Abschreibungstabelle. Diese Erwägung des VI. Senats hält der erkennende Senat hier für um so gerechtfertigter, als die Verfolgung der Abschreibungen des § 7 b EStG bei den buchführenden Personengesellschaften leichter als bei privaten Grundstücksgemeinschaften ist. Der Gesichtspunkt, daß bei Zulassung des Abschreibungswahlrechts bei Personengesellschaften die Gewinnberechnung und die einheitliche Gewinnfeststellung erschwert würden, kann deshalb für die Entscheidung der Rechtsfrage nicht mehr maßgebend sein. Die Sache liegt insofern ebenso wie bei der Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen, die auf persönlichen Eigenschaften der Gesellschafter beruhen und die deshalb nur diesen Gesellschaftern zugute kommen dürfen (z. B. § 7 a EStG).
Der Senat kommt somit zu dem Ergebnis, daß die Gesellschafter einer Personengesellschaft die Sonderabschreibung nach § 7 b EStG in verschiedenem Umfang in Anspruch nehmen können. Die notwendige Folge ist dann, daß dem einzelnen Gesellschafter die Abschreibungsvergünstigung nur insoweit zusteht, als er an der Herstellung des Wohngebäudes beteiligt war und an dem hergestellten Gebäude vermögensrechtlich beteiligt geblieben ist.
Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausging, ist aufzuheben. Die Sache wird zur erneuten einheitlichen Gewinnfeststellung an das Finanzamt zurückverwiesen. Das Finanzamt wird dabei die sich für die Gesellschafter A. und K. ergebende Sonderabschreibung nach § 7 b EStG zu berücksichtigen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 411876 |
BStBl III 1966, 90 |
BFHE 1966, 246 |
BFHE 84, 246 |