Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Ausgaben eines Gerichtsreferendars für die Zweite juristische Staatsprüfung und die Prüfungsgebühren sind Kosten der Berufsfortbildung (Werbungskosten).
Der Senat hält wegen der Entwicklung der Verhältnisse die Fortbildung der bisherigen Rechtsprechung für geboten.
Normenkette
EStG § 9 S. 1, § 12 Nr. 1, § 19/1; LStDV § 20; StAnpG § 1 Abs. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -), die jetzt Rechtsanwältin ist, hat im Streitjahr 1962 die Zweite juristische Staatsprüfung (Assessorexamen) bestanden. Als Referendarin bezog sie bis zur Prüfung den üblichen Unterhaltszuschuß. Im Lohnsteuerjahresausgleich verlangte sie auch die Prüfungsgebühr von 180 DM als Werbungskosten abzusetzen. Das Finanzamt (FA) lehnte das ab.
Der Einspruch und die Berufung hatten in diesem Punkt keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) betrachtete die Prüfungsgebühr als Teil der Kosten der juristischen Ausbildung.
Entscheidungsgründe
Die Revision, mit der die Stpfl. unrichtige Anwendung des geltenden Rechts rügt, hat Erfolg.
Zu der Frage, ob Ausgaben eines Referendars im Zusammenhang mit der Zweiten Staatsprüfung Werbungskosten bei seiner beruflichen Tätigkeit als Referendar sind, hat der Senat in dem Urteil VI 162/59 U vom 4. August 1961 (BFH 74, 9, BStBl III 1962, 5) Stellung genommen. Er ist damals davon ausgegangen, daß die Berufsausbildung eines Juristen grundsätzlich nicht mit der Ersten juristischen Staatsprüfung (Referendarexamen), sondern mit dem Assessorexamen zu Ende geht. Deshalb rechnete er die Ausgaben des Referendars, die vornehmlich der Vorbereitung zum Assessorexamen dienten, zu den Kosten der Ausbildung, die gemäß § 12 Ziff. 1 EStG nicht abzugsfähige Kosten der Lebenshaltung sind.
An dieser Rechtsauslegung hält der Senat wegen der Entwicklung der Verhältnisse nicht fest (§ 1 Abs. 2 StAnpG).
Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, der Begriff "Fortbildungskosten" dürfe gegenüber dem Begriff Ausbildungskosten" nicht zu eng gefaßt werden, z. B. in den Urteilen VI 81/58 U vom 13. November 1959 (BFH 70, 143, BStBl III 1960, 53); VI 110/62 U vom 24. August 1962 (BFH 75, 606, BStBl III 1962, 488); VI 94/64 vom 9. April 1965 (HFR 1965 S. 507); VI 152/65 vom 10. September 1965 (HFR 1966 S. 74).
Die Kosten des akademischen Studiums gehören grundsätzlich zu den Ausbildungskosten, soweit das Studium nicht ausschließlich oder ganz überwiegend der Erweiterung der Kenntnisse in dem bereits ausgeübten Beruf dient, wie der Senat noch letztlich in den Urteilen VI 5/65 vom 25. Januar 1966 (BFH 84, 543, BStBl III 1966, 198) und VI 175/65 vom 25. November 1966 (BFH 87, 473, BStBl III 1967, 200) ausgesprochen hat.
In früherer Zeit war es üblich und normal, daß der junge Jurist seine Ausbildung mit der Zweiten Staatsprüfung abschloß, um dadurch die Befähigung zum Richteramt, zum höheren Verwaltungsdienst oder zur Rechtsanwaltschaft zu erwerben. Die Kosten seiner Ausbildung und seines Unterhalts während der Ausbildung trugen gewöhnlich die Eltern.
In beiden Punkten haben sich die Verhältnisse nach und nach, besonders aber in den letzten Jahren vor allem infolge der wirtschaftlichen Hochkonjunktur und des Mangels an qualifiziertem Nachwuchs grundlegend geändert. Viele Jungakademiker aller Fakultäten beenden jetzt nicht selten ihre wissenschaftliche Ausbildung mit dem Abschluß des akademischen Studiums und gehen dann in einen praktischen Beruf mit guten Verdienstmöglichkeiten. Auch Juristen treten oft schon als Referendare in das Wirtschaftsleben wie die Akademiker verwandter Sparten, die im Anschluß an das akademische Studium keine vorgeschriebene Ausbildung zu durchlaufen brauchen, z. B. Diplomvolkswirte, Diplomkaufleute und Betriebswirte. Diese Gruppen können nach dem Eintritt in das Berufsleben ihre Ausgaben für weiterführende Bildung und Prüfungen als Werbungskosten abziehen, soweit sie mit dem ausgeübten Beruf in Zusammenhang stehen. Es ist nicht zu vertreten, Referendaren in der Ausbildungszeit diese Möglichkeit grundsätzlich abzuschneiden.
Auf der anderen Seite gewährt der Staat, um der unerwünschten Abwanderung der Jungakademiker in Berufe mit weniger langer Ausbildungszeit entgegenzutreten und um sie anzureizen, die jahrelange weitere Ausbildung auf sich zu nehmen, den Referendaren (Juristen und Philologen) Unterhaltszuschüsse, mit denen sie bei bescheidenen Ansprüchen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und vielfach sogar heiraten können. Diese Unterhaltszuschüsse sind Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG und werden dem Lohnsteuerabzug unterworfen (Urteil des BFH IV 276/52 U vom 1. Juli 1954, BFH 60, 36, BStBl III 1955, 14). Betrachtet man aber den "Unterhaltszuschuß" als Arbeitslohn, so scheint es angebracht, auch alle Kosten, die einer Erhöhung der Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis dienen, als Werbungskosten zu behandeln.
Angesichts der durchgreifenden änderungen der Verhältnisse scheint es deshalb dem Senat geboten, seine Rechtsprechung fortzubilden und die Ausgaben der Referendare für die Vorbereitung und die Ablegung der Zweiten Staatsprüfung als Kosten der Berufsfortbildung (Werbungskosten) bei den Einkünften aus der Tätigkeit als Referendar absetzen zu lassen.
Die Vorentscheidung, die noch von den bisherigen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war insoweit aufzuheben. Das FA hat nunmehr bei der Berechnung der Lohnsteuer auch die Prüfungsgebühr von 180 DM als Werbungskosten anzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 412371 |
BStBl III 1967, 340 |
BFHE 1967, 162 |
BFHE 88, 162 |