Leitsatz (amtlich)
Reflektor-Glühlampen mit blau gefärbten Glaskolben (sog. Pflanzenlampen) unterliegen der Leuchtmittelsteuer.
Orientierungssatz
1. Ob elektrische Glühlampen und Entladungslampen nach ihrer Beschaffenheit zur Beleuchtung geeignet sind und der Beleuchtung dienen (§ 1 Abs. 2 LeuchtmStG), ist unter Berücksichtigung der Beschaffenheit der Lampen zu entscheiden (BFH). Nicht maßgebend für die Besteuerung sind dagegen Zweckbestimmung oder Verwendung der Lampen durch den Hersteller, Händler oder Käufer, auch nicht andere objektive, die Lampen betreffende Merkmale, die der Disposition der genannten Personen unterliegen, wie z.B. Verpackung oder Preis.
2. Nur solche Leuchtmittel i.S. des § 1 Abs. 2 LeuchtmStG sind als "Strahler" i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 LeuchtmStG anzusehen, die so gebaut sind, daß sie so gut wie ausschließlich für die in § 1 Abs. 3 Nr. 3 LeuchtmStG genannten Zwecke geeignet sind und demgegenüber der Beleuchtungszweck ohne wesentliche Bedeutung ist.
3. Die Finanzbehörden sind nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nur ausnahmsweise gehindert, einen nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruch geltend zu machen. Bei jeder Veranlagung ist der Sachverhalt erneut festzustellen und rechtlich zu beurteilen, so daß die Finanzbehörden an die Sachbehandlung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht gebunden sind.
Normenkette
LeuchtmStG § 1 Abs. 2, 3 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte am 4.Dezember 1980 20 Kartons mit 2 000 Stück sog. X-Pflanzenlampen, Reflektor-Glühlampen 75 W, Kolben mittelblau gefärbt, aus den Niederlanden ein. Sie gestellte die Waren beim Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) und meldete sie als Glühlampen zur biologischen Pflanzenaufzucht an. Das HZA erhob mit Bescheid vom 5.Dezember 1980 0,70 DM Leuchtmittelsteuer je Stück, insgesamt 1 386 DM Leuchtmittelsteuer und 1 681,60 DM Einfuhrumsatzsteuer.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Bescheid vom 5.Dezember 1980 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.Dezember 1981 auf, soweit darin Leuchtmittelsteuer festgesetzt worden war. Nicht als Leuchtmittel im Sinne des Leuchtmittelsteuergesetzes (LeuchtmStG) gälten Strahler zur Auslösung biologischer Reaktionen (§ 1 Abs.3 Nr.3 LeuchtmStG). Um solche handle es sich im Streitfall.
Entscheidungsgründe
Die Revision des HZA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die eingeführten Lampen sind Leuchtmittel im Sinne des LeuchtmStG und fallen nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs.3 Nr.3 LeuchtmStG. Sie sind daher vom HZA zu Recht der Leuchtmittelsteuer unterworfen worden.
1. Nach § 1 Abs.2 Satz 1 LeuchtmStG sind Leuchtmittel im Sinne des Gesetzes elektrische Glühlampen und Entladungslampen, wenn sie nach ihrer Beschaffenheit zur Beleuchtung geeignet sind und der Beleuchtung dienen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist unter Berücksichtigung der Beschaffenheit der Lampen zu entscheiden (Urteil des Senats vom 18.Dezember 1984 VII R 92/82, BFHE 143, 181, 182; vgl. auch Urteil des Senats vom 13.November 1984 VII R 25/81, BFHE 142, 344, 345). Nicht maßgebend für die Besteuerung sind dagegen Zweckbestimmung oder Verwendung der Lampen durch Hersteller, Händler oder Käufer, auch nicht andere objektive, die Lampen betreffende Merkmale, die der Disposition der genannten Personen unterliegen, wie z.B. Verpackung oder Preis. Andernfalls unterlägen Lampen gleicher Beschaffenheit je nach Zweckbestimmung, Verwendung, Verpackung oder Preis einmal der Leuchtmittelsteuer, ein anderes mal nicht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß das LeuchtmStG ein solches kaum praktikables System hat schaffen wollen. Dafür spricht auch, daß es im LeuchtmStG an einer Regelung fehlt, wie die Einhaltung bestimmter veränderbarer Merkmale überwacht werden und wie die Steuerschuld bei etwaiger Veränderung entstehen soll. Dessen hätte es aber bedurft, falls der Gesetzgeber auf solche Merkmale hätte abstellen wollen, weil andernfalls die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefährdet wäre.
a) Die eingeführten Waren sind, wie nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht zweifelhaft ist, nach ihrer Beschaffenheit geeignet, ihre Umgebung und Gegenstände (z.B. Pflanzen) zu erhellen. Sie sind damit i.S. des § 1 Abs.2 Satz 1 LeuchtmStG "zur Beleuchtung geeignet". Denn diese Bestimmung stellt an die Art und Weise der Beleuchtung keine Anforderungen (vgl. BFHE 143, 181, 182). Ohne Bedeutung sind also die Farbe des Lichtes bzw. dessen Spektrum, der Umstand, wie die optische Wahrnehmbarkeit der Umgebung oder von Gegenständen gefördert wird, die Wirtschaftlichkeit der Lampe, ihr Verkaufspreis oder die Beschaffenheit der Verpackung, in die die Lampe eingelegt werden soll. Insbesondere kommt es, wie ausgeführt, nicht darauf an, zu welchem Zweck der Hersteller oder Käufer das Erzeugnis bestimmt hat. Es genügt, daß das Erzeugnis nach seiner Beschaffenheit geeignet zur Beleuchtung ist.
Das FG hat darauf verwiesen, daß die streitbefangenen Lampen "zur Erfüllung üblicher Beleuchtungszwecke ... nicht geeignet" sind. Die Erfüllung eines solchen Merkmals setzt aber der Tatbestand des § 1 Abs.2 Satz 1 LeuchtmStG nicht voraus. Es genügt die Geeignetheit "zur Beleuchtung", gleichgültig, ob die Beleuchtung, die das Erzeugnis zu bewirken geeignet ist, eine übliche ist oder nicht.
b) Die eingeführten Lampen dienen auch zur Beleuchtung im Sinne des LeuchtmStG.
Nach § 1 Abs.2 Satz 2 LeuchtmStG dienen Leuchtmittel zur Beleuchtung, wenn sie üblicherweise zum Erhellen ihrer Umgebung oder von Gegenständen verwendet werden. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist anhand der Beschaffenheit und des Verwendungszweckes der Lampe zu entscheiden (vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zur Neufassung des LeuchtmStG von 1974 --auf der die derzeit gültige Fassung des § 1 beruht-- in BTDrucks 7/1980, Seite 9). Es kommt also darauf an, ob bei einer Lampe bestimmter Beschaffenheit davon auszugehen ist, daß der potentielle Erwerber sie üblicherweise zur Erhellung der Umgebung oder von Gegenständen verwenden wird. Dabei geht es in erster Linie darum, zur Beleuchtung geeignete Lampen nicht etwa deshalb von der Leuchtmittelsteuer auszunehmen, weil sie im Einzelfall nicht zur Beleuchtung verwendet werden (vgl. BTDrucks 7/1980, Seite 9). Das Gesetz setzt nicht voraus, daß die Lampe üblicherweise ausschließlich oder auch nur vorwiegend zu den genannten Zwecken eingesetzt wird; es genügt vielmehr, daß der Beleuchtungszweck auch, unter Umständen nur nebenbei, verfolgt wird.
Das belegt mittelbar § 1 Abs.3 LeuchtmStG. Diese Regelung nimmt bestimmte Waren aus dem in § 1 Abs.2 LeuchtmStG definierten Begriff des Leuchtmittels aus. Wortlaut und Entstehungsgeschichte (vgl. BTDrucks 7/1980, Seite 9) schließen es aus, daß diese Vorschrift allein eine Erläuterung der Begriffsbestimmung des § 1 Abs.2 LeuchtmStG darstellt. Es ist daher davon auszugehen, daß § 1 Abs.3 LeuchtmStG wenigstens für den Regelfall Waren betrifft, die grundsätzlich Leuchtmittel im Sinne des § 1 Abs.2 LeuchtmStG sind, also u.a. auch der Beleuchtung dienen. Dieser Beleuchtungszweck kann aber dann nur ein Nebenzweck sein, da bei der Art der in § 1 Abs.3 LeuchtmStG genannten Waren kein Zweifel daran besteht, daß ihr Hauptverwendungszweck ein anderer als der der Beleuchtung ist.
Das FG hat festgestellt, daß die eingeführten Waren Reflektor- Glühlampen sind. Diese unterscheiden sich von "normalen", d.h. zweifellos unter den Begriff "Leuchtmittel" des LeuchtmStG fallenden Lampen allein durch die Färbung des Glaskolbens. Lampen solcher Beschaffenheit werden üblicherweise zur Beleuchtung verwendet. Die besondere Färbung des von der Lampe ausgestrahlten Lichts und der im Verhältnis zur Helligkeit hohe Stromverbrauch schließt das nicht aus. So hat der Senat beispielsweise Lampen für Lichtorgelsäulen trotz ihrer besonderen Beschaffenheit, der Art ihrer Verwendung und ihrem offensichtlich im Verhältnis zur Helligkeit hohen Stromverbrauch als der Beleuchtung dienend bezeichnet (BFHE 143, 182). Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß die eingeführten Lampen wegen der besonderen Färbung des Glaskolbens üblicherweise nur als Pflanzenlampen Verwendung finden, dienen sie als solche (auch) der Beleuchtung; denn die Erhellung der beleuchteten Pflanzen, ihr Sichtbarmachen für den Betrachter, ist, wie sich aus den Feststellungen des FG mittelbar ergibt, auch Zweck der Verwendung.
Das FG beruft sich für seine andere Auffassung darauf, daß der Verwendungszweck der Lampe nicht die Beleuchtung, sondern das Bestrahlen von Pflanzen sei. Es verkennt dabei, daß sich beide Zwecke nicht ausschließen. Auch wenn unterstellt wird, daß die Lampen ausschließlich zum Bestrahlen von Pflanzen dienen sollen, besagt das nicht zwangsläufig, sie dienten nicht auch der Beleuchtung eben dieser Pflanzen. Das Sichtbarmachen der Pflanzen ist vielmehr, wie ausgeführt, ein mit dem Einsatz der Lampen üblicherweise verfolgter Verwendungszweck.
Diese Auffassung bedeutet entgegen der Meinung der Klägerin nicht, daß aus der Eignung der Lampen zur Beleuchtung ohne weiteres auf ihr Dienen zur Beleuchtung geschlossen wird. Eine solche Auslegung des § 1 Abs.2 LeuchtmStG wäre in der Tat nicht zutreffend, weil sonst dem zusätzlichen Tatbestandsmerkmal "Dienen zur Beleuchtung" keine eigenständige Bedeutung zukäme, was nicht Sinn der Regelung sein kann. Eine zur Beleuchtung geeignete Lampe kann aber durchaus eine Beschaffenheit aufweisen, die es ausschließt, daß sie auch nur nebenbei üblicherweise zur Erhellung ihrer Umgebung oder von Gegenständen eingesetzt wird (z.B. Ultraviolettlampen zur medizinischen Therapie, deren Bauart praktisch ausschließt, daß sie üblicherweise zur Beleuchtung verwendet werden). Die eingeführten Lampen weisen eine solche Beschaffenheit gerade nicht auf.
2. § 1 Abs.3 LeuchtmStG stellt, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, eine Ausnahmeregelung gegenüber § 1 Abs.2 dar. Nach ihr gelten bestimmte Waren nicht als Leuchtmittel, obwohl sie Leuchtmittel im Sinne der Begriffsbestimmung des § 1 Abs.2 LeuchtmStG sind. Das HZA hätte also die eingeführten Waren zu Unrecht der Leuchtmittelsteuer unterworfen, falls die Waren einen der Tatbestände des § 1 Abs.3 LeuchtmStG erfüllten. In Frage kommt allein der Tatbestand der Nr.3. Danach gelten nicht als Leuchtmittel u.a. Strahler zur Auslösung biologischer Reaktionen. Als solche Strahler sind die eingeführten Lampen jedoch nicht anzusehen.
Das LeuchtmStG enthält keine Definition des Begriffes "Strahler". § 1 Abs.3 Nr.3 LeuchtmStG ist jedoch durch Auslegung zu entnehmen, daß nur solche Leuchtmittel im Sinne des § 1 Abs.2 LeuchtmStG als "Strahler" in diesem Sinne anzusehen sind, die so gebaut sind, daß sie so gut wie ausschließlich für die in § 1 Abs.3 Nr.3 LeuchtmStG genannten Zwecke geeignet sind und demgegenüber der Beleuchtungszweck ohne wesentliche Bedeutung ist. Das ergeben die folgenden Überlegungen:
Jedes Leuchtmittel im Sinne des § 1 Abs.2 LeuchtmStG sendet im physikalischen Sinn Strahlen aus, ist also ein Strahler. Jedes solche Leuchtmittel ist auch grundsätzlich geeignet, z.B. biologische Reaktionen auszulösen. Da dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, er habe alle Leuchtmittel nach § 1 Abs.3 Nr.3 LeuchtmStG von der Leuchtmittelsteuer ausnehmen wollen, muß der Begriff "Strahler" im Sinne dieser Vorschrift einen anderen Sinn haben. Die Vorschrift nennt nur Strahler mit ganz spezifischem Verwendungszweck (zur Verwendung in der Therapie, Prophylaxe oder Kosmetik sowie Strahler zur Auslösung chemischer, physikalischer, phototechnischer oder biologischer Reaktionen). Sie muß daher dahin verstanden werden, daß sie nur Strahler umfaßt, die eine besondere, im Vordergrund stehende Eignung für die genannten Zwecke haben, entsprechend diesem Zweck gebaut sind (vgl. § 1 Abs.3 Nr.1: "Signallampen, die entsprechend ihrem Zweck gebaut sind", und § 1 Abs.3 Nr.2: "Lichtpauslampen besonderer Bauart") und nach dieser Beschaffenheit nur in ganz geringfügigem Umfang üblicherweise der Beleuchtung dienen. Diese Anforderungen erfüllen die eingeführten Lampen nach den obigen Ausführungen nicht, da --auch wenn man nur ihren Verwendungszweck als Pflanzenlampe in Betracht zieht-- der Beleuchtungszweck, das Sichtbarmachen der Pflanzen, nicht von unwesentlicher Bedeutung ist.
Nach dieser Auslegung des § 1 Abs.3 Nr.3 LeuchtmStG kommt es auf die Entscheidung der vom HZA aufgeworfenen Frage nicht an, ob die streitbefangene Reflektor-Glühlampe besser oder weniger gut zur Auslösung biologischer Reaktionen geeignet ist als eine ungefärbte Reflektor-Glühlampe.
Fundstellen
Haufe-Index 61227 |
BFHE 148, 384 |
BFHE 1987, 384 |
BB 1987, 815 |
BB 1987, 815-816 (ST) |
DStR 1987, 270-270 (S) |
HFR 1987, 260-261 (ST) |