Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 2 Abs.1 Nr.4 Satz 2 KVStG 1972 müssen die in Satz 1 genannten freiwilligen Leistungen nur objektiv geeignet sein, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Es ist nicht erforderlich, daß eine freiwillige Leistung den Wert der Gesellschaftsrechte tatsächlich erhöht.
2. Wegen § 8 Nr.2 KVStG 1972 ist Steuermaßstab der Wert der Leistung für die Kapitalgesellschaft. Unmaßgeblich ist der Wert eines Verzichtes für den Gesellschafter.
Orientierungssatz
Die Vorschriften des § 9 Abs. 2 KVStG 1972 und des § 7 Abs. 4 Nr. 1 KVStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19.12.1985 begünstigen solche (freiwilligen) Leistungen, die zur Deckung einer Überschuldung erforderlich sind. Sie setzen die Steuerbarkeit der freiwilligen Leistung auch dann voraus, wenn der Wert der Gesellschaftsrechte Null ist und bleibt. Wertmindernde Umstände können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie nach Art eines Leistungsaustausches mit der werterhöhenden Eigenschaft der Leistung eng verknüpft sind oder wenn die Leistung lediglich dazu dient, die Liquidation der Gesellschaft durchzuführen (vgl. BFH-Rechtsprechung und RFH-Rechtsprechung).
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b, Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b, Nr. 4 S. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Nr. 2, § 9 Abs. 2, § 7 Abs. 4 Nr. 1 Fassung: 1985-12-19
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Stammkapital von ursprünglich 20 000 DM mehrfach erhöht wurde. Durch Gesellschafterbeschluß vom 1.April 1974 wurde das Stammkapital um 700 000 DM auf 2,35 Mio DM erhöht.
Die Klägerin erzielte in den für den Streitfall interessierenden Jahren nur Verluste. Der Gesamtverlust belief sich per 31.Dezember 1973 auf 4 Mio DM. Er erhöhte sich bis zum 31.Dezember 1978 auf rd. 11 Mio DM. Die Verluste bedingten eine Geldausstattung der Klägerin durch Darlehen, die ihr die Alleingesellschafterin gewährte. Der Stand der Darlehen betrug per 30.September 1979 10,8 Mio DM.
Mit Schreiben vom 19.Dezember 1979 verzichtete die Alleingesellschafterin auf die Rückzahlung der Darlehen. Kurz vorher --nämlich am 30.November 1979-- hatte die Klägerin sich an der Gründung der R-GmbH beteiligt und einen Anteil im Nominalwert von 67 000 DM übernommen. Ihrer Einlageverpflichtung kam sie im Januar 1980 nach.
Mitte 1981 verkaufte die Alleingesellschafterin sämtliche Anteile an der Klägerin zum Preis von 1 DM. Die Klägerin wurde anschließend mit einer anderen inländischen GmbH verschmolzen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte den Forderungsverzicht lt. Schreiben vom 19.Dezember 1979 als gesellschaftsteuerpflichtige Leistung i.S. des § 2 Abs.1 Nr.4 b des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG). Er setzte hierfür mit Bescheid vom 26.Juni 1981 eine Gesellschaftsteuer in Höhe von 54 000 DM fest.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs.1 Nr.4 KVStG.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, den Gesellschaftsteuerbescheid vom 26.Juni 1981 und die Einspruchsentscheidung vom 20.Oktober 1981 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 2 Abs.1 Nr.4 b KVStG 1972 unterliegt der Gesellschaftsteuer der freiwillige Verzicht eines Gesellschafters auf eine Forderung gegenüber seiner inländischen Kapitalgesellschaft, wenn der Verzicht geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Zu dieser Rechtsfolge hat das Finanzgericht (FG) in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin eine inländische Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs.1 Nr.3 KVStG 1972 ist und daß ihre Alleingesellschafterin am 19.Dezember 1979 freiwillig auf eine Darlehensforderung gegenüber der Klägerin in Höhe von 10,8 Mio DM verzichtet hat. Da diese Feststellungen nicht mit Revisionsrügen angefochten wurden, ist der erkennende Senat an sie gebunden (§ 118 Abs.2 FGO). Somit ist nur noch darüber zu entscheiden, ob der Forderungsverzicht geeignet war, den Wert der Gesellschaftsrechte an der Klägerin zu erhöhen (§ 2 Abs.1 Nr.4 Satz 2 KVStG 1972).
2. Nach § 2 Abs.1 Nr.4 Satz 2 KVStG 1972 müssen die in Satz 1 genannten freiwilligen Leistungen nur objektiv geeignet sein, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Es ist nicht erforderlich, daß die freiwillige Leistung den Wert der Gesellschaftsrechte tatsächlich erhöht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12.April 1972 II 37/63, BFHE 106, 123, BStBl II 1972, 714; vom 12.April 1972 II 28/63, BFHE 106, 127, BStBl II 1972, 716; vom 12.April 1972 II 34/63, BFHE 106, 130, BStBl II 1972, 717; vom 27.November 1974 II R 109/72, BFHE 114, 445, BStBl II 1975, 265; vom 5.Februar 1975 II R 202/72, BFHE 115, 144, BStBl II 1975, 415; vom 8.Oktober 1975 II R 94/70, BFHE 117, 109, BStBl II 1976, 24; vom 21.September 1977 II R 21/73, BFHE 124, 79, BStBl II 1978, 136). § 9 Abs.2 KVStG in der Fassung vom 17.November 1972 --KVStG 1972-- (BGBl I 1972, 2129, BStBl I 1972, 532) und § 7 Abs.4 Nr.1 KVStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19.Dezember 1985 --KVStÄndG 1986-- (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) zeigen, daß es für die Entstehung der Steuerpflicht dem Grunde nach allein auf die Eignung der Leistung und nicht auf den Erfolg ankommt. Die Vorschriften begünstigen solche (freiwilligen) Leistungen, die zur Deckung einer Überschuldung erforderlich sind. Damit setzen sie die Steuerbarkeit der freiwilligen Leistung auch dann voraus, wenn der Wert der Gesellschaftsrechte Null ist und bleibt, d.h. wenn der Wert der Gesellschaftsrechte durch die Deckung der Überschuldung nicht erhöht wird. Wertmindernde Umstände können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie nach Art eines Leistungsaustausches mit der werterhöhenden Eigenschaft der Leistung eng verknüpft sind (vgl. Urteil in BFHE 115, 144, BStBl II 1975, 415) oder wenn die Leistung lediglich dazu dient, die Liquidation der Gesellschaft durchzuführen (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 17.Mai 1929 II A 215/29, RStBl 1929, 399, und vom 25.November 1930 II A 591/30, RStBl 1931, 64). An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch im Streitfall, weil der Forderungsverzicht, den die Alleingesellschafterin am 19.Dezember 1979 aussprach, ein einseitiger war und weil die Klägerin als Kapitalgesellschaft nicht liquidiert werden sollte.
3. Die Klägerin stützt ihre abweichende Rechtsauffassung zu Unrecht auf die RFH-Urteile vom 3.Oktober 1924 II A 839/24 (RFHE 14, 202) und vom 7.Januar 1930 II A 613/29 (RStBl 1930, 557). Das Urteil in RFHE 14, 202 betrifft eine Sicherheitsleistung, die der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft für ein Darlehen, das die Kapitalgesellschaft aufnahm, zugunsten des Darlehensgebers bestellte. Nur für diesen Fall hat der RFH entschieden, daß die Sicherheitsleistung den Wert der Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht erhöhe, sondern lediglich deren Wertminderung verhüte. Im Streitfall steht indes kein vergleichbarer Sachverhalt zur Entscheidung an. Das gilt auch für den Vergleich mit dem Urteil in RStBl 1930, 557. Dieses Urteil betrifft die Frage, ob ein nur zeitlicher Forderungsverzicht den Tatbestand des § 6b KVStG 1922 erfüllt. Dies hat der RFH verneint. Im Streitfall hat die Alleingesellschafterin der Klägerin am 19.Dezember 1979 auf ihre damalige Darlehensforderung endgültig verzichtet.
4. Wegen § 8 Nr.2 KVStG 1972 ist Steuermaßstab der Wert der Leistung für die Kapitalgesellschaft. Unmaßgeblich ist der Wert des Verzichtes für den Gesellschafter. Bei der Ermittlung des maßgebenden Steuersatzes hat das FG zutreffend § 9 Abs.2 Nr.1 KVStG 1972 angewendet. Danach ermäßigt sich der Steuersatz auf 0,5 v.H.
Fundstellen
Haufe-Index 61533 |
BStBl II 1988, 450 |
BFHE 152, 154 |
BFHE 1988, 154 |
BB 1988, 1591-1591 (LT1-2) |